Ich werde alle Hebel in Bewegung setzen, damit diese Firmen angeprangert werden.

 

Foto: DER STANDARD/Newald

SPÖ-Ministerin Gabriele Heinisch- Hosek über koalitionäre Neujahrsvorsätze: "Es geht darum, Meinungsunterschiede in respektvoller Art und Weise vorzubringen - also bitte mit Niveau. Der ÖVP würde ich raten, mit einer Sprache zu sprechen."

Foto: DER STANDARD/Newald

Standard: Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer will das Sparpaket vor dem Verfassungsgerichtshof anfechten, weil ihm für die öffentlich Bediensteten das Hinaufsetzen der Hacklerregelung auf 62 Jahre zu abrupt ist, die Abschläge bei den Korridorpensionen zu hoch sind. Verständnis für sein Vorgehen?

Heinisch-Hosek: Für dieses Vorgehen habe ich keinerlei Verständnis. Fritz Neugebauer hat im neuen Jahr offenbar vergessen, was er im alten beschlossen hat. Bisher haben wir noch jede Pensionsneuregelung analog zum ASVG reformiert, daher sehe ich auch keinen Grund für Aufregung oder den Gang zum Verfassungsgerichtshof. Sowohl die Korridorpensionen als auch die Regelung für die Langzeitversicherten findet nicht überfallsartig statt, weil beides erst ab 2016 in Kraft tritt. Da hat man als öffentlich Bediensteter hinsichtlich des Vertrauensschutzes also fünf Jahre lang Zeit, sich darauf einzustellen.

Standard: Hat die SPÖ eine eisernere Budgetdisziplin als die ÖVP? Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber will wiederum die Kürzungen für die Familien zu Fall bringen.

Heinisch-Hosek: Tatsächlich ist mir bisher kein einziger Fall aus der SPÖ bekannt, der das, was beschlossen wurde, anzweifelt, geschweige denn den Gang zum Verfassungsgerichtshof anstrebt. Im Gegensatz dazu gibt es mittlerweile einige Beispiele dafür in der ÖVP. Vielleicht sollten die einfach genauer miteinander reden - und zwar vorher, währenddessen sowie danach. Damit sie mehr Einigkeit zeigen, denn eines braucht die Bevölkerung ganz sicher nicht: Uneinigkeit. Daher würde ich der ÖVP raten, da mit einer Sprache und einer Stimme zu sprechen.

Standard: Ihr Vorsatz für die koalitionäre Zusammenarbeit 2011?

Heinisch-Hosek: Es geht mir darum, sachlich aufeinander zuzugehen, wenn man unterschiedliche Standpunkte vertritt. Das Wort Streit mag ich gar nicht in den Mund nehmen. Es geht darum, Meinungsunterschiede in respektvoller Art und Weise vorzubringen - also bitte mit Niveau.

Standard: Apropos Meinungsverschiedenheiten: Nach den Feiertagen schnellen jedes Jahr die Scheidungszahlen in die Höhe. Warum kracht es da so oft zwischen Männern und Frauen?

Heinisch-Hosek: Das hängt mit den Erwartungen zusammen, die an diesen Tagen sehr hoch sind. Außerdem verbringen die Menschen Weihnachten auf engstem Raum, und das tage- wie nächtelang. Dann steigt oft das Aggressionspotenzial - und die Familie ist mitunter kein Ort mehr, wo sich Frauen und Kinder sicher fühlen.

Standard: Also muss in dieser Zeit auch die Polizei öfter wegen Gewalt in den eigenen vier Wänden ausrücken?

Heinisch-Hosek: Von den Gewaltschutzeinrichtungen wissen wir, dass der Andrang vor und nach Weihnachten ziemlich hoch ist. Daher haben wir letztes Jahr die Online-Beratung ausgebaut.

Standard: Es heißt, auch wegen der Wirtschaftskrise steigen die häuslichen Übergriffe. Gibt es da schon konkrete Zahlen für die letzten zwei Jahre?

Heinisch-Hosek: Nein. Die Zahl der Fälle, in denen Opfer Schutzeinrichtungen aufgesucht haben, ist in dem Zeitraum zwar stetig gestiegen. Aber es gibt keine Untersuchungen darüber, ob es etwa einen Zusammenhang zwischen der Arbeitslosigkeit von Männern und Gewaltausbrüchen gibt. Fest steht jedenfalls, dass Frauen besser denn je darüber informiert sind, wo sie Hilfe erhalten.

Standard: Sie haben angekündigt, künftig verstärkt gegen die Zwangsverheiratung von Migrantinnen vorzugehen. Wie denn, wenn hinten und vorn Geld dafür fehlt?

