Zur Person:

Andreas Kemper ist Dissertant und Lehrbeauftragter am Institut für Soziologie in Münster. Er war in den 1990ern in der profeministischen Männerbewegung aktiv und forscht derzeit schwerpunktmäßig zu Klassendiskriminierung.

Zur Beschäftigung mit der Männerrechtsbewegung hat ihn seine Autoren-Tätigkeit bei Wikipedia geführt. Auf der Plattform setzte er sich dafür ein, dass mehrere Begriffe, die eine antifeministische Schlagseite hatten, gelöscht wurden. Daraufhin wurde er von Männerrechtlern ausgeforscht und in den einschlägigen Foren mit seinem Klarnamen an den Pranger gestellt. Derzeit nimmt Kemper auf der Liste der "Lila Pudel" (so die Bezeichnung der Männerrechtler für profeministische Männer) Platz 136 ein. Ein Rang, mit dem er sich noch nicht zufrieden gibt, wie er kampflustig betont.

Foto: Kemper

Andreas Kemper
[r]echte Kerle. Zur Kumpanei der MännerRECHTSbewegung

Verlast: unrast transparent - rechter rand Bd. 4
ISBN: 978-3-89771-104-4
Ausstattung: br., 72 Seiten
Preis: 7.80 Euro

Foto: Unrast Verlag

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Selbst die Tradition ist fest in Frauenhand? Am "alten Frauentag", dem 11. Februar, läuten Frauen traditionell den Karneval in Düsseldorf ein, indem sie ins Rathaus ziehen und den Herren die Kravatten abschneiden.

Foto: AP/Frank Augstein

Die Männerrechtsbewegung im deutschsprachigen Raum kennt ein klares Feindbild: Den Feminismus und alle, die sich für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzen. So weit, so abstrus. In seinem Buch "(r)echte Kerle. Zur Kumpanei der MännerRECHTSbewegung" hat der Soziologe Andreas Kemper nun erstmals herausgearbeitet, wie die einschlägigen Internetforen der Männerrechtler über den Kampf gegen Frauen hinaus ideologisch positioniert sind und wie sie arbeiten. Konkret weist er die rechtsradikalen Tendenzen eines der aktivsten Männerrechtsforen "Wieviel Gleichberechtigung verträgt das Land?" (WGvdL) nach. Mit dieStandard.at sprach der Forscher und Wikipedia-Aktivist über die neuesten Strategien der Männerrechtler, die nun auch im realen Leben angekommen zu sein scheinen:

dieStandard.at: Kern der heutigen Männerrechtsbewegung ist die Überzeugung, dass Männer in vielen Bereichen der Gesellschaft Opfer der Frauenbewegung sind. Was sind die ideologischen Hintergründe einer solchen Weltsicht?

Andreas Kemper: Die sind ganz vielseitig. Die aktuelle 'neue Männerrechtsbewegung' in Deutschland kommt ideologisch eigentlich aus den USA. In Verbindung mit einem Anti-Political-Correctness-Diskurs ist sie in den 1990ern nach Deutschland gewandert. Heute kennen wir diese Haltung 'man wird das wohl noch sagen dürfen' ja zu genüge: Sie ist auch anschlussfähig an rechte und antifeministische Diskurse.

Bereits in der Weimarer Republik gab es übrigens schon mal eine Männerrechtsbewegung. Heinrich Berl hat 1931 'Die Männerbewegung - ein antifeministisches Manifest' verfasst und sie darin als Bewegung gegen alle anderen Bewegung(en) wie die Frauen- und Jugendbewegung konzipiert. Diese Vorstellung gibt es heute auch: die Männerrechtsbewegung sieht sich einerseits als klassische Befreiungsbewegung, andererseits ist sie aber gegen Gleichstellungsmaßnahmen und steht Antidiskriminierungsmaßnahmen sehr skeptisch gegenüber.

dieStandard.at: In ihren Recherchen untersuchten Sie die Kommunikation in Männerrechts-Internetforen. Sind denn alle diese Portale am rechten Rand angesiedelt?

Kemper: Mehr oder weniger. Vor circa zehn Jahren gab es aber auch mal das kleine Internet-Portal 'die Roten Männer'. Das waren Männer in der SPD, die sich antifeministisch positionierten. Die hatten damals aber längst nicht die Bedeutung wie die heutigen Foren. Die größeren Foren "MANNdat" und "WGvdL" sind extrem rechts. Die BetreiberInnen (es sind ein Mann und eine Frau) verlinken ganz bewusst auf rechte Seiten wie Altermedia, usw.

dieStandard.at: Wie sind Sie bei ihrer Untersuchung vorgegangen?

Kemper: Ich verfolge die Einträge der Seite "WGvdL" seit gut 1,5 Jahren. Für die Untersuchung habe ich den Februar vergangenen Jahres herausgenommen und die Forenbeiträge auf ihre Anschlussfähigkeit zu Rechtsextremismus untersucht. Dazu zähle ich die ideologischen Versatzstücke Nationalismus, Ethnozentrismus, Rassismus, Sozialdarwinismus, Antisemitismus, Verharmlosung des Nationalsozialismus, Befürwortung einer rechtsautoritären Struktur, Chauvinismus und Sexismus. Es handelt sich dabei lediglich um eine Momentaufnahme, eine umfassende wissenschaftliche Studie zu diesen Phänomenen wäre aber dringend nötig.

dieStandard.at: Kann das Forum "WGvdL" als die Zentrale der Bewegung betrachtet werden?

