Beim MigrantInnenstreik fordern DemonstrantInnen seit 2006 vor allem die Integration von MigrantInnen in den Arbeitsmarkt. Es soll darauf verwiesen werden, dass die Volkswirtschaft ohne diese Menschengruppe nicht existieren kann. In Wien stand der MigrantInnenstreik im Zeichen der erneuten Fremdenrechtsnovelle der Bundesregierung. "Bleiberecht für alle"...

Foto: Medi Disoski

... forderten DemonstrantInnen daher am 1. März 2011 in Wien.

Foto: Medi Disoski

"Gleichberechtigung statt Fremdengesetze"...

Foto: Medi Disoski

..."Wir sind nicht fremd. Wir werden fremd gemacht", war auf Plakaten unter anderem zu lesen.

Foto: Medi Disoski

"Ich habe Erziehungswissenschaften an der Universität in Cuernavaca studiert. Danach habe ich eine Spezialisierung in 'Entwicklung des ländlichen Raumes' in Canada, und einen Master in Friedens- und Konfliktmanagement in Barcelona gemacht. Hier bin ich frustriert (...) ich habe mehr studiert als mein Mann, aber werde nie mehr als er verdienen." So formulierte es eine in Österreich lebende Mexikanerin gegenüber der Sozialarbeiterin Ana Luz Morales de la Rosa, die 2009 eine Studie über Dequalifzierung von Migrantinnen durchführte.

Der österreichische Arbeitsmarkt wird seit jeher stark von Menschen mit Migrationshintergrund getragen. Oftmals gehen sie Tätigkeiten nach, die ÖsterreicherInnen nicht ausführen möchten. Seit 2006 steht der erste März ganz im Zeichen dieser Thematik. Unter dem Motto "Ein Tag ohne uns" gehen seither MigrantInnen auf die Straße, um aufzuzeigen, dass ein Gros des Wirtschaftslebens ohne ihre Beteiligung nicht funktioniert. Die Geschichte des MigrantInnenstreiks ist eine junge und nahm ihren Ausgang in den USA, als zirka eine Million Menschen auf die Straßen gingen, um gegen Verschärfungen im Asyl- und Einwanderungsgesetz zu demonstrieren. In der Folge gab es 2010 in Italien und Frankreich große Kundgebungen - 2011 auch in Wien, wie daStandard.at berichtete.

Migration als lebenslanger Prozess

Migration ist in der Mehrheit der Fälle ein langer, mühsamer Prozess, der sich durch das ganze Leben der MigrantInnen zieht. Für die Mehrheit der Frauen bedeutet Auswanderung einen Verlust von formalen Kompetenzen, Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit, so Morales de la Rosa im dieStandard.at-Gespräch. Im Gegensatz dazu kann Migration aber auch die Möglichkeit bieten, sich von patriarchalen Strukturen zu befreien, ein neues Selbstbewusstsein zu entdecken und zugewiesene Rollenbilder zu überwinden. Werden Qualifikationen dann aberkannt, gelingt zweiteres aber nur schwer.

Die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse gestaltet sich für viele MigrantInnen schwierig. Neben den zum Teil hohen Kosten bestehen vor allem formale Schwierigkeiten zum Nachweis der Vergleichbarkeit mit einer österreichischen Ausbildung. Viele sind in Österreich daher mit Dequalifizierung konfrontiert - arbeiten also unter ihrem Qualifikationsniveau.

Ein wesentlicher Bestandteil für soziale Integration von MigrantInnen besteht darin, einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, erklärt die Sozialarbeiterin. Dies ist sowohl für MigrantInnen als auch für die Aufnahmegesellschaft von besonderer Bedeutung. Doch Morales de la Rosa weiß, dass dies in Österreich nicht oft der Fall ist. Hohe formale Qualifikationen sind keine Garanten für eine sozio-ökonomische Eingliederung. Nur wenige Frauen können einer qualifizierten Arbeitsstelle längerfristig nachgehen.

Statistik einer heterogenen Personengruppe

Doch in welchem Ausmaß und in welchen Branchen sind MigrantInnen in Österreich überhaupt beschäftigt? Die aktuellsten Zahlen der Statistik Austria weisen für das Jahr 2009 eine Erwerbstätigenquote von MigrantInnen in der Höhe von 64 Prozent aus. Diese Personengruppe ist aber sehr heterogen: Personen aus EU- respektive EWR-Ländern sind mit 69 Prozent, ebenso wie aus dem ehemaligen Jugoslawien mit 66 Prozent stärker am Arbeitsmarkt integriert als etwa Personen aus der Türkei (54 Prozent).

Die Erwerbsbeteiligung der Frauen schwankte je nach Herkunftsland: Einerseits waren die Erwerbstätigenquoten der Frauen aus EU-/EWR-Ländern und der Schweiz mit 62 Prozent sowie dem ehemaligen Jugoslawien mit 61 Prozent kaum niedriger als jene der Österreicherinnen ohne Migrationshintergrund. Hingegen konnte nur eine Minderheit türkischer Frauen, nämlich 39 Prozent, sowie die Hälfte der Frauen aus sonstigen Staaten am Erwerbsleben teilhaben.

Branchen: Typisch weiblich, typisch männlich

Große Unterschiede ergeben sich bei näherer Betrachtung der Branchen. Unternehmensdienstleistungen waren im Jahr 2009 die Branche mit dem höchsten Anteil an Beschäftigten mit Migrationshintergrund - wobei der Frauenanteil mit 41 Prozent hier deutlich höher war als jener der Männer. Umgekehrtes galt für die Tourismusbranche. 20 Prozent der Migrantinnen sind in Fabriken in der Sachgütererzeugung beschäftigt, unwesentlich geringer ist der Migrantinnenanteil im Gesundheits- und Sozialbereich, so die Zahlen der Statistik Austria. Ana Luz Morales de la Rosa formuliert die Problematik so aus: "Migrantinnen sind nur in jenen Arbeitsfeldern zu finden, in denen ihnen ein begrenztes Spektrum an Verdienstmöglichkeiten offen stehen". Ihre Befunde decken sich mit den Zahlen der Statistik: Migrantinnen sind am Fließband, als Heimarbeiterinnen und vor allem im Dienstleistungssektor zu finden. Diesen Frauen stehen meist nur Tätigkeiten offen, die von der Gesellschaft als "weibliche" Tätigkeiten angesehen werden.

"Erneut definiert die Konstruktion von 'Weiblichkeit', welche Beschäftigungen als 'Frauenarbeit' gelten, und dadurch auch, in welchen Bereichen Migrantinnen erwünscht sind, oder ihre Arbeit gefragt ist - und wichtiger noch: in welchen nicht", so Morales de la Rosa. Aufstiegs- und Weiterbildungschancen in den von Migrantinnen besetzten Arbeitsstellen sind gering, ebenso Kontakte zu österreichischen KollegInnen.

Die oberösterreichische Sozialarbeiterin plädiert für Förderungen in Form von Stipendien oder Zwischenfinanzierungen, aber auch spezifische Weiterbildungsangebote wären notwendig - fachspezifische Deutschkurse etwa. Zudem sollten internationale Standards für Bildungsabschlüsse die Arbeitsmigration erleichtern. Das, so Morales de la Rosa, wären nur einige wenige Voraussetzungen, "um eine Inklusion sowohl am Arbeitsmarkt als auch im gesellschaftlichen Leben für Migrantinnen zu ermöglichen". (Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at, 3.3.2011)