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Was für die einen sexistisch ist, interpretieren andere als humoristische Darstellung. "Ein Spiel mit der eindeutigen Zweideutigkeit", konstatiert etwa Gabriele Heinisch-Hosek.

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Hirter-Bier, Axe, Hofer, Lego, die FPÖ - sie alle haben, um nur einige, wenige Beispiele zu nennen, die Negativ-Auszeichnung "Zitrone" für sexistische Werbung oder Aussagen von dieStandard.at verliehen bekommen. Dabei begeht dieStandard.at jedes Mal auf das Neue eine Gratwanderung: Will man diesen Firmen und/oder Personen zusätzlich Öffentlichkeit bieten, oder sollen derartige Diffamierungen tot geschwiegen werden? Auch diese Frage wurde bei der "Internationalen Fachtagung - Sexismus in der Werbung" am Montag im Bundeskanzleramt erörtert.

Fokussiert wurden bei der Fachtagung folgende Fragen: Welche rechtlichen Bestimmungen bezüglich Sexismus in der Werbung gibt es in Europa? Wie können Kommunen sexistischer Werbung und die damit verbundene Entwertung und Diffamierung vor allem von Frauen begegnen? Und: Mit welcher Rechtslage haben wir es in Österreich diesbezüglich zu tun?

Sexismus hier und da: Europäischer Vergleich

Ingibjörg Elíasdóttir vom isländischen Zentrum für Geschlechtergleichheit schilderte, dass sich Island besonders darum bemüht, traditionelle Wahrnehmungen und Stereotypen bewusst umzugestalten. Nach dem Gender-Gap-Report des World Economic Forum liegt Island in Sachen Gleichstellung der Geschlechter an erster Stelle. Elíasdóttir bemängelte, dass Frauen in Island nach wie vor weniger verdienen als Männer. In Island jedenfalls gilt sexistische Werbung als Strafbestand, ist also illegal. Sexistische Werbung kann bei der Polizei angezeigt werden. Diese wendet sich an das Zentrum für Geschlechtergerechtigkeit, das unter anderem zuständig ist für die Überwachung und Umsetzung von geschlechtergerechter Werbung. Das Zentrum für Geschlechtergerechtigkeit wiederum wendet sich an die jeweilige Firma und an das Medium, das die Werbung publiziert hat. Gibt es keine Einsicht bei den WerberInnen, wird eine Geldstrafe verhängt.

In Norwegen hingegen ist eine Ombudsstelle für die Überwachung und Umsetzung von geschlechtergerechter Werbung zuständig. Das Sexismus-Verbot ist im Gegensatz zu Island, wo das Gesetz im Strafgesetzbuch verankert ist, durch das Marketing-Kontroll-Gesetz geregelt. Der/die VermarkterIn beziehungsweise der/die WerberIn muss darauf achten, dass Menschen nicht dazu benutzt werden, um abwertende Bilder zu produzieren. Diese Ombudsstelle kann Einfluss auf Handelstreibende ausüben, um den Bestimmungen des Paragrafen nachzukommen. Mona Larsen-Asp vom Nordic Gender Institute erklärte, dass das Gesetz Männer und Frauen gleichermaßen schütze. Der Fokus ist dennoch auf Frauen gerichtet, da Männer auch in Norwegen in vielen Bereichen besser gestellt sind als Frauen.

Auch die kroatische und luxemburgische Situation wurde durch die Referentinnen Gordana Lukač Koritnik aus Kroatien und Isabelle Wickler aus Luxemburg dargestellt. Offenkundig wurde hierbei ein Nord-Süd-Gefälle in der Gleichstellungsdebatte und in der Ausformung des Patriarchats und/oder des Machismo insgesamt. Sexismus gibt es hier und da, doch was darunter zu verstehen ist, scheint aufgrund unterschiedlicher Emanzipationsgrade nur schwer vergleichbar. Einig waren sich die internationalen Referentinnen, dass es in Europa insgesamt manifeste patriarchale Strukturen gibt, die man sich vor Augen halten muss, will man über Sexismus in der Werbung nachdenken.

Rechtliche Verbindlichkeiten für Österreich

Österreich hat etwa die UN-Frauenrechtskonvention CEDAW unterzeichnet. Diese verpflichtet das Land eigentlich, jegliche staatliche und private, rechtliche und tatsächliche Diskriminierung zu beseitigen, und zwar für alle Frauen. Durch diese Konvention hat sich Österreich auch dazu verpflichtet, Vorurteile und stereotype Geschlechterrollen durch geeignete Maßnahmen zu eliminieren, Medien und Werbung sind hierbei eingeschlossen.

Auf europäischer Ebene wurde durch die Lissabon-Strategie festgehalten, dass Mitgliedsstaaten durch die Gleichstellungsverpflichtung sexuelle Belästigung und Diskriminierung - Werbung ist hierbei ebenso eingeschlossen - unterbunden werden muss. Sexistische Werbung wurde im EU-Parlament im Rahmen zweier Entschließungen auf das Tapet gebracht. Für die Juristin Karin Tertinegg vom Verein österreichischer Juristinnen ein positiver Befund, zumal dem Thema so wenigstens Beachtung geschenkt wurde. Dennoch, so ihr Fazit, werden sowohl internationale als auch europäische Entschließungen und Rechte von den jeweiligen Nationalstaaten weder eingehalten noch umgesetzt.

