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"Es geht auch um Frauen im Gastgewerbe. Es gibt Untersuchungen, die bestätigen, dass auch in Restaurants oder Bars der Lärmpegel teilweise über 88 dB geht", so Judith Schwentner. 

Foto: APA / Roland Weihrauch

In den Beschreibungen der 53 Berufskrankheiten wimmelt es von so genannten Männerberufen: Holzverarbeitung, Land- und Forstwirtschaft, Stollen- oder Tunnelbau. Auch die Anerkennung der möglichen Berufserkrankungen orientiert sich laut Judith Schwentner, Sprecherin für Frauen- und Entwicklungspolitik bei den Grünen, entlang männerdominierten Branchen. So wird in der Liste der Berufskrankheiten eine Schädigung der Wirbelsäule durch Vibration von hoher Frequenz (wie durch Pressluftwerkzeuge) beschrieben und will frau Meniskusschäden als Berufskrankheit anerkannt haben, ist der Berufsstand der BergarbeiterInnen nötig. "Unter den anerkannten Berufskrankheiten finden sich viele Beispiele, die deutlich auf männerdominierende Branchen zugeschnitten sind", kritisiert Schwentner im Gespräch mit dieStandard.at. Schwentner brachte am Dienstag im Sozialausschuss einen Antrag ein, damit auch frauentypische Berufskrankheiten im ASVG anerkannt werden.

209 Fälle versus 1.268 Fälle

Laut eines Tätigkeitsberichtes der Arbeitsinspektion wurden 2009 bei Frauen nur 209 Fälle als berufsbedingte Krankheiten eingestuft, die 1.268 anerkannten Fällen bei Männern gegenüberstehen. Konkret bedeutet das Benachteiligung bei jeglichen Ansprüchen, die sich aus dem Krankenstand und Ausfällen beruflicher Art ergeben. „Das betrifft Geldleistungen bei körperlicher Schädigung und geht bis zur Anerkennung der Versehrtenrente. Auch Reha-Kosten werden nicht übernommen, wenn die Krankheit nicht als Berufskrankheit akzeptiert wird", erklärt Schwentner.

Berufsbedingte Gehörschäden haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen, 54 Prozent von den anerkannten Berufskrankheiten fielen 2009 auf Gehörschäden. Schwerhörigkeit als Berufskrankheit wurde aber nur bei einem Prozent der Frauen anerkannt, obwohl es in Kindergärten oder Schulen nachweislich alles andere als ruhig zugeht. Eine Studie des dänischen KindergartenlehrerInnen-Verbandes maß einen Lärmpegel von 80 bis 85 dB, ein anhaltendes Lärmniveau von 85 dB schädigt das Gehör nachweislich. In der Industrie ist bei derartigem Lärm bereits ein Hörschutz vorgeschrieben.

Schädigender Lärmpegel

"Es geht auch um Frauen im Gastgewerbe. Es gibt Untersuchungen, die bestätigen, dass auch in Restaurants oder Bars der Lärmpegel teilweise über 88 Dezibel geht. Das ist ein Pegel, der bei typischen Männerberufen längst als gefährdend anerkannt wird. Und natürlich auch sämtliche Berufe im Pflegebereich, wo Frauen nicht nur körperlich sondern auch psychisch besonders belastet sind. Die in der Folge auftretenden Krankheiten scheinen auch nicht als anerkannte Berufskrankheiten auf", so Schwentner. So würden etwa Belastungen, die den Bewegungs- und Stützapparat betreffen nicht anerkannt, kritisiert sie. Neben der Aufnahme solcher Berufserkrankungen fordert sie mehr arbeitsmedizinische Kontrollen und Untersuchungen in klassischen "Frauenbranchen" sowie genderspezifische Forschung zu Berufskrankheiten.

Mit hoher Zustimmung vertagt

"Ich habe zwar die fehlende Berücksichtigung dessen, wie es Frauen auf dem Arbeitsmarkt geht, hervorgehoben. Die Liste der 53 Berufskrankheiten müsste aber insgesamt überarbeitet werden, auch die männlichen Berufsbilder haben sich sehr geändert", meint Schwentner, die den Antrag im Sozialausschuss des Parlaments bereits zum zweiten Mal stellt. 2009 brachte sie dieses Thema schon mal in den Ausschuss ein, ihr Antrag wurde allerdings vertagt, "allerdings mit hoher Zustimmung für das Thema". Schwentner wünscht sich für diesen Anlauf, "dass das ernst genommen wird, und dass bestenfalls ein gemeinsamer Antrag erarbeitet wird, der von mehreren Parteien unterstützt durchgeht." (beaha, dieStandard.at, 5.10.2010)