Ja schon - aber wie. "Frauen fehlt heute nicht an Qualifikation", sagt Cora Stephan. "Den meisten von ihnen - wie auch den meisten Männnern - fehlt indes der Wille zur Macht."

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Was früher von der Männerwelt als radikalfeministische Forderung belächelt wurde, ist heute der letzte Schrei. Alle Welt will den Frauen helfen, wichtig, bedeutsam und mächtig zu sein. Der neueste Schrei: eine Frauenquote für Aufsichtsratspositionen, damit endlich Chanel No. 5 durch testosterongeschwängerte Konferenzräume weht.

Im Ernst: Obwohl Freund und Kollege Matthias Horx die Quote lobt, erkenne ich in alledem einen lediglich symbolischen Akt, mit dem Politiker sich beliebt machen wollen, zumal in der Europäischen Union eine Quote für die Besetzung von Aufsichtsräten gar nicht statthaft wäre. Gewiss, als Entwicklungsmaßnahme für Männer mag die Anwesenheit von Frauen beim Führen ja geeignet sein, als Nachhilfeunterricht in Geduld und Manieren.

Doch die QuotenkämpferInnen wollen nicht den Männern, sondern den Frauen etwas Gutes tun, so, als ob sie noch immer die armen Unterdrückten wären, die Opfer des Patriarchats. Und ausgerechnet dieser teuflische Gegner soll ihnen nun als Engel Flügel machen?

Einfach zu schwach?

Frauen in Westeuropa haben schon seit längerem die freie Wahl, was Berufspositionen betrifft. Frauen sind bestens ausgebildet, mindestens ebenso oder sogar höher qualifiziert als die Männer. Sie können fast alles (und natürlich alles irgendwie besser). Und es wird ihnen immer öfter der rote Teppich ausgerollt: Entgegenkommen den Frauen gegenüber gilt mittlerweile nicht nur (angesichts des Fachkräftemangels) als notwendig, sondern auch als zeitgeistgemäß. Mit einer Quote können sich Betriebe und Institutionen als fortschrittlich schmücken, ebenso mit Betriebskindergärten, Zeitflexibilität und anderem Entgegenkommen. Und angesichts dieser perfekten Ausgangsposition soll es noch nötig sein, Frauen den ChefInnensessel zuvorkommend frei zu machen, als ob sie nicht selbst darum kämpfen könnten?

Denn Macht können sie. Man denke an Angela Merkel, die aus einer absoluten Außenseiterposition heraus zur mächtigsten Frau der Welt wurde. - Frauen fehlt es heute weder an Qualifikation noch an den nicht ganz so sympathischen Eigenschaften, die man mitbringen muss, wenn man "Führungspositionen" einnehmen will. Den meisten von ihnen (wie auch den meisten Männern) fehlt indes der Wille zur Macht.

Woran liegt's? Bascha Mika, jahrelang Chefin der taz, empört sich feministisch korrekt buchseitenlang über die "Feigheit" der Frauen, die sich entmachtet in die Weiblichkeitsfalle begeben hätten. Matthias Horx hingegen sieht das Problem in der "männerbasierten Präsenzkultur", im Zwang zu permanenter Anwesenheit. Das aber dürfte der springende Punkt sein: Frauen haben andere Prioritäten.

Wer der Meinung ist, dass Frauen an die Macht gehören, muss zur Kenntnis nehmen, wer sie sind: anders als Männer, nicht, was ihre Fähigkeiten, sondern was ihre Wünsche betrifft. Englische und amerikanische Untersuchungen zeigen, dass Männer um Geld verhandeln, Frauen hingegen um Zeit. Und während Männer an ihrem Status arbeiten, indem sie bluffen oder Werbung in eigener Sache machen, wollen Frauen wegen ihres Könnens, ihrer Wertvorstellungen und ihrer inneren Qualitäten ernst genommen werden. Sie sind weniger flexibel, was einen Wohnortwechsel betrifft und möchten Rücksicht auf Heim und Familie nehmen können.

Hilft eine andere Perspektive?

Das mag feige sein, aber frauenbewegtes Gezeter hilft da nicht weiter. Also sollen die Männer sich ändern, wie Horx fordert? Gute Idee, obzwar an dieser Aufgabe Millionen, ach was: Milliarden von Frauen seit Tausenden von Jahren mehrmals täglich scheitern.

Vielleicht hilft eine andere Perspektive. Soweit wir wissen, hatten noch nie in der Menschheitsgeschichte so viele Männer und Frauen die Chance, bei guter Gesundheit steinalt zu werden.

Angesichts dessen kommt es einem einigermaßen paradox vor, dass Frauen ausgerechnet dann Karriere machen sollen, wenn sie jung sind und Kinder bekommen können (und möchten). Ab 40 hingegen sind sie im besten Alter (und durch Erziehungsarbeit in Autorität und Geduld geübt), um sich in der Berufswelt durchzusetzen. Wer junge Frauen gewinnen und die Geburtenrate erhöhen will, sollte von den älteren Frauen her denken, die mit 40 noch etwas vorhaben. Mensch lernt nicht nur in jungen Jahren dazu. Und Erfahrungswissen ist von unschätzbarem Wert.

Gewiss, die Konkurrenten haben einen Karrierevorsprung. Doch Männer neigen dazu, bereits in einem Alter ihre Rentenansprüche ausrechnen, in dem Frauen durchstarten. Auch dies haben Forscherinnen festgestellt: für Männer ist mit der Rente Schluss, Frauen aber haben auch nach dem Renteneintrittsalter noch zu tun.

Schickt also die Männer früher in die Rente, sie können sich als Opa nützlich machen! Den Frauen aber wird es womöglich gelegen kommen, im Job auf Jüngere zu treffen. Auf jüngere Männer. Viel Spaß dabei. (Cora Stephan, DER STANDARD, Printausgabe 18.2.2011)