Das österreichische Recht bietet keinen Schutz vor Sexismus in der Werbung. Selektive Regelungen, wie etwa im ORF-Gesetz, gibt es allerdings. Im Strafgesetzbuch ist festgehalten, dass pornografische Darstellungen von Minderjährigen und die Aufforderung oder das Gutheißen von strafbaren Handlungen verboten ist. Gerade aber die Bewerbung von Prostitution ist in Österreich nicht verboten und stellte für die Juristinnen am Podium einen Graubereich dar.

Schließlich gibt es in Österreich noch den Werberat, der als selbstregulierende Instanz der Werbe-Industrie zwar gegen sexistische Werbung vorgehen kann, allerdings über keine Sanktionsmöglichkeiten verfügt.

Kommunale Strategien gegen Sexismus

Die deutsche Stadt Pforzheim hat durch einen Gemeinderatsbeschluss ihre Pachtverträge für Werbeflächen geändert. Dabei werden die VertragsnehmerInnen auf eine Vorprüfung der Werbung verpflichtet, wobei die Letztentscheidung über ein Sujet bei der Stadt liegt. Die Frauenrechtsorganisation Terre de Femmes aus der Schweiz etwa schreibt einen Preis für geschlechtergerechte Werbung aus. Und in Graz wurde die Watchgroup gegen sexistische Werbung initiiert. Diese beobachtet Werbungen, stellt bei sexistischer Werbung eine Analyse anhand eines Kriterienkatalogs an, bewertet diese und leitet sie an den Werberat weiter. Alle kommunalpolitischen Vertreterinnen beklagen aber, dass der Handlungssspielraum sehr eingeschränkt ist, da es keine bundesweiten und einheitlichen Gesetze gegen sexistische Werbung gibt. Lösungsansätze sehen sie vor allem in der Sensibilisierung sowohl der Werbefachleute als auch der Bevölkerung.

Was tun?

Die Juristin Tertinegg plädierte für eine bundesweite Regelung und Klarheit für alle Werbebereiche. Die Beurteilung von Werbung soll von ExpertInnen, die in der Frauen- und Geschlechterforschung angesiedelt sind, vorgenommen werden. Prävention könne etwa durch einen Pre-Check, wie es ihn derzeit vom Werberat für seine Mitglieder kostenlos gibt, vorgenommen werden. Zudem sollen in das Gesetz alle Diskriminierungsgründe aufgenommen werden - etwa Alter, Rassismus, sexuelle Orientierung, ethnische Zugehörigkeit - und bei Verstoß Sanktionsmöglichkeiten vorhanden sein. Geht es nach der Juristin Terginegg und ihrer Kollegin von der Gleichbehandlungsanwaltschaft Elke Lujansky-Lammer, soll ein Sexismus-Verbot in der Werbung im Gleichbehandlungsgesetz verankert werden, zumal hier bereits die notwendige Expertise vorhanden ist, wobei sie das Strafgesetz per se nicht ausschließen.

Elisabeth Holzleitner von der Universität Wien plädierte in der abschießenden Podiumsdiskussion, das Verbot sexistischer Werbung durchaus in das Strafgesetz aufzunehmen, da die Gleichbehandlungskommission mit wenig Macht ausgestattet ist und das Gleichbehandlungsgesetz keine Sanktionsmöglichkeiten bietet. Der Werberat solle außerdem nicht nur kommerzielle Werbung sondern auch politische Werbung beurteilen können, vor allem aber transparenter werden. Eine Aufnahme von Menschenrechtsorganisationen und Gender-Expertise in den Werberat, die Erweiterung des Gleichbehandlungsgesetzes und damit verbundenen gerichtlichen Schritte und Sanktionen scheinen für Holzleitner unerlässlich. Wobei sie daran erinnerte, dass "Recht kein Allheilmittel ist, Sexismus jedoch auf eine andere Ebene heben kann". Auch die Journalistin Ina Freudenschuß sprach sich für ein klares Verbot, gekoppelt an Sanktionen, aus. Um in der "Gleichstellungsdebatte voran zu kommen, ist das notwendig", so Freudenschuß. Der Präsident des österreichischen Werberats, Michael Straberger, sieht keine Notwendigkeit für ein derartiges Verbot und befindet den Werberat als ausreichende Instanz.

Die Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek will jedenfalls einen "Kurswechsel herbeiführen und Sexismus in den Medien generell hinterfragen", so hielt sie es in ihrer Eröffnungsrede der Fachtagung fest. Gespräche über ein Sexismus-Verbot in der Werbung sollen bald aufgenommen werden, schließlich gilt Werbung für sie als "Spiegelbild gesellschaftlicher Verhältnisse". (Sandra Ernst-Kaiser, dieStandard.at, 20.10.2010)