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Foto: AP/H.P.KLEMENZ/dieStandard.at-Montage

Bis vor einigen Jahren war DAS kein Thema. Schon gar kein problematisiertes, geschweige denn ein pathologisiertes. Schamlippen durften so sein wie sie eben von Natur aus gewachsen waren: klein, groß, wulstig, schmal, überlappend, in verschiedenen Hauttönen - wie auch immer. Ihre Vielfältigkeit galt als normal und keine(r) redete darüber, zumindest nicht öffentlich. Es schien schon als hätte der allerorts wütende Schönheitswahn wenigstens einen Ort des weiblichen Körpers übersehen. Zu früh gefreut.

Was ist schon Ethik, wenn es um "Schönheit" geht

Die Hoffnung, das weibliche Genitale bliebe aufgrund seiner relativen physischen Verborgenheit - Labien stehen nicht im Blickfeld wie Nase oder Busen - von den idealisierten Normierungen der Beauty-Industrie verschont, muss rückblickend als naiv eingestanden werden. Auch oder gerade weil diese Hoffnung angesichts der verheerenden Folgen von Genitalverstümmelungen auf eine gewisse Ethik gesetzt hat. Wenn Frauen, vor allem in afrikanischen Ländern, an FGM leiden - sowohl physisch als auch psychisch - und noch immer viele von ihnen daran zugrunde gehen, kann es doch nicht sein, dass Genitaloperationen aus rein kosmetischen Gründen, aus Jux und Tollerei, in Europa und den USA ausgeführt werden. Falsch gehofft.

Einfalt anstelle von Vielfältigkeit

Denn auch in Österreich ist die Genitalchirurgie im Zeichen der Schönheit mittlerweile im Vormarsch. Schamlippenverkleinerungen, Straffungen der Vagina, Modellierung des Venushügels und G-Punkt-Aufspritzungen füllen das Programm eines zur Gänze überholten Körpers. Entgegen dem herrschenden "diversity"-Auftrag, Vielfalt konstruktiv zu betrachten, erfährt der idealisierte Leib eine erschreckende Vereinheitlichung. Während die Lippen des Mundes und der Busen möglichst voll und prall sein sollten, gilt Größe im unteren Bereich des Körpers als absolutes Tabu. Besonders die inneren Labien sollten klein und straff und keinesfalls "überhängend" sein.

Doch wie kommt es dazu, dass sich solch Idealbild des weiblichen Geschlechtsorgans in den Köpfen festsetzt? Wie kommt es, dass immer mehr Frauen mit der natürlichen Gestalt ihres Genitales unzufrieden sind und sich für eine kosmetische Korrektur entscheiden? Neben der mangelnden Aufklärung über die naturgegebene optische Vielfalt der Sexualorgane liegt es sicherlich an den pornografischen Darstellungen, die unsere Gesellschaft überfluten. Die großteils bildlich manipulierte äußere Form erzeugt eine als "schön" bzw. "perfekt" anzustrebende Norm. Dadurch geraten verunsicherte Frauen unter Druck, sich diesem Ideal anzunähern. Ein Druck, der durch die wachsende Propaganda diverser Schönheits-Institutionen Verstärkung findet.

Mit Oberfläche Probleme schaffen

Ein solches Beispiel liefert das Beauty-Konzept von Woman & Health. In einer Presseaussendung mit dem Titel "Wer wird die nächste Miss Undercover?" beschreibt das Wiener Institut auf welche Weise es "die schönsten Seiten der Weiblichkeit bis in die Intimzonen" verfolgt: "Schamlippen sind individuell so beschaffen, dass sie zu maßgeblichen Beeinträchtigungen in der Lebensqualität von Frauen führen können. Ob beim Tragen figurbetonter Kleidung, beim Sport oder gar in den romantischsten Stunden eines glücklichen Paares, die Beschaffenheit der weiblichen Intimzone bietet nicht selten Anlass für enttäuschte Erwartungen".

Enttäuschte Erwartungen! Ist es doch offensichtlich, wer hier enttäuscht und wem etwas vorgetäuscht wird. Zwar werden in dem Papier "Selbstbestimmung" und "persönliche Entscheidung" der Frauen ganz groß geschrieben. Die Ärzte von Woman & Health würden die "individuelle Bedürftigkeit" und den "persönlichen Leidensdruck" ernst nehmen und Helfer in der Not sein. Doch es kommt eindeutig zum Vorschein, dass ihr primäres Anliegen auf die "ästhetische Optik" der Genitalien zielt. Und keinesfalls auf eine medizinische Indikation wie etwa bei einer ausgeprägten Labienhypertrophie mit objektivierbaren organischen Beschwerden, die übrigens nur selten auftritt.

Es wird also ein Problem geschaffen, wo - zumeist - keines besteht. Und neben dieser Pathologisierung und Propaganda bleiben auch die Risiken einer solchen Operation - wie beispielsweise Verlust der sexuellen Erlebnisfähigkeit, narbige Einziehungen, anhaltende Schmerzen - in der Woman & Health-Aussendung unerwähnt. Gründe genug für eine Zitrone!
(Dagmar Buchta/dieStandard.at, 23.11.2010)