Alexander Braunshör, Kajetan Dick, Suse Lichtenberger und Sissi Noè. 

Foto: Kosmos Theater / © Bettina Frenzel

Im erdrückenden Wiesenthal-Archiv.

Foto: Kosmos Theater / © Bettina Frenzel

Tanja Witzmann inszenierte für das Jubiläumsjahr eine sehr gelungene Bruno Kreisky-Bestandsaufnahme.

Foto: Kosmos Theater / © Bettina Frenzel

Ein arg geschrumpftes SPÖ-Zelt, eine Club 2-Couchlandschaft, die vor einer hohen Regalwand mit Dokumenten - das Simon Wiesenthal-Archiv - steht, und quer über die Bühne liegt eine Österreich-Flagge. Das sind die Requisiten des Stückes "Die Quadratur des Kreisky", die in hundert Minuten über die Bühne des Kosmos Theaters fegt.

Voll beschäftigt

"Wir sind unabhängig, wir sind frei, wir arbeiten gerne, auf Honorarnote und oder als freie Dienstnehmer...innen". Vier Menschen, die eben noch an den Telefonen der Callcenter des STANDARD, der Sozialversicherungsanstalt oder einer Trauerhotline für Opfer oder deren Angehörige des Nationalsozialismus saßen, geben den Chor der Vollbeschäftigen. Der kommt natürlich ohne Wochenenden aus, flexibel und viersprachig tänzelt er durch die volle Beschäftigung, aber gänzlich ohne soziale Absicherung.

Aus dem Mini-SPÖ-Zelt hinter den Telefonen meldet sich schließlich Bruno Kreisky höchst persönlich zu einigen Themen seiner Zeit zu Wort: Die Kreisky-Peter-Wiesenthal-Affäre, Frauenpolitik oder der Umgang mit der Shoah und dem Nationalsozialismus. Hier könnte Kreiskys Herangehensweise zumindest als pragmatisch bezeichnet werden, so galt doch der "aaaabsoluten Meeehrheit" - wie sie die SchauspielerInnen immer wieder anstimmen - besondere Aufmerksamkeit und somit lag das Augenmerk auch auf den Sympathien der Bürgerlichen, KatholikInnen oder ehemaliger NationalsozialstInnen. "Und dieser Wiesenthal", der gebe doch erst Ruhe, wenn er selbst ihm - dem Kreisky - Verbrechen im Nationalsozialismus nachgewiesen hat, grummelte der Politiker vor sich hin, der abwechselnd von Suse Lichtenberger, Sissi Noè, Alexander Braunshör und Kajetan Dick dargestellt wird.

Warum Kreisky den FPÖ-Vorsitzenden Peter Friedrich, der Mitglied in der für ihre Massenmorde berüchtigten 1. SS-Infanteriebrigarde war, verteidigte und Simon Wiesenthal scharf kritisierte - Fragen, wie diese, verrät auch der auferstandene Kreisky nicht. Mit den ewigen Psychologisierungen solle man aber doch bitte aufhören. Als ihn ein historisch sattelfester Beobachter daran erinnert, dass auch die Familie Kreisky 22 Verwandte durch den Nationalsozialismus verloren hat, verstummen jedoch die markigen Sprüche des Bruno Kreisky.

Du meine Johanna

Doch die Revue geht weiter und galoppiert auf das nächste große Thema zu. Die "Frauenemanzipation", in dieser Angelegenheit und bei der Todesstrafe - da darf man die Basis nicht fragen. Obwohl die sich angesichts der Reform des Familienrechts (1976), der Gleichstellung der Entlohnung in der Privatwirtschaft (1979) oder der Fristenlösung (1975) weinend, schreiend und wimmernd in den Schoß Kreiskys robbt. Aber es nützt alles jammern nichts, Bruno und Johanna sind ein eingespieltes Team und singen sich inbrünstig "du meine Johanna" und "du mein Wegbegleiter" zu und mimen ein kongeniales Team, das die mediale Häme auf sich zog. Mit "hehres Emanzentum", "Haremspascha" oder "Kreisky lässt die Puppen tanzen" wurde die Ernennung von vier Staatssekretärinnen im Jahre 1979 kommentiert.

Eine multimediale "Quadratur"

Der Verdacht einer Kreisky-Glorifizierung in "Die Quadratur des Kreisky" verflüchtigt sich schnell und trotz des rasanten Tempos des Stückes gehen die zentralen Themen des politischen Lebens Kreiskys vielschichtig, genau und fesselnd über die Bühne, ohne aktuelle Kontexte zu vergessen. Mit gelegentlichen Einschüben, in denen sich die SchauspielerInnen selbst und das Stück unterbrechen - entweder um eine Kreisky-Darstellung als irreführend zu kritisieren, oder ein herzzerreißendes Loblied auf der Österreichischen Flagge stehend als doch etwas zu viel des Guten zu kommentieren - wird der Verblendungsgefahr vorgebeugt. Dennoch verführt der sich aufdrängende Vergleich zwischen PolitikerInnen-Persönlichkeiten wie Kreisky oder Dohnal mit den heutigen ProtagonistInnen ein wenig zur Nostalgie. 

Die vier SchauspielerInnen haben gemeinsam mit den Dramaturginnen Petra Freimund und Nina Stuhldreher und Regisseurin Tanja Witzmann unter Beigabe des Jubiläumsmaterials und alten Club 2-Sendungen die Textvorlage für die multimediale "Kreisky-Quadratur" erarbeitet, der am 11. Jänner 2011 Hundert  geworden wäre. Die vierfache Darstellung Kreiskys leistet neben der differenzierten inhaltlichen Bearbeitung seiner Politik ein facettenreiches Bild der Person Kreisky, der von Kajetan Dick besonders eindrucksvoll in Szene gesetzt wird. Neben ihm tanzen, singen, diskutieren oder telefonieren Lichtenberger, Noé und Braunshör unter höchstem Einsatz, schließlich "muss man die Menschen in Arbeit halten", wie Kreisky schon sagte. 

Unbedingt anschauen - Freundschaft. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 3.Mai 2011)