Es ist vielleicht kein Zufall, dass ich meine letzte Rede im Hohen Haus zu einem Antrag halten darf, der eine bessere Versorgung unserer Bevölkerung mit Psychotherapie zum Ziel hat.

Immer wieder habe ich als Gesundheitsministerin die Selbstverwaltung der Krankenkassen aufgefordert, Psychotherapie vermehrt auch auf Krankenschein anzubieten, weil wir aus vielen Expertisen wissen, dass dieses Geld gut angelegt wäre. Der volkswirtschaftliche Nutzen durch Erhalt der Arbeitsfähigkeit übersteigt den Einsatz der Mittel um ein Vielfaches.

Es gibt viele Gesundheitsthemen, die mir ein Anliegen waren und sind, angefangen von der Gesundheitsförderung über die geschlechtergerechte Medizin bis hin zur Kindergesundheit, aber ich kann sie in der mir zur Verfügung stehenden Redezeit unmöglich alle ansprechen.

Aber lassen Sie mich noch kurz zu einem mir besonders wichtigen Thema etwas sagen.

Ich bin - als Mutter einer mit vier Jahren erblindeten Tochter, die uns heute auch auf der Galerie zuhört -1983 ins Parlament gekommen, mit meinem persönlichen Ziel, die Lebenssituationen behinderter Menschen in Österreich zu verbessern. Im Prinzip war mein damals oft heftig geführter Kampf das Aufbegehren gegen die sehr typische österreichische Mentalität „Das geht nicht, weil das haben wir noch nie so gemacht". Und letztendlich wurde der Anspruch „Geht nicht, gibt´s nicht" auch zu einem meiner politischen Prinzipien.

In den letzten 30 Jahren hat sich vieles zum Positiven verändert für behinderte Menschen in Österreich - zu verdanken vor allem auch persönlich betroffenen Menschen wie Franz Josef Huainigg oder Helene Jarmer, die selbst im Parlament mitarbeiten, aber auch Theresia Haidlmayer oder Herbert Haupt. Es gibt in der Zwischenzeit - Gott-sei-Dank - keinen Zweifel und es ist kein Thema mehr, dass auch Menschen mit schwersten Beeinträchtigungen Wichtiges und Wesentliches zum Wohle aller - auch in höchsten wirtschaftlichen , wissenschaftlichen und politischen Funktionen - beitragen.

Aber lassen wir uns nicht täuschen, es gibt noch viel zu tun, um tatsächliche Gleichstellung zu erreichen, um Menschen mit besonderen Bedürfnissen und besonderen Fähigkeiten in allen Lebensbereichen partnerschaftlich zu integrieren, zu fordern aber auch zu schützen. Und ich sage es mit Bitterkeit, dass es uns - und ich weiß mich da mit FJ Huainigg und vielen anderen einer Meinung - bis heute nicht gelungen ist, behinderte Kinder im vorgeburtlichen Stadium gleich zu behandeln. Es ist eine Schande für ein Land mit unserer Geschichte, dass wir im Jahr 2011 immer noch zwischen wertem und unwertem Leben unterscheiden, dass die Geburt eines behinderten Kindes von einem österreichischen Gericht als Schadensfall anerkannt wurde und dass die Tötung und Abtreibung eines behinderten Kindes bis zum Tage seiner Geburt erlaubt ist.

Das ist ein Thema, das in diesem Haus und in der österreichischen Politik generell seit Jahrzehnten tabuisiert wird und nicht angerührt werden darf - das ist die eigentliche Schande. Und - um nicht missverstanden zu werden - es geht nicht darum, die Fristenlösung in Frage zu stellen, es geht darum, die Fristenlösung auch für behinderte Föten gleichermaßen anzuwenden. Denn Kinder - egal ob behindert oder nicht behindert- sind keine Schadensfälle, sie sind ein Geschenk. Und gerade behinderte Kinder- und ich weiß, wovon ich spreche- sind eine unglaubliche Bereicherung. Sie zeigen uns, was wirklich wichtig ist im Leben! Ich möchte Sie daher alle hier in diesem Hause einladen und auffordern, ebenso wie der deutsche Bundestag, der sich in den letzten Monaten ernsthaft und intensiv mit der Frage der Präimplantationsdiagnostik auseinandergesetzt und gestern darüber abgestimmt hat, diesem Thema Raum zu geben, es in einer Enquete ernsthaft zu diskutieren mit ExpertInnen und Betroffenen, und dann in einer freien - nur dem eigenen Gewissen verpflichteten - Abstimmung darüber zu befinden.

