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Kristina Schröder im Märchenland? Ihre Kritikerinnen werfen ihr völlige Ahnungslosigkeit in Sachen Frauenpolitik vor.

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Bald ist es ein Jahr her, dass Kristina Schröder Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wurde. Seit 30. November 2009 tritt die junge CDU-Politikerin in die Fußstapfen ihrer beliebten Vorgängerin Ursula von der Leyen, die sich schon mal mit dem klassisch-konservativen Familienbild ihrer Partei anlegte. Mit ihrer Amtszeit hat die CDU-Politikerin ihrer 33-jährigen Nachfolgerin ein wackeres Programm vorgelegt. Elterngeld, Ausbau der Kinderbetreuung und Vätermonate waren Leyens Themen, die jetzt Schröder weiterführen und ausbauen könnte. Aber Ursula von der Leyen und Kristina Schröder zeigen: CDU-Frauen- und Familienpolitik ist nicht gleich CDU-Frauen- und Familienpolitik. 

Mit Frauen- und Familienpolitik machte Schröder bisher wenig von sich reden und wurde für Profillosigkeit und fehlende Ideen kritisiert. Merken musste sich Deutschland über die neue Frauenministerin nur, dass sie seit Februar nicht mehr mit Köhler, sondern - wie ihr frisch angetrauter Mann Ole - mit Schröder anzusprechen ist. Dem damaligen leisen Raunen aus den feministischen Reihen ist nun harsche Kritik an Kristina Schröder gewichen. Anlass für die Schelte ist ein Interview im aktuellen Spiegel, in dem Schröder den "frühen Feminismus" rügt, über vernachlässigte Jungs und Germanistinnen spricht, die sich nicht wundern sollen, dass sie weniger verdienen als Elektrotechniker. Auch Simone de Beauvoir hätte sie mit ihrer Aussage "man wird nicht als Frau geborgen, man wird es" nicht überzeugt. Schröder möchte hingegen das Frausein von der Biologie nicht getrennt sehen und scheint somit dem sozialen Kontext wenig Bedeutung beizumessen. Auf die Frage, ob es einen "konservativen Feminismus" gebe, meint sie im Spiegel-Interview: "Für mich bedeutet Konservatismus, die Realität zu akzeptieren", daher solle man anerkennen, dass Männer und Frauen einfach unterschiedlich sind und nicht wie die Linken immer versuchen, die Menschen umzuerziehen. Und weil laut Schröder die einen eben so, und die anderen so sind, bemängelt sie auch, dass es zu wenige Fußballgeschichten in Diktaten gibt und zu viele Schmetterlinge und Ponys - für ersteres würden sich nämlich auch Jungs interessieren.

Um das Gespräch schließlich doch noch auf Themen zu lenken, die eine Frauenministerin interessieren sollten, erinnerten die Journalisten Schröder daran, dass sie nun mal nicht Männerministerin sei. Dennoch, Schröder blieb auf Schiene: Keine Quoten und den meisten Feministinnen könne sie in ihren Kernaussagen nicht zustimmen. Nichtsdestotrotz verdanke sie aber zumindest ihre Karriere dem Feminismus.

"Hanebüchener Unsinn"

Eine Feministinnen-Kernaussage ist für Schröder etwa, dass "heterosexueller Geschlechtsverkehr kaum möglich sei ohne die Unterwerfung der Frau." "Hanebüchener Unsinn", so kommentierte diese Aussagen Alice Schwarzer am Montag mit einem offenen Brief an Kristina Schröder. Nicht ohne einmal mehr Schröders Vorgängerin Ursula von der Leyen zu loben, war für Schwarzer mit den Spiegel-Interview zumindest eines offenkundig: "Spätestens jetzt ist klar: Was immer die Motive der Kanzlerin gewesen sein mögen, ausgerechnet Sie zur Frauen- und Familienministerin zu ernennen - die Kompetenz und Empathie für Frauen kann es nicht gewesen sein", so Schwarzer an Schröder. Mit der Aussage, dass für einen "radikalen Feminismus" Homosexualität die Lösung und weder eine heterosexuelle Partnerschaft noch Kinder eine Möglichkeit wären, um glücklich zu sein, verbreite Schröder "billige Klischees". Das wolle Schröder uns doch nicht im Ernst "über die folgenreichste soziale Bewegungen des 20. Jahrhunderts" erzählen, so Schwarzer weiter. Während die deutsche Feministin wie so oft den größten Handlungsbedarf beim "Zuzug von Menschen aus Kulturen nach Deutschland, die eben nicht durch den Feminismus gegangen sind" sieht, sehen Politikerinnen, die ebenfalls den Kopf über ihre stramm-konservative Kollegin schütteln, noch andere Baustellen.

Viel Unsinn im Zusammenhang mit Frauenpolitik

Renate Künast, Chefin der Grünen-Bundestagsfraktion, nennt Schröders Sager "krude und altbacken" und die SPD-Vizechefin Manuela Schwesig habe lange nicht mehr "so viel Unsinn in Zusammenhang mit Frauenpolitik" gelesen, berichtet der Spiegel Online. Schröder hätte keine Ahnung von der historischen Bedeutung des Feminismus, so Schwesig, für die es "riesigen Handlungsbedarf" bei ungleicher Bezahlung oder der mangelnden Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt. Für die Vize-Chefin der Linken, Katja Kipping, scheint Schröder nicht ganz zu versehen, dass es dem Feminismus nicht um "Männerhass" geht, sondern um "Strukturen, die Frauen benachteiligen". Einzig von der FDP bekommt Schröder Rückendeckung. Silvana Koch-Mehrin (Vorstandsmitglied der FDP) meinte, wir seien ohnehin über den klassischen Begriff des Feminismus längst hinaus.

"Es ließe sich noch viel sagen", so Schwarzer über Schröders Aussagen gegen Ende ihren Briefes - dem würden sich wahrscheinlich auch andere Kritikerinnen anschließen. Die Emma-Herausgeberin hält es aber schlicht und schloss ihr Schreiben an die Frauenministerin mit: "Darf ich offen sein? Ich halte Sie für einen hoffnungslosen Fall. Schlicht ungeeignet. Zumindest für diesen Posten." (beaha, dieStandard.at, 10.11.2010)