Kemper: Das größte ist sicher "WGvdL", was die Zahl der Beiträge anbelangt. Darin inkludiert ist der 'Femokratie-Blog', in den die beiden BetreiberInnen längere Beiträge posten. Dazu gehört auch "WikiMANNIA", das inzwischen über 450 Artikel beinhaltet. In diesen Räumen findet derzeit auch die Theorieverdichtung der Männerrechtler statt, denn bisher gab es noch keine verfestigte Ideologie.

dieStandard.at: Die Männerrechtler wollen aber nicht nur unter sich sein, sondern missionieren auch auf "feindlichen Seiten", oder?

Kemper: Ja, sie sehen sich als Opfer und als Widerstandskämpfer einer feministisch beherrschten Gesellschaft. Deshalb versuchen sie ihre Wahrheit auf 'feindlichen Seiten' darzustellen. Die Strategie lautet austeilen, austeilen, austeilen... und das Gegenüber einzuschüchtern.

dieStandard.at: Die deutsche Männerrechtsbewegung war in den letzten zehn Jahren vor allem ein Internetphänomen. Gilt das für 2011 immer noch?

Kemper: Nein, da hat sich in der letzten Zeit einiges geändert, die AktivistInnen vernetzen sich im Realen. In der Schweiz gibt es seit kurzem die "Interessensgemeinschaft Antifeminismus" (IGAF), die im Juni ihre zweite Tagung ausrichtet (RednerInnen werden u.a. Gerhard Amendt und Monika Ebeling sein, Anm. der Red.) In Deutschland hat sich im April die "IG Antifeminismus Deutschland" gegründet. Und auch die bürgerlichen Männerrechtler haben sich konstituiert, es gibt jetzt den Verein AGENS, den u.a. der Autor Arne Hoffmann mitgegründet hat.

dieStandard.at: Die Väterrechtler haben diese Gründungsphase scheinbar schon hinter sich.

Kemper: Klar, die gibt's ja auch schon viel länger. Die haben sich schon in den 1990ern mit diversen Büros institutionalisiert. Zwischen Väter- und Männerrechtlern gibt es große Überschneidungen. Erst vor kurzem wurde der Verein "Väteraufbruch für Kinder" Mitglied im deutschen Dachverband Bundesforum Männer. Letztere verfolgen ganz klar einen geschlechterdemokratischen Ansatz, weshalb wir gespannt sein dürfen, wie das mit dem Väteraufbruch weitergeht. Werden die sich von ihren antifeministischen Gründen distanzieren (müssen), oder schaffen sie es das Bundesforum diffus in Hinblick auf Antifeminismus zu gestalten? 

dieStandard.at: Sehen Sie denn diese Strategie der Infiltrierung auf Seiten der Männerrechtler?

Kemper: Sehr wohl. Leute wie Arne Hoffmann (Autor von u.a. "Männerbeben" und "Rettet unsere Söhne"), die früher im "WGvdL" aktiv waren und jetzt u.a. in der Männer AG der Piratenpartei Mitglied sind, versuchen heute sogar, sich als geschlechterdemokratisch bis links darzustellen. Sie distanzieren sich von ihren Anfängen, um offizielle Ansprechpartner zu werden.

Das Problem sehen wir sowohl bei Wikipedia als auch bei der deutschen Piratenpartei. So ist z.B. eine der zwei BetreiberInnen des "WGvdL"-Forums inzwischen Mitglied der Männer AG bei der Piratenpartei. Zwischen der Piratenpartei und Wikipedia gibt es Überschneidungen: beide sind vorwiegend internetaffin, jung und männlich. Bei Wikipedia heißt es immer: wir sind neutral, bei uns kann jede/r mitschreiben. Dass aber nur zehn Prozent der AutorInnen weiblich sind, stört sie nicht, sie lehnen auch jede Diskussion darüber ab. So ähnlich ist es auch in der Piratenpartei.

Hinzu kommt die Zensurdebatte, die die Piratenpartei ja sehr dominiert. Dieser Anti-Zensurgestus ist allerdings sehr nah am Anti-PC-Gestus angesiedelt. Es gibt oftmals auch um den Tabu-Bruch, der den Maskulisten die Türen öffnet. Die Piraten haben oftmals keine Ahnung von Emanzipationsbewegungen, viele haben ja schon aufgrund ihres jungen Alters ganz viele Diskussionen nicht mitgekriegt.

dieStandard.at: Gemäßigte Vertreter der Männerrechtsbewegung wie die Soziologen Gerhard Amendt und Walter Hollstein sind inzwischen fest im medialen Mainstream verankert. Ist die Debatte um die Geschlechterverhältnisse nach rechts gerückt?

Kemper: Exemplarisch sieht man das ja an der Vita von Walter Hollstein. Der kommt aus der linken Ecke und hat Ende der 1970er einige linke Bücher verfasst. Im Laufe seiner Karriere fand er sich mit seinen Ansichten allmählich in der Männerrechtsbewegung wieder. Das finde ich symptomatisch. Die Männerbewegung in Deutschland (nicht zu verwechseln mit der heutigen MännerRECHTSbewegung) hat in den 1970ern ja in der der linken Szene begonnen und war klar profeministisch. In den 1990ern hat sie sich dann stark differenziert, in die Väterrechtsbewegung, die Männerrechtsbewegung, usw. Gleichzeitig ist die profeministische Männerbewegung der Linken immer kleiner geworden. Heute existiert sie nicht mehr. Ein Fall wie der von Monika Ebeling (dieStandard.at berichtete) wäre in den 1980ern überhaupt nicht möglich gewesen.

Allerdings existiert noch die bürgerliche Männerbewegung mit ihrem "Bundesforum Männer", das geschlechterdemokratisch sein will und die großen Gewerkschaften und Kirchen mit im Boot hat. (Die Fragen stellte Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 5.6.2011)