IRMA SCHWAGER (90), österreichische antifaschistische Widerstandskämpferin, langjährige Vorsitzende des Bundes Demokratischer Frauen und frühere KPÖ-Politikerin, ist bis heute in der Frauen- und Friedensbewegung engagiert.

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Frauentagsaufmarsch der KPÖ, 1949

Foto: Bildarchiv der KPÖ/Volkskundemuseum, Ausstellung Feste. Kämpfe.

dieStandard.at: An welchen Frauentag können Sie sich heute noch am besten erinnern?

Irma Schwager: Am eindrucksvollsten in Erinnerung geblieben sind mir der erste Frauentag nach dem Krieg und die erste gemeinsame Frauentagsdemonstration mit den Autonomen Frauen 1981. Das waren ganz wichtige Erlebnisse, die mir viel Kraft gegeben haben. Beim ersten Frauentag nach dem Krieg, 1946, waren sehr viele Frauen bei wunderschönem Wetter auf der Ringstraße dabei. Damals ging es ganz stark um das Thema "Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!". Friede stand im Vordergrund. Die teilnehmenden Frauen hatten alle die Hölle des Faschismus überlebt. Nun ging es darum, in diesem neuen Österreich eine neue Rolle der Frau zu schaffen.

dieStandard.at: Haben Sie die Frauentage immer als Kampftage gesehen?

Irma Schwager: Der Frauentag ist als Kampftag für die Rechte der Frauen und den Frieden initiiert worden. In der Ersten Republik war der Internationale Frauentag für die zwei Arbeiterparteien, die Sozialdemokraten und die Kommunisten, eine Tradition. Sie haben jeder für sich diesen Frauentag begangen. In der Zweiten Republik gab es schon den Bund Demokratischer Frauen, dem ich lange vorstand, und die Internationale Demokratische Frauenföderation. Mit der Zeit ist es gelungen, gemeinsame Aktionen mit anderen zu starten.

dieStandard.at: Wie haben Sie die gemeinsamen Aktionen in der neuen Frauenbewegung erlebt?

Irma Schwager: Ich war im Aktionskomitee zur Abschaffung des Paragraphen 144. Da waren Autonome, junge Sozialistinnen, der Bund Demokratischer Frauen, Kommunistinnen, ... Wir haben zum Beispiel 1974 die große Demonstration auf der Ringstraße vorbereitet, da haben ungefähr 1000 Frauen teilgenommen. Wir haben uns beim Denkmal der Maria Theresia zwischen den Museen getroffen und die AUF hat ein riesiges Transparent um das Denkmal angebracht mit der Aufschrift: "Sie konnte sich 16 Kinder leisten".

Zum Abschluss haben wir eine gemeinsame Delegation zum Justizminister geführt. Und am Villacher Parteitag haben junge Sozialistinnen dann das Gesetz der Fristenlösung durchgebracht - das war ein großer Fortschritt und das ist gegen starke Hindernisse durchgesetzt worden, aber erst, nachdem massiv auf die Straße gegangen worden ist.

dieStandard.at: Inwieweit, glauben Sie, konnte der Frauentag dazu beitragen, die Anliegen der Frauen in die Öffentlichkeit zu tragen?

Irma Schwager: Der Frauentag ist entstanden, weil es keine Rechte gegeben hat - keinen Mutterschutz, kein Wahlrecht, das waren große Kämpfe der proletarischen und der bürgerlichen Frauen. Von selber hat sich nichts geändert, aber die Tatsache, dass das Frauenbewusstsein in allen Parteien gestärkt wurde und ihnen mehr Kraft gegeben hat, ermöglichte, Wichtiges durchzusetzen. Geschenkt ist den Frauen gar nichts worden - jeder Fortschritt hat müssen erkämpft werden.

Die Frauen haben das natürlich nicht alleine geschafft: Sowohl das Wahlrecht als auch die soziale Gesetzgebung, Mutterschutz, Kinderschutz, das konnte nur zusammen mit der ArbeiterInnenbewegung erreicht werden. Es ist ja schon Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts für die Frauenfragen gestreikt worden. Ohne diese Basis wäre das damals nicht in die Wege geleitet worden.

dieStandard.at: Wie haben sich die Anliegen zum Frauentag mit den Jahren verändert?

