Reinhold Mitterlehner und Christoph Leitl...

Foto: dieStandard.at

Christian Konrad....

Foto: dieStandard.at

...und Alexander Wrabetz:

Foto: Bettina Frenzel

"Lohnschere schließen! Lohnschere schließen!"

Foto: dieStandard.at

"So Herr Leitl: Vortreten! Sie haben gesagt, dass ihnen kein Betrieb untergekommen ist, in dem eine Angestellte weniger verdient, weil sie eine Frau ist. Ein anderes Fettnäpfchen: Sie fordern die Einführung eines verpflichtenden Sozialdienstes für Frauen und Männer. Dieser solle der Charakterformung dienen und jungen Menschen die Möglichkeit eröffnen, Erfahrungen im Sozial-, Pflege- und Krankenbereich zu sammeln. Als ob die Frauen diese Erfahrung nicht schon über Gebühr sammeln würden: 80 Prozent der Pflege kranker Menschen wird von Frauen erledigt. Ignoranz hat einen Namen." Nach der - via Megafon - geführten Ansprache eines Studenten am Dienstag vor dem Museumsquartier in Wien, entgegnen ihm rund 20 seiner Kolleginnen im Chor: "Lohnschere schließen - Lohnschere schließen".

Christoph Leitl, Präsident der Österreichischen Wirtschaftskammer, vertritt rund 360.000 Mitglieder. Er ist außerdem Nationalratsabgeordneter der ÖVP und besitzt eine Firma mit rund 150 MitarbeiterInnen. Für die Publizistik-StudentInnen steht Leitl für ein System, das maßgeblich an der Lohnschere mitverantwortlich ist.

Im Rahmen der Lehrveranstaltung "Praxisfeld feministische Medienkommunikation" entwickelten die StudentInnen die Kampagne "Über Geld spricht man!". "Dass wir uns gerade mit der Lohnschere beschäftigten, liegt daran, dass uns diese Diskriminierung am meisten aufregt", schildert Ina Fronius gegenüber dieStandard.at. Schließlich wurde die vorerst theoretisch angedachte Kampagne zu einer Straßenaktion.

Kaum politisches Thema

Fronius empört sich darüber, dass die Lohnschere im politischen Alltag zu wenig thematisiert wird. Immerhin ist - nach dem EU-Genderbericht 2010 - der Brutto-Stundenlohn eines Mannes in Österreich um 25,5 Prozent höher als jener von Frauen. Der Rechnungshof wies 2010 aus, dass diese Differenz beim Brutto-Jahreseinkommen 40 Prozent beträgt. "Es ist beschämend, dass ein hoch industrialisiertes und reiches Land wie Österreich solche Diskriminierung zulässt und laut dem Gender-Gap-Report bei Einkommensgerechtigkeit auf Platz 126 von 134 liegt".

Mitterlehner, Konrad und Wrabetz

"Sanktionen! Sanktionen!" rufen die StudentInnen im Chor Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner entgegen. Weil er im Rahmen der Gleichbehandlungsnovelle gemeinsam mit Gabriele Heinisch-Hosek keine Sanktionen für diskriminierende Unternehmen durchgesetzt hat, richtet sich die studentische Kritik unter anderem an ihn. Vortreten muss am Dienstag außerdem Christian Konrad. Die KommunikationswissenschaftlerInnen in spe haben herausgefunden, dass auf der Lohnliste des mächtigen Raiffeisen-Konzerns in Banken-, Lebensmittel-, Medien- und der Bau-Branche direkt und indirekt 165.000 Personen stehen.

Außerdem wird Alexander Wrabetz zur Gehaltsdiskriminierungs-Debatte zitiert. "Die Einkommensschere beim ORF ergibt sich dadurch, dass Frauen kaum Chance auf höhere Positionen haben und sie in den unteren Verwendungsgruppen des Kollektivvertrags arbeiten", wird über das Megafon den PassantInnen vor dem Museumsquartier mitgeteilt.

Symbolische Aushängeschilder

"Wir haben uns symbolische Aushängeschilder des patriarchalen Wirtschaftssystems gesucht, die wir mit unseren selbstgebastelten Einkommensscheren jagen. Die Frauenministerin allein kann die bestehenden Lohndiskrepanzen nicht beseitigen oder verbessern, sondern die Männer, die an den Hebeln der Macht sitzen, tragen wesentliche Verantwortung für diesen Missstand," erklärt Ina Fronius, Sprecherin von "Über Geld spricht man!".

Zwei Stunden lang gaben sie ihre Aktion zum Besten. PassantInnen zeigten kaum Interesse, nahmen zwar den Flyer der Kampagne entgegen, huschten aber eilig weiter. "Widerstand und Aktionismus sind immer schwierig, kann aber auch befriedigen, wenn man gegen eine Ungerechtigkeit kämpft", so Fronius, angesprochen auf das Desinteresse.

Aktives Einfordern

"Das Thema Lohnschere ist sehr vielschichtig. Wir können mit unserer Aktion nur einen Teil des komplexen Problems ansprechen," so die Studentin Johanna Pisecky. "Lohngerechtigkeit hängt nicht nur von den Menschen in der Wirtschaft und Politik ab, sondern muss von den Frauen selbst aktiv eingefordert werden." (Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at 23.6.2011)