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Ist die Liebe erst einmal vorbei, wird auch in Hollywood über das Sorgerecht für den Nachwuchs heftig gestritten. Derzeit tun dies Halle Berry und ihr Ex Gabriel Aubrey.

Foto: REUTERS/Fred Prouser

Wien - "Es führt kein gesetzlicher Weg an der gemeinsamen Obsorge der Eltern vorbei." Eine andere Interpretation des aktuellen Urteils vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist für Michael Stormann, Leiter des Abteilung Familienrecht des Justizministeriums, nicht denkbar. Eine ministerielle Arbeitsgruppe befasst sich bereits mit einem Gesetzesentwurf. Allerdings will Stormann für Mutter oder Vater die Möglichkeit schaffen, "die rote Karte" gegen die gemeinsame Obsorge zu ziehen. Konkret denkt er an die Einführung einer Frist, in der ein Elternteil entweder bei Gericht oder beim Standesamt Einspruch erheben kann.

Anlass für die bevorstehende Novelle war das Verfahren eines unehelichen Vaters gegen Österreich in Straßburg. Der Mann hatte die Übertragung der Obsorge von der Mutter an ihn beantragt, scheiterte aber an der österreichischen Rechtslage. Denn laut dieser kann der Vater eines unehelichen Kindes nur dann die Obsorge erhalten, wenn die Mutter zustimmt. Dies verstoße jedoch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, urteilte der EGMR. Es müsse die Möglichkeit bestehen, dass das Gericht beiden Elternteilen die gemeinsame Obsorge einräumt - egal ob die Eltern verheiratet sind oder nicht, ergänzt Stormann. Denn auch Paare, die sich scheiden lassen, erhalten in Österreich seit 2001 nur dann das gemeinsame Sorgerecht, wenn sie dem Gericht eine Vereinbarung vorlegen.

Kontakt zum Kind schläft ein

Rund 20.600 Scheidungskinder gibt es pro Jahr in Österreich. Hinzu kommen noch an die 30.000 unehelich geborene Kinder, bei denen grundsätzlich von vornherein die Mutter das alleinige Sorgerecht besitzt. Die Volksanwaltschaft beschäftigte sich in ihrem Jahresbericht 2009 mit der Situation dieser Trennungskinder. Darin zitiert sie eine Studie, wonach 40 Prozent des Nachwuchs schon ein bis drei Jahre nach der Trennung "keinen oder nur mehr unregelmäßigen Kontakt zum Elternteil haben, der nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebt".

Eine gemeinsame Obsorge erhöhe die Bereitschaft, dass sich Mutter und Vater um das Kind kümmern - diese Erfahrung hat auch die Salzburger Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt gemacht. Eine 2008 vom Justizministerium in Auftrag gegebene Studie, "Was bringt die gemeinsame Obsorge?", habe ergeben, dass sie "zu einer Milderung des Konfliktklimas der Eltern" führe sowie "die Bindung des Kindes zum getrennt lebenden Elternteil festigt", erläutert die Kinderanwältin.
Generell spricht sie sich für eine Stärkung der Verantwortung beider Eltern aus. Doch dies werde nicht unweigerlich mit einer automatischen gemeinsamen Obsorge erreicht. Das Problem aus ihrer Sicht: "Das Spannungsfeld zwischen Elternrecht und Wohl des Kindes."

Das Recht des Kindes "auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen" wurde mit Beschluss des Nationalrates Ende Jänner in der Verfassung verankert. Allerdings, so heißt es weiter in Artikel 2, darf dieses Recht dem Kindeswohl nicht entgegenstehen. "Was ist also, wenn Missbrauch oder Gewalt Grund der familiären Trennung waren?", meint Holz-Dahrenstaedt. In solchen Fällen sei ein automatisches gemeinsames Sorgerecht fatal. Aus diesem Grund will Stormann eine "Abfederung" der geplanten Familienrechtsnovelle. Lege eine Elternteil Veto gegen die gemeinsame Obsorge ein, müsse das Gericht prüfen.(Kerstin Scheller/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.2.2011)