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Frau Remler hält wenig von Quoten (sie selbst ist ja keine Quotenfrau!), dafür viel von Wahlfreiheit.

Foto: APA/PFARRHOFER

Wenige Tage vor dem hundertsten Internationalen Frauentag zeichnet sich die Tiroler Tagenszeitung mit Antifeminismus der besonderen Art aus: Als Headline auf der Titelseite vom 5. März steht zu lesen: "Feminismus wird schnell Fanatismus" - zitiert wird hier Familienstaatssekretärin Remler.

Jenseits der Frage der Haltung der Familienstaatssekretärin und ihrem Bedürfnis, sich immer wieder vom Feminismus abzugrenzen, stellt sich die Frage, wie es eine solche Aussage auf die Titelseite schafft. Zwar wird das Interview im Innenteil etwas differenzierter, und schon einen Tag später wurde eine Kritik an Remlers Aussagen gedruckt, aber eben auf Seite 5, nicht auf der Titelseite.

Es langweilt inzwischen, die Betonung der "Wahlfreiheit" durch die ÖVP-Frauen und -Männer, auf die sich auch Remler im TT-Interview beruft, einmal mehr als angestaubte Rhetorik aus der ideologischen Waffenkammer der Konservativen gegen Gleichberechtigung oder institutionelle Kinderbetreuung zu entlarven. Einmal mehr wird den Feministinnen unterstellt, Frauen auf ein bestimmtes Lebensmodell verpflichten zu wollen.

Tiroler Leidensgeschichte

Wir sind in Tirol einiges gewohnt: eine Frauenlandesrätin, die feministische Einrichtungen diffamiert und die ohnehin magere Existenzgrundlage entzieht, Frauenpolitik als Randgruppen-Thema bezeichnet oder salopp meint, dass Frauen schon mal nein sagen, wenn sie eigentlich ja meinen und damit alte männliche Mythen bedient. Wir sind es auch gewohnt, dass die Lebensbedingungen vom Großteil der Frauen in Tirol offenbar von keinerlei politischem Interesse mehr sind: weil es kaum Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Beruf und Betreuungspflichten gibt, weil 62 Prozent der Tirolerinnen weniger als 1.000 Euro im Monat verdienen und weil der Landesregierung Frauenförderungen und Gleichbehandlung ohnehin nicht viel wert ist, wie das Landesbudget belegt .... Jetzt gibt es auch eine Familienstaatssekretärin aus Tirol, die den Ausbau der Kleinkindbetreuung stoppen lässt, obwohl Österreich in diesem Bereich ohnehin meilenweit hinterherhinkt, weil "Evaluationsergebnisse" abgewartet werden müssen - und weil es um "Wahlfreiheit" geht?

All diese Zumutungen an Frauen sind keine Headline auf der Titelseite wert. Wir werden lange oder vergeblich darauf warten, dass es Sätze wie "Fanatischer Frauenhass fordert Opfer", "Sexismus macht Frauen arm" oder "Männerbünde behindern berufliche Chancen von Frauen" auf die Titelseite der Tiroler Tageszeitung oder einer anderen Zeitung schaffen, obwohl sie sehr viel mehr gesellschaftliche Realitäten widerspiegeln.

Bleibt noch hinzuzufügen, dass wir es auch gewohnt sind, dass Medien ihrer gesellschaftlichen, demokratischen Aufgabe nicht oder kaum nachkommen, dass sich viele Medien - gerade in Tirol - als "Regierungsmedium" verstehen, die kaum kritische Stimmen zu Wort kommen lassen, dass etwa das Format "Tirol heute" nur mit viel Euphemismus als "Nachrichtensendung" des Bundeslandes Tirol bezeichnet werden kann und dass die Diffamierung des Feminismus als "fanatisch", "extremistisch", als Ideologie des "Männerhasses" usw. Normalität geworden ist. Dass es um gleiche Rechte geht, um einen Kampf gegen die Gewalt an Frauen und deren strukturelle Ursachen, um Lohngleichheit, angemessene politische Repräsentation und letztlich um die Möglichkeit von weiblicher Autonomie, wird dann zur überzogenen, "fanatischen" Forderung - Danke TT. (dieStandard.at, 7.3.2011)