Die Aktivistinnen in Diskussion mit Mitarbeiterinnen des Familienbundes...

Foto: Bettina Frenzel

... und den Sicherheitskräften. Eine der Aktivistinnen war als Justitia gekleidet. Auf ihrer Augenbinde war "Automatik" zu lesen. In der Hand hielt sie eine Waage.

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Die Diskutierenden (v.l.n.r.): Doris Täubel-Weinreich, Andrea Gottweis, Claudia Bandion-Ortner, Inge Winder, Helmuth Figdor, Christine Laimer.

Foto: Bettina Frenzel

Die Diskussion über die Neuregelung der Obsorge in Österreich findet derzeit im Rahmen einer "Promotiontour" des Österreichischen Familienbundes statt. Bei einer Podiumsdiskussion unter dem Titel "Was bringt die gemeinsame Obsorge?" am Donnerstagabend in der Wirtschaftskammer Wien kam es zu einem Eklat. Frauen der "Plattform 20000frauen" wurde verboten, der Diskussion beizuwohnen. Sie wurden vorerst nicht in den Veranstaltungsraum vorgelassen, schließlich von Sicherheitskräften aus dem Gebäude gebracht.

Während sich im Veranstaltungsraum betroffene Väter, Großeltern und Interessierte zu Wort meldeten, wurden vor dem Veranstaltungsraum Aktivistinnen davon abgehalten, den Raum zu betreten. Sie wollten ihre Meinung durch eine Performance und durch Transparente ausdrücken. "Es muss in einem demokratischen Staat erlaubt sein, die Meinung zu äußern. Wir machen das nicht mit Wortmeldungen, sondern durch ein Plakat und unsere Kleidung", sagte eine Aktivistin zu den Sicherheitskräften. "Wir wünschen eine bestimmte Form der Meinungsäußerung", antwortete eine Mitarbeiterin des Familienbundes. Die Sicherheitskräfte wiederum unterstellten den Aktivistinnen, dass sie Gewalt anwenden würden und deshalb das Gebäude verlassen müssen. Nach einer kurzen, heftigen und aufgeladenen Diskussion wurden sie von den Sicherheitskräften aus dem Gebäude gebracht.

Homogene Diskussionsrunde

Die Diskussion wurde von der ORF-Niederösterreich Redakteurin Inge Winder moderiert. Im Zentrum der Diskussionsrunde saß die Justizministerin Claudia Bandion-Ortner. Mit ihr diskutierten die Familienbundpräsidentin und Landtagsabgeordnete Andrea Gottweis, der Psychotherapeut Helmuth Figdor, Familienrichterin Doris Täubel-Weinreich und die Sozialarbeiterin Christine Laimer. Die Positionen der DiskutantInnen waren ob der Einladungspolitik homogen und bekannt. Dass derartige Diskussionen ohne VertreterInnen des Koalitionspartners SPÖ stattfinden, wurde schließlich von einem Zuhörer hinterfragt. Durch die Homogenität des Publikums war er derjenige, der keinen Beifall erhielt. Petra Unger, Sprecherin der "Plattform 20000frauen", zeigt sich gegenüber dieStandard.at vor der Diskussion über die Einladungspolitik dieser Veranstaltung sehr erstaunt: "Ich frage mich, wie eine Diskussion über die gemeinsame Obsorge ohne Vertreterinnen österreichischer Frauenorganisationen stattfinden kann." Tatsächlich kam die Diskussion ohne die Erwähnung struktureller Gegebenheiten wie der niedrigen Karenzbeteiligung von Vätern, Aufteilung von Versorgungsarbeit oder die notwendige flächendeckende Kinderbetreuung aus.

"Darf kein Geschlechterkampf sein"

Während die Aktivistinnen der "Plattform 20000frauen" von Sicherheitskräften aufgehalten wurden, schaukelte sich die Diskussion im Veranstaltungsraum auf. Die Justizministerin erklärte eingangs zwar, dass "dieses Thema nicht zum Kampf der Geschlechter ausarten dürfe". Wenige Minuten später jedoch fragte die Moderatorin nach: "Wie viele betroffene Väter sind denn hier?". Die fortgeschrittene Diskussion, geprägt durch Argumente wie "Herstellung des Naturzustandes", wurde getragen von Einzelschicksal-Schilderungen und Lösungswünsche an die Justizministerin.

"Unsägliche Diktion"

"Hier wird Mutterbashing der übelsten Art betrieben. Sie kreieren hier ein Bild, als ob jedes Kind einer Alleinerzieherin psychisch gestört wäre. Die Diskussion ist einseitig, die Diktion unsäglich", so die Wortmeldung von Petra Unger. Es war ihr nicht möglich ihre Meinung, so wie andere im Raum, ohne Unterbrechung und Störung auszuführen. Schließlich verwies sie darauf, dass "hier keine andere Meinung gewünscht ist und Frauen der "Plattform 20000frauen" gar nicht zur Diskussion zugelassen wurden", worauf sie erneut feindliche Wortmeldungen anderer TeilnehmerInnen erntete. Aufgrund der aufgeheizten Stimmung und "der Angst vor der Aggression, die in diesem Raum herrscht", so Unger gegenüber dieStandard.at, verließ sie die Diskussion vorzeitig. (Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at, 15.4.2011)