Ich weiß im Moment selbst nicht, welche Entscheidung ich in den einzelnen Fragen treffen würde. Aber ich halte es für essentiell, dass sich der Gesetzgeber auch mit diesen heiklen Fragen auseinandersetzt und den berechtigten Anliegen aller Betroffenen Rechnung trägt. Ich weiß, dass dieses Thema auch meiner Fraktion nicht angenehm ist, aber ich musste es heute - vor meinem Ausscheiden aus diesem Haus - ansprechen und aussprechen, weil ich weiß, dass es vielen behinderten Menschen in unserem Land ein Anliegen ist.

Hildegard Burian, eines meiner großen Vorbilder, Gründerin u.a. des ersten Mutter-Kind-Heimes für ledige Mütter im Jahre 1915, erste christlich-soziale weibliche Abgeordnete in diesem Hause, die von ihren politischen Gegnern „das Gewissen des Parlaments" genannt wurde, hätte das auch getan. Und ich freue mich - im übrigen- und gratuliere den Schwestern der Caritas Socialis, dass der Seligsprechungsprozess ihrer Gründerin nunmehr positiv abgeschlossen ist. Hildegard Burian hat als Abgeordnete auch für die Rechte der Frauen gekämpft.

Der Kampf um Gleichstellung von Frauen hat auch mein politisches Leben entscheidend mitbestimmt.

Auch da ist uns Vieles gelungen - manchmal auch in fraktionsübergreifenden Initiativen - aber vieles bleibt noch zu tun. Und lassen wir uns nicht täuschen: rechtliche Gleichstellung ist wichtig, bedeutet aber noch lange nicht auch tatsächliche Gleichstellung. Und wenn Plätze und Ressourcen knapp werden, muss man sich Gerechtigkeit immer wieder neu erkämpfen. Ich bin daher im Laufe meines langen politischen Lebens von der Quotenskeptikerin zur überzeugten Quotenbefürworterin geworden. Die Quote mag nicht elegant sein, aber sie wirkt! Und das ist letztendlich das was zählt. Und Zielvorgabe für eine gerechte Quote zwischen Frauen und Männern kann wohl nur fünfzig Prozent sein, im besten Fall verpflichtend und versehen mit Sanktionen bei Nichteinhaltung..

Es gibt noch viele wichtige Fragen und Anliegen Frauen und Männer betreffend - der Schutz vor Gewalt, die gleiche Teilhabe der Männer an der Familienarbeit, beste Rahmenbedingungen für beide Geschlechter zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und anderes mehr. Initiativen sind ebenso wichtig wie Bewusstseinsbildung und ein wichtiges Signal ist dabei natürlich auch eine geschlechtergerechte Sprache.

Wissend, dass es in der Tat auch dringlichere Anliegen in der österreichischen Innenpolitik gibt aber auch mit der Überzeugung, dass Sprache wie kein anderes Medium Bewusstsein prägt, möchte ich daher einen Antrag einer überfraktionellen Fraueninitiative hier im Nationalrat zur Änderung der Österreichischen Bundeshymne einbringen. Es geht uns lediglich darum die beiden Wörter bist du gegen das Wort Töchter auszutauschen, sodass die jeweilige Zeile dann nicht mehr Heimat bist du großer Söhne sondern Heimat großer Töchter, Söhne heißen wird. Das sollte wohl kein größeres Problem darstellen und ich hoffe sehr, dass dieser Antrag in diesem Hause auch sachlich diskutiert und abgestimmt wird. Ich darf daher den Selbständigen Antrag der Abgeordneten Rauch-Kallat, Csörgits, Schwentner, Wurm, Schittenhelm, Oberhauser, Musiol und Silhavy betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Österreichische Bundeshymne geändert wird, einbringen.

Abschließend möchte ich mich sehr herzlich bei allen bedanken, mit denen ich in den letzten 28 Jahren konstruktiv politisch zusammenarbeiten durfte, aber auch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier in diesem Hause und in den Ministerien, die ich leiten durfte, und freue mich sehr, dass eine engagierte Frau aus der Tiroler Frauenbewegung, Gretl Patscheider, die uns auf der Galerie zuhört, sehr bald meine Arbeit in diesem Hause fortsetzen wird.

Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Sommer.