Andrea Jelinek, neue Fremdenpolizei-Chefin in Wien.

Foto: Julia Jelinek

Die Umstände ihrer Beförderung hätten wohl erfreulicher sein können. Niemand tritt gern die Nachfolge eines "Bauernopfers" an - auch wenn im Innenministerium diese Sicht der Wachablöse bei der Wiener Fremdenpolizei vehement zurückgewiesen wird. Fachlich besteht jedenfalls kein Zweifel, dass Andrea Jelinek auch ihrer neuen Aufgabe gewachsen ist.

Im Fremden- und Asylrecht kennt sich die 49-jährige Juristin aus. 1993 trat die damals alleinerziehende Mutter einer Tochter in den Rechtsdienst des Ministeriums ein, fünf Jahre später war sie Leiterin des Fremdenreferats.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die zur roten Reichshälfte gezählte Beamtin auch später unter ÖVP-Herrschaft in der Wiener Herrengasse keinen Karriereknick hinnehmen musste. Im Gegenteil, 2003 wurde sie vom damaligen Ressortchef Ernst Strasser als erste Frau in der Geschichte der Bundespolizeidirektion Wien zur Leiterin eines Kommissariats ernannt. Strasser imponierte, dass "sie ganz schön streitbar sein kann. Wenn sie von etwas überzeugt ist, dann sagt sie es entschieden - auch ihren Vorgesetzten." Andrea Jelinek ließ sich fortan als "Frau Stadthauptmann" von Wien-Landstraße anreden.

Die Männerwirtschaft in der Exekutive ändert sich freilich nur langsam. Erst seit 1990 versehen Frauen unter Wahrung der gleichen Rechte und Pflichten, wie sie für männliche Kollegen gelten, uniformierten Dienst. Die geschlechtsneutrale Ausschreibung und Vergabe von Planposten hat in der jüngeren Vergangenheit auch Andrea Jelinek selbst in der ministeriellen Arbeitsgruppe für Gleichbehandlung überwacht.

Derzeit beträgt der Frauenanteil innerhalb der Polizei knapp zwölf Prozent. Nur in vier von 1055 Polizeiinspektionen in Österreich führen Frauen das Regiment. Bei der Wiener Polizei ist Jelinek als Chefin der Fremdenpolizei nun neben Vizepolizeipräsidentin Michaela Kardeis die zweite Frau in einer Topposition.

Eine ruhige Kugel kann Andrea Jelinek auch künftig nicht schieben. Pro Jahr bearbeitet die Wiener Fremdenbehörde 200.000 Eingaben, mehr als 2000 Personen werden in Schubhaft genommen. Die neue Leiterin hat den ausdrücklichen Auftrag, dafür zu sorgen, dass keine Kinder mehr hinter Gittern landen oder von bewaffneten Spezialeinheiten aus der Schule abgeholt werden. Ein entsprechendes Gesetz muss die Republik aber erst nachreichen. (Michael Simoner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.10.2010)