Irma Schwager: Die Themen gehen heute weit über Fragen der Gleichberechtigung hinaus. Heute stehen die Anliegen der Frauen im Zentrum der Öffentlichkeit, es wird kritisch über Ungleichheiten geschrieben und gesprochen. Die Maßnahmen aber, die vorgeschrieben werden, sind minimal, während auf der anderen Seite der Angriff auf das, was wir schon errungen haben, massiv ist: auf dem Gebiet der Arbeitszeit, die Diskussion um Veränderungen der Kollektivverträge, ... Der Widerstand der Frauen gegen die Durchlöcherung errungener Rechte muss massiver geleistet werden.

dieStandard.at: Haben Sie das Gefühl, dass heute weniger gekämpft wird?

Irma Schwager: Ja, es wird weniger gekämpft, aber die Frage ist auch, was man unter Kampf versteht. Heute treten die Frauen in allen Parteien energischer für ihre Rechte ein. Nie hätten wir sonst etwa die Fristenlösung und die Reform des Ehe- und Familienrechts durchsetzen können.

dieStandard.at: Für welche Frauenfragen haben Sie persönlich sich am stärksten eingesetzt?

Irma Schwager: Unmittelbar nach dem Krieg für Frieden. Sehr bald haben wir auch schon die Reform des Ehe- und Familienrechts angesprochen, denn das war ja aus der Postkutschenzeit. Frauen sind in dem Gesetz als unmündige Kinder behandelt worden. Und die Frage der Unterbringung der Kinder hat immer eine große Rolle gespielt. Das war jahrelang ein Ping-Pong-Spiel: Der Bund hat gesagt, dafür sind die Länder zuständig, die Länder haben gesagt, das ist eine Gemeindefrage und die Gemeinden haben gesagt: Wir haben kein Geld! Das ist ja noch heute, insbesondere für die kleinsten Kinder, ein Thema.

Später kam dann die Körperfrage dazu. Die haben insbesondere die Autonomen Frauen in die Frauenbewegung getragen. Für uns haben Frieden, soziale Fragen und Gleichberechtigung immer eine große Rolle gespielt, aber auch die Gewalt gegen Frauen zu sehen und anzusprechen, das war das Verdienst der Autonomen Frauen. Auch die Forderung nach Frauenhäusern hat erst die Autonome Frauenbewegung eingebracht. Wir sind für viele Fragen wirklich konsequent und massiv eingetreten, aber diese Themen standen für uns - bis auf den Kampf gegen den § 144, gegen den alle auf die Straße gegangen sind - nicht so im Vordergrund.

dieStandard.at: Wie haben sie die Zusammenarbeit mit den Autonomen Frauen erlebt?

Irma Schwager: Im Jahr 1980 ist es uns erstmals gelungen, ein gemeinsames Aktionskomitee für den 8. März zu gründen und 1981 haben wir den ersten Frauentag gemeinsam gestaltet. Unsere erste Sitzung hat im Lokal der Hochschülerschaft in der Liechtensteinstraße stattgefunden. Da waren Frauen von der Katholischen und Evangelischen Frauenbewegung, von der Hochschülerschaft, es waren die Autonomen dabei und der Bund Demokratischer Frauen - ein überparteiliches Komitee.

Diese erste gemeinsame Frauentagsdemo auf der Mariahilfer Straße, hinunter zum Parlament, 1981, war so stark! Das war so eindrucksvoll, dass uns das gemeinsam, nach diesen mühsamen Diskussionen im Aktionskomitee, so gelungen ist. Es ist ja nicht immer leicht, wenn es verschiedene Zugänge gibt, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Jeder ist ja überzeugt davon, dass er recht hat.