Heinisch-Hosek: Stimmt, wir haben deswegen noch immer keine Interventionsstelle für Frauen, die von Zwangsheirat bedroht sind. Das liegt daran, dass ich zwar die Hälfte der Finanzierung für eine solche Einrichtung zur Verfügung stellen hätte können. Aber es war im Vorjahr nicht möglich, für die andere Hälfte eine Zusage dafür von Innenministerin Maria Fekter zu bekommen. Jetzt beginne ich eben mit zwei Pilotprojekten: Einerseits sollen Mädchen mit Migrationshintergrund aufgeklärt werden, wie sie Gleichaltrigen bei Zwangsverheiratung helfen können. Andererseits sollen auch Richter und Lehrer dahingehend sensibilisiert werden.

Standard: Expertinnen monieren jedenfalls, dass es nicht reicht, diesen Familien die Frauen zu entreißen - von den geschätzten 200 Opfer jährlich bräuchten viele Notwohnungen, wo sie zunächst einmal Unterschlupf finden könnten.

Heinisch-Hosek: Im Rahmen der Interventionsstelle wäre freilich auch daran gedacht gewesen, eine Herberge zu bieten, die Männern, Vätern, Clans jeden Zutritt verwehrt. Aber das war mit der ÖVP bisher leider nicht möglich.

Standard: Zur Einkommensungerechtigkeit: Arbeitnehmerinnen, die für diesselbe Arbeit weniger als Ihre männlichen Kollegen aufs Konto kriegen und sich darüber außerhalb der Firma beschweren, drohen bald saftige Geldstrafen. Mit Schweigen beseitigt man doch keine Diskriminierungen?

Heinisch-Hosek: Das ist richtig. Mittlerweile sind wir in Absprache mit dem Koalitionspartner wenigstens soweit, dass die Strafhöhe nicht - wie im Entwurf vorgesehen - 1500 Euro beträgt, sondern rund 360 Euro.

Standard: Heißt das, dass Sie diese drohenden Pönalen bei der anstehenden Gehältertransparenz noch wegverhandeln wollen?

Heinisch-Hosek: Viel wird da leider nicht mehr gehen.

Standard: Na sauber: Firmen, die sich weigern, Gehälter offenzulegen, kommen hingegen ohne jede Strafandrohung durch.

Heinisch-Hosek: Stimmt, es ist herb. Diese Unternehmen werden nicht bestraft. Aber ich werde da alle Hebel in Bewegung setzen, dass diese Firmen zumindest angeprangert werden, wenn sie keine Einkommensberichte vorlegen.

Standard: Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) will die automatische gemeinsame Obsorge ...

Heinisch-Hosek: Die verpflichtende gemeinsame Obsorge kommt für mich nicht in Frage.

Standard: ... stattdessen machen Sie sich für eine Beratung für unverheiratete Paare und - im Scheidungsfall - für eine rasche Einigung auf Mindestbesuchszeiten für Väter stark. Ein Arbeitskreis sollte bis Jahresbeginn Expertisen dazu abgeben. Gibt es schon irgendwelche neuen Erkenntnisse?

Heinisch-Hosek: Es liegen Vorschläge vor, aber auch viele Gegenargumente zu dem, was meine Regierungskollegin vorhat. Ich kann eine automatische gemeinsame Obsorge absolut nicht akzeptieren, solange Väter sich ihrer Pflichten nicht bewusst sind. 45.600 Kinder etwa werden vom Staat unterhaltsmäßig bevorschusst, weil ihre Väter keinen Unterhalt zahlen. Solange da keine Disziplin der Verantwortung und des Zahlens einkehrt, brauchen wir nicht von einer verpflichtenden Obsorge reden.

Standard: ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm will Emanzipationskurse für Männer. Eine gute Idee?

Heinisch-Hosek: Ich bezweifle, ob das funktionieren kann, denn: Die Machos kriegt man sowieso in keinen Kurs für Emanzipation, die Vernünftigen leben ohnehin eine gleichberechtigte Partnerschaft.

Standard: Laut Ihrer Kampagne gehen ja "echte Männer in Karenz". Was, wenn es davon zu wenig gibt - soll dann der derzeit freiwillige Papa-Monat für Beamte für alle Väter verpflichtend werden?

Heinisch-Hosek: Ich muss sagen, die Vorstellung gefällt mir. Nach dem ersten Jahr Erfahrung mit dem Papa-Monat hätte ich jedenfalls gern eine Diskussion über einen Pflichtmonat für alle Väter. In Schweden etwa hat jeder Elternteil einen persönlichen, nicht übertragbaren Anspruch auf zwei Monate bezahlten Elternurlaub. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 4.1.2011)