In "Super Zoom" investieren zwei afrikanische Künstlerinnen in Europa.

Foto: Super Zoom

Mmakgosi Kgabi hätte es gern, dass ihre Homosexualität selbstverständlich wird, etwas, worüber man gar nicht erst sprechen muss.

Foto: diestandard.at/Freudenschuß

Moyo über LGBT-Rechte: "Selbst wenn man der Ehe im Grunde gleichgültig gegenübersteht, gibt es eine Anzahl von damit verknüpften Rechten, die für alle gelten sollten".

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Bei einer Diskussionsveranstaltung zum Thema "Genderrollen in Afrika" in Wien ging es auch um den Fall Caster Semenya: "Erst die Weltöffentlichkeit hat die Transsexualität dieses Mädchens zu einem Problem gemacht," so Moyo.

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Awelani Lena Moyo stellt bei sich und ihrem Umfeld einen Clash zwischen dem verwestlichtem Selbst und den eigenen kulturellen Wurzeln fest.

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Wer hätte das gedacht, dem krisengeschüttelten Europa naht Hilfe von unerwarteter Seite: Wenn die beiden in Südafrika ansässigen Performerinnen Mmakgosi Kgabi (26) und Awelani Lena Moyo (26) am Donnerstag erstmals ihre Diamanten und Devisen im Dschungel Wien auspacken und Showtalente via Castings mit satten Geldgeschenken belohnen, dann brechen sie damit vor allem mit herkömmlichen Wahrnehmungsmustern. Mit ihren "Investments" verarbeiten die Künstlerinnen den dominanten Blick des Westens auf Afrika auf künstlerisch-spielerische Weise und verleugnen dabei auch nicht den kolonial-westlich geprägten Teil ihrer eigenen Identität. Ein Gespräch über Herkunft, Identität und das Problem des "Helfen-Wollens".

diestandard.at: Sie beide sind nicht in Südafrika geboren, leben aber in der Zwischenzeit dort. Was waren Ihre Gründe, nach Südafrika zu ziehen?

Mmakgosi Kgabi: Ich bin in Botswana geboren, meine Urgroßeltern stammen aus Südafrika. Sie gingen nach Botswana, als das Land fast wie eine südafrikanische Kolonie war. Als Botswana dann unabhängig wurde, kamen wiederum viele Flüchtlinge aus Südafrika, wo es ja die Apartheit gab. Darunter auch mein Vater, der Politiker in Südafrika war. Ich bin ohne meinen Vater aufgewachsen und habe ihn erst als 12-Jährige kennengelernt. Zum einen zog ich also nach Südafrika, um meinen Vater und diesen Teil der Familie näher kennenzulernen, zum anderen, weil ich Kunst und Film studieren wollte und die Kunstszene in Botswana nicht besonders groß ist.

Awelani Lena Moyo: Bei mir ist es wohl ähnlich in dem Sinn, dass die Landesgrenzen eher äußerlich existieren. Meine Familie hat über Generationen an den Grenzen zwischen Simbabwe und Südafrika gelebt, mein Vater kommt aus der Region Venda (in Südafrika), meine Mutter ist Shona (Simbabwe). In der Jugend meines Vaters war es noch kein Problem, die Grenzen zwischen Südafrika und Simbabwe zu überqueren, heute ist das sehr schwierig.

Mein Vater ging als junger Mann nach Simbabwe, weil die Lebensbedingungen zu jener Zeit besser dort waren als in Südafrika (lacht). Er heiratete meine Mutter und sie gründeten eine Familie. Später dann wurde mein Vater nach Johannesburg versetzt, das war 1999. Meine Mutter wollte in Johannesburg ihr LehrerInnen-Diplom abschließen und wir kamen alle mit. Rückblickend hat sich gezeigt, dass es der richtige Zeitpunkt war, das Land zu verlassen.
Zwei Jahre vor meinem Highschool-Abschluss wurde mein Vater wieder versetzt, dieses mal nach Sambia. Ich blieb in Südafrika und besuchte dann anschließend die Rhodes-Universität. Mit Simbabwe verbindet uns nicht mehr viel. Ich habe zwar noch Verwandte dort, fühle mich aber nicht mehr wirklich beheimatet. Ich besitze keinen südafrikanischen Pass und in Simbabwe werde ich auch nicht mehr für eine von ihnen gehalten.

diestandard.at: Müssen Sie in Südafrika leben, um die Kunst zu machen, die Sie wollen?

Moyo: Es gibt in Simbabwe schon ein internationales Kunstfestival in Harare, aber abgesehen davon passiert nicht viel. An den Akademien gibt es z