Vonseiten der Sozialdemokraten gab es bis dahin eine sehr starke Abgrenzungspolitik, überhaupt gegen die Kommunisten. Die Jungen haben diese Mauer durchbrochen und auch die Johanna Dohnal hat viel zur Öffnung beigetragen.

dieStandard.at: Wie sind solche gemeinsamen Sitzungen abgelaufen?

Irma Schwager: Es dauerte oft lange, bis man auf einen gemeinsamen Punkt kam. Im Aktionskomitee zur Abschaffung des Paragraphen 144 etwa waren die Katholikinnen zwar auch dafür, ihn abzuschaffen, aber sie wollten den Begriff "Abschaffung des Paragraphen 144" nicht so verwenden. Dann wurde lange diskutiert und heraus kam "Ob Kinder oder keine, entscheiden wir alleine!". In Wirklichkeit ist das nur die Umschreibung dessen, was man wollte.

Oder ein anderes Beispiel zum Frauentag: Der Bund Demokratischer Frauen hat gesagt, man kann nicht verzichten auf die Forderung nach Frieden und Abrüstung, weil Krieg immer so eine große Rolle gespielt hat im Leben der Frauen. Aber die Feministinnen haben gesagt: "Frieden ist keine Frauenfrage, das gehört nicht zum Frauentag". Sie wollten, dass der Kampf gegen den Paragraphen 144 und gegen Gewalt an Frauen im Mittelpunkt steht. Wir haben aber gesagt, man kann den Frauentag nicht auf diese Frage reduzieren, das ist ja viel umfassender und dann ist die Diskussion gelaufen.

Eine heftige Diskussion gab es auch darum, ob Männer teilnehmen können sollen oder nicht. Sozialdemokratinnen und Kommunistinnen meinten, wenn Männer sich mit den Frauen und ihren Forderungen solidarisch erklären, stärkt das die Bewegung. Aber das wurde abgelehnt und man hat sich dann geeinigt, dass es eine reine Frauendemonstration sein soll. Es ist immer schwierig, einen gemeinsamen Nenner zu finden, wenn es so viele verschiedene Meinungen gibt, aber es ist die Voraussetzung dafür, sich durchsetzen zu können. Und bis auf einmal haben wir immer einen Kompromiss gefunden.

dieStandard.at: Wann war diese Ausnahme?

Irma Schwager: In der Zeit der großen internationalen Kampagne "Wir haben abgetrieben", die ja sehr wirksam war, wollten die Autonomen Frauen nur diese eine Frage in den Mittelpunkt des Frauentags stellen, aber damit waren wir nicht einverstanden. Da haben sie dann eine eigene Demonstration am Stephansplatz gemacht und wir waren auf der Ringstraße.

dieStandard.at: Wie sehr hat der Frauentag früher in der Öffentlichkeit Beachtung gefunden?

Irma Schwager: Jahrzehntelang haben die Medien den Frauentag ignoriert, obwohl weltweit schon Millionen Frauen demonstriert haben. Erst nach dem UNO-Beschluss zum Internationalen Frauentag 1975 hat man den Frauentag gewürdigt und am 8. März ein bisschen dazu geschrieben. Im Laufe der Jahre wurde das immer mehr und so viel wie im heurigen Jahr darum geschrieben und gesprochen worden ist, das gab es noch nie.

dieStandard.at: Wie viel hat die Ausrufung des Internationalen Frauentags durch die UNO zur Popularisierung des Frauentags beigetragen?

Irma Schwager: Sehr viel! 1975 ist das Jahr der Frau ausgerufen worden und da wurde der 8. März als Internationaler Frauentag bestimmt und den Ländern empfohlen, diesen Frauentag auch zu begehen. Das hatte große Auswirkungen auf die Rechte der Frauen, denn in der UNO sitzen die Regierungsvertreter, damit wurden Frauenanliegen aufs große politische Tablett befördert. Damals ist auch der erste Frauenbericht erstellt worden.

