Bild nicht mehr verfügbar.

Am Dienstag wird wieder demonstriert.

Foto: REUTERS/Eric Gaillard

Nizza - Christiane Marty ist eine starke Stimme der Opposition in Frankreich. Die 55-jährige Frontfrau der globalisierungskritischen Organisation Attac in Frankreich hat entscheidend dazu beigetragen, Staatspräsident Nicolas Sarkozy erste Änderungen an seiner umstrittenen Pensionsreform abzuringen. Die Ingenieurin kämpft dafür, Nachteile für Frauen bei der geplanten Neuberechnung der Pension auszugleichen.

Am Dienstag haben die Gewerkschaften zu landesweiten Protesten und Streiks gegen Sarkozys Pensionsreform aufgerufen. Es wird erwartet, dass sich Hunderttausende Franzosen und Französinnen daran beteiligen. Auf Kundgebungen wie kürzlich in Nizza kritisierte Marty mit zunehmend lauter Stimme Punkt für Punkt die geplante Reform. Dutzende ZuhörerInnen in einem ArbeiterInnenviertel der südfranzösischen Stadt hörten ihr zu.

Nachteile sollen abgemildert werden

In der ersten Oktober-Woche konnte Marty einen kleinen Sieg feiern. Sarkozy kündigte an, Nachteile für Frauen abmildern zu wollen. Dafür werde der Staat 3,4 Mrd. Euro ausgeben. Frauen sollen auch mit weniger Arbeitsjahren die volle Pension beanspruchen dürfen, wenn sie mindestens drei Kinder groß gezogen haben. "Jetzt bewegt sich etwas", kommentiert Marty.

Allerdings lässt Sarkozy bisher keinen Zweifel daran, das Gesetz in seinen Grundzügen noch heuer verabschieden zu wollen. Es sieht vor, das Pensionsantrittsalter schrittweise von 60 auf 62 Jahren bis zum Jahr 2018 anzuheben. Außerdem sollen künftig nur noch diejenigen eine volle Pension beziehen, die 41,5 Jahre eingezahlt hat.

Für viele Menschen und insbesondere für Frauen mit Kindern eine nahezu unerreichbare Zeitspanne, sagt Marty und zitiert sofort einige Statistiken. Marty konnte in den großen überregionalen Zeitungen von "Le Monde" bis zu "La Tribune" ganzseitige Texte über die "fundamentale Ungerechtigkeit" der Reform veröffentlichen. Diese verschärfe die Benachteiligung von Frauen.

Große Demonstrationen werden erwartet

Ihre Kritik teilen offenbar viele Franzosen und Französinnen. An verschiedenen Aktionstagen gingen Millionen auf die Straße, auch am kommenden Dienstag werden wieder große Demonstrationen und Streiks in ganz Frankreich erwartet. "Diese Reform rüttelt an den Grundfesten unserer Gesellschaft", sagt Marty. Die Naturwissenschaftlerin ist überzeugt davon, dass sich Frankreich die vergleichsweise frühen Pensionierungen weiter leisten könne. Allein schon deshalb, weil die Geburtenrate mit 2,1 Kindern pro Paar wesentlich höher ist als zum Beispiel in Österreich. "Wir haben genug Einzahler, die die Pension der älteren Generation garantierten", sagt Marty, die auch Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac ist.

Wissenschats-Auszeit

Eigentlich ist Marty passionierte Wissenschaftlerin. Sie forscht in der Thermodynamik, ein Bereich der klassischen Physik. "Aber ich halte es für den entscheidenden Fortschritt unserer Gesellschaft, nicht immer arbeiten zu müssen, um zu überleben", sagt sie. Vor zehn Monaten hat sie sich eine Auszeit an ihrem staatlichen Forschungsinstitut genommen und ein Sabbatjahr eingelegt, sie wollte reisen und lesen.

Dann kündigte Sarkozy die Pensionsreform an, sicherlich das bisher umstrittenste Gesetz in der Amtszeit des konservativen Staatschefs. "Ich habe mich sofort an den Computer gesetzt und Gegenberechnungen angestellt", sagt Marty. Zahlen sind ihre schärfste Waffe, in vielen ihrer Artikel führt sie einen nahezu mathematischen Gegenbeweis zu den Kalkulationen der Regierung. So hatte der zuständige Arbeitsminister Eric Woerth behauptet, Französinnen würden heute genauso lange in die Pensionskasse einzahlen wie Männer. Eine Fehleinschätzung von Woerth, die er nach heftigen Reaktionen nun nicht mehr wiederholt. Diese kleinen Erfolge motivieren Marty. Sie wird auch am Dienstag wieder auf die Straße ziehen. Dabei ist ihre Pension mit 60 Jahren noch sicher. (APA)