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"Flieger" heißt die Skulptur von Klaus Schwendner, die 2001 in Abendsberg installiert wurde. Eine lebensgroße Figur aus Kunstharz fliegt mit weit ausgebreiteten Armen und Beinen durch die Luft, knallt mit dem Kopf gegen eine Mauer und bleibt darin stecken. Die Mauer soll tradierte Wertvorstellungen symbolisieren, Regelungen, Vorschriften und Bürokratismus, durch die der Mensch gebremst wird.

Foto: APA/ Stefan Kiefer

Für Frauen, die in Wien ihren Erstwohnsitz gemeldet haben und ein monatliches Nettoeinkommen von 754 Euro nicht überschreiten, kann bei einem Schwangerschaftsabbruch eine Kostenübernahme durch die Stadt Wien erfolgen. Diese Frauen müssen bei der Familienplanungsstelle der Magistratsabteilung (MA) 40 ihre gesamten Einkünfte und Ausgaben, etwaige Alimente-Zahlungen und die Wohnsituation (Anzahl der im Haushalt lebenden Personen) offenlegen und vorweisen, dass sie sich einer Familienberatung unterzogen haben. Elke Graf von pro:woman am Fleischmarkt in Wien bedauert, dass die Frauen durch die Antragsstellung der Kostenübernahme ihre in privaten Einrichtungen gewährte Anonymität verlieren.

Die Stadt Wien stellt allerdings einen Ausnahmefall in Österreich dar. Frauen müssen in Österreich für die Kosten eines Schwangerschaftsabbruches nämlich selbst aufkommen und auch auf die Übernahme für Verhütungsmittel konnten sich PolitikerInnen bisher nicht einigen. In den meisten europäischen Ländern ist das anders: Sowohl die Abbrüche ungewollter Schwangerschaften als auch Verhütungsmittel werden von Krankenkassen und/oder staatlichen Einrichtungen übernommen.

Im Westen keine Abbrüche in öffentlichen Krankenhäusern

Die Kosten für einen Abbruch, unabhängig von der Methode des Abbruchs, rangieren in privaten Instituten in Österreich zwischen 430 und 600 Euro. In Krankenhäusern der Stadt Wien betragen sie 301,81 Euro. Dabei werden lediglich in Krankenhäusern der Stadt Wien, Linz sowie Salzburg Abbrüche ungewollter Schwangerschaften überhaupt angeboten und vorgenommen. Für den Gynäkologen und Betreiber des gynmed-Ambulatoriums Christian Fiala hängt diese Tatsache mit der politischen Ausrichtung der jeweiligen Bundesländer zusammen.

Vorbedingung: Familienberatung

Die Stadt Wien hat ein Interesse daran, die Frauen im Falle einer Kostenübernahme in einem Krankenhaus der Stadt unterzubringen, was aber aufgrund des Termindrucks und der oft überfüllten Krankenhäuser meistens nicht gelingt. Offenbar um möglichst wenige Abbrüche durchführen zu müssen, verlangen jene sechs Wiener Spitäler (Krankenhaus Hietzing, Rudolfstiftung, SMZ Süd, Semmelweis-Klinik, Kaiser-Franz-Josef-Spital, Krankenhaus Lainz und das Wilhelminenspital), von den durch die Stadt Wien unterstützten Frauen eine Beratungsbescheinigung einer Familienberatungsstelle für den Eingriff.

Dies erstaunt, denn in Österreich wird - im Gegensatz zu Deutschland - vor einem Schwangerschaftsabbruch eine Familienberatung per Gesetz nicht gefordert. Dass die MA40 diese Beratungsbescheinigung von den sozial Bedürftigen verlangt, erklärt Renate Christ von der MA40 damit, dass "die Abtreibung eine Ultima Ratio sein soll. Die Frauen werden von MitarbeiterInnen der MA11 beraten". Zudem, so Christ weiter, "wollte die MA40 nie in den Verdacht kommen, einer Frau einen Schwangerschaftsabbruch nahe zu legen. Die Familienberatung stellt eine jahrelange Praxis dar und soll sicherstellen, dass die Frau alle Möglichkeiten bedacht hat".

"Schwer zu sagen: Komm abtreiben"

Die MA40 fordert die Bescheinigung nur, weil sie "verantwortungsvoll mit Steuergeld umgehen müssen". Zudem spricht die Mitarbeiterin der MA40 von der "Optik, die verheerend ist, wenn wir eine Frau unberaten eine Abtreibung bezahlen". Dass ihre Bedingung keine gesetzliche Basis habe, sei ihnen jedenfalls klar. Nachsatz: "Einfach nur Geld hinlegen und sagen: Da hast, geh abtreiben - das ist geschmacklos".

Im Falle des Abbruchs in einem privaten Institut - etwa pro:woman oder Venus-Med - werden die Kosten der bedürftigen Patientin zwar übernommen, aber nur zum Teil. Die Stadt Wien zahlt lediglich 260 Euro. "Den Restbetrag zu den tatsächlichen Kosten übernehmen wir dann aus unserem internen Sozialbudget", erklärt Elke Graf von pro:woman. Im vergangenen Jahr haben 477 Frauen den Kostenübernahme-Antrag bei der MA40 eingereicht, 440 davon wurden bewilligt.

Die Anfrage von dieStandard.at, warum diese Unterstützung in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist - etwa auch auf der Internetseite der MA40 nicht angeführt ist -, bleibt vom Wiener Krankenanstaltenverbund unbeantwortet. Renate Christ von der MA40 jedoch meint: "Ich tu mir schwer dafür zu werben und zu sagen: Kommt abtreiben. Ich würde das für geschmacklos halten".

"Gebärzwang als Monarchie-Überbleibsel"

pro:woman versucht bei Frauen, die an sie herantreten, auch "die finanzielle Situation ein wenig abzutasten". "Wenn wir merken, dass eine Frau finanzielle Unterstützung benötigt, verweisen wir sie zur MA40 und klären sie auf, wie sie zur finanziellen Unterstützung kommen können", so Elke Graf. Christian Fiala leitet finanziell schwache Frauen auch zur MA40 weiter, will aber "keine Zwei-Klassen-Medizin schaffen". Er sieht die Abtreibungspolitik auf Bundesebene gefordert.

"Die Kosten dafür müssen endlich von den Sozialversicherungen übernommen werden. Es kann nicht sein, dass Frauen von der Sozialversicherung derart im Stich gelassen werden. Selbst in traditionell katholischen Ländern wie Spanien, Portugal und Italien werden die Kosten vom Staat übernommen", mahnt Fiala. "In Österreich gilt noch immer die mittelalterliche Überzeugung: Frauen müssen gebären. Dieser Gebärzwang ist sozusagen ein Überbleibsel aus der Monarchie", summiert der Gynäkologe die österreichische Abtreibungspolitik. (Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at, 7.4.2011)