Nach dem Jahr der Frau ist dann die Dekade der Frau beschlossen worden, mit dem Motto: "Gleichberechtigung - Entwicklung - Frieden". Der Internationale Frauentag hat also sehr viel dazu beigetragen, Frauenanliegen in die Öffentlichkeit zu tragen.

dieStandard.at: Sie haben einmal in einem Interview 2005 gesagt: "Was nützen sechs Frauen in der Regierung, wenn sie keine Politik für Frauen machen?" Wie sehen Sie die Situation heute, wie Politik für Frauen gemacht wird?

Irma Schwager: Wir haben heute weniger Frauen in der Regierung. Tatsache ist, dass Frauen im Allgemeinen zu verschiedenen Fragen einen anderen Zugang haben als Männer, ihr Leben sieht anders aus. Aber Frau sein ist natürlich kein Programm, das hat schon die Johanna Dohnal gesagt. Wenn Frauen in der Regierung an konservativen Standpunkten festhalten, dann nützt das wenig, auch wenn sie Frauen sind. Die Frauenministerin bemüht sich redlich, aber was sie durchsetzen kann, hängt viel von der ganzen Regierung ab.

Johanna Dohnal hat immer zu uns gesagt: "Ihr müsst mehr Druck machen, dann kann ich was durchsetzen." Für verschiedene Fragen würde ich mir mehr Durchsetzungskraft wünschen. Dieses viel benutzte Wort von der Gerechtigkeit kommt in der realen Politik fast nicht vor. Der Widerstand ist in vielen Fragen viel zu gering.

dieStandard.at: Sehen Sie prinzipiell zu wenig Widerstand in der Politik, was Frauenfragen betrifft?

Irma Schwager: Ja, das sehe ich schon. Es gibt so viel Heuchelei! Das klingt alles so schön: Wahlfreiheit und Chancengleichheit für die Frauen. Mir ist in den Diskussionen oft zu viel Luft - man spricht nicht über ein Problem, sondern nebeneinander. Es wird auch scheinheilig herumdiskutiert, Frauen sollen wählen können, was sie wirklich wollen. Viele Frauen haben aber keine Wahlfreiheit, weil sie entweder keinen Arbeitsplatz haben, weil sie keine Möglichkeit haben, ihr Kind in eine gute Betreuungseinrichtung zu geben, weil sie mit 40 Jahren als zu alt empfunden werden, um Beschäftigung zu finden. Es werden so viele schöne Worte verwendet, die aber in der Realität keine Grundlage haben.

dieStandard.at: Haben Sie heute immer noch dieselbe Lust wie damals, den Frauentag mitzugestalten?

Irma Schwager: Ja, natürlich, nur meine Beine streiken manchmal. Leider kann ich heute nicht mehr so viel beitragen, aber was ich kann, das mache ich. Marie Curie hat einmal den schönen Satz gesagt: "Wenn eine Sache wichtig ist, muss man sie machen, und gäbe es 100.000 Gründe, es zu verhindern". Das war für mich immer wichtig.

Unsere Frauengruppe trifft sich auch noch einmal im Monat und unsere Frauen sind auch im Vorbereitungskomitee zur großen Demo am 19. März, um 14 Uhr auf dem Schwarzenbergplatz. Ich hoffe, dass das eine wirklich große Demonstration wird, um noch einmal zu zeigen, wie wichtig es ist, nicht nur zu reden von der Benachteiligung der Frau, sondern dass wirklich effizientere Maßnahmen getroffen werden, damit das Reden von der Wahlfreiheit und den gleichen Chancen mehr Realität wird.

Es ist leider immer noch Mehrheitsmeinung, auch unter den Frauen, dass man nichts tun kann, aber das stimmt genau nicht! Wenn man die ganze Entwicklung des Internationalen Frauentages, der Frauenbewegung und der Frauenrechte anschaut, sieht man, dass das nicht wahr ist. Man kann was machen, wenn man was macht! Aber man darf nicht aufgeben, und seien die Schwierigkeiten noch so groß, das habe ich in meinem Leben gelernt. Der Aufruf zur Großdemo am 19. März endet mit den Worten "Eine andere Welt ist möglich" - und das glaube ich auch. (Isabella Lechner, dieStandard.at, 8. März 2011)