Vor vier Jahren verlor die diplomierte Krankenschwester Patricia Motovska (44) den Glauben an das slowakische Gesundheitssystem. Jahrelang versprach der Minister, die Reformen würden bald greifen. Stattdessen wurde die Arbeit immer mehr, der Verdienst blieb mickrig. 350 Euro pro Monat zahlte das Krankenhaus in Galanta, einer Kleinstadt in der Westslowakei, drei Zugstunden von Wien entfernt. Patricia Motovska war 40, ihre 19-jährige Tochter, eine hervorragende Schülerin, wollte studieren. Sie und ihr Mann verdienten zu wenig, um ihr das erfüllen zu können - bis sie eines Tages eine Annonce las: "Pflegekräfte für Österreich gesucht".

Sie meldete sich und bekam den Job: eine 24-Stunden-Betreuung einer alten Dame, im Zwei-Wochen-Rhythmus mit einer anderen slowakischen Krankenschwester auf-geteilt. Ihr Verdienst: 650 Euro für 14 Tage, doppelt so viel, wie sie bislang in einem Monat verdiente. "Es war schwer, meinen damals 13-jährigen Sohn immer wieder zurückzulassen", erinnert sie sich, sie habe vieles in seiner Entwicklung nicht mitbekommen. Alternativen gab es nicht. Während Motovska in Wien als Pflegehelferin rund um die Uhr im Einsatz war, kümmerte sich ihr Mann um die Kinder. "Wir hatten in der Slowakei eine gute Krankenschwesternausbildung, das hat bei der Bewerbungen geholfen", erzählt Motovska, die aber erst einmal Deutsch lernen musste. Nach vier Jahren spricht sie perfekt, "weil mir meine Klienten helfen und mich ausbessern", lacht sie.

Ihr Pendlerschicksal teilt sie mit unzähligen Kolleginnen aus der Slowakei. Viele kennt sie von Fahrgemeinschaften. Daher weiß sie, wie sehr vor allem Jüngere leiden, die ihre kleinen Kinder zu Hause zurücklassen. Je weiter entfernt sie von Österreich wohnen, umso strapaziöser sind die Fahrten. "120 Kilometer von Wien entfernt zu leben war ein Glück", sagt sie. Nach vier Jahren ist sie in der mobilen Pflegebetreuung der Caritas Socialis fix angestellt und versorgt Pflegebedürftige im 16. und 17. Bezirk. Sie hat eine kleine Wohnung, arbeitet zehn Tage durch, hat dann vier bis fünf Tage frei. Reich sei sie nicht, sagt sie, aber sie kann heute die Ausbildung beider Kinder finanzieren und einmal im Jahr auf Urlaub fahren. (Karin Pollack, DER STANDARD, Printausgabe 30.4./1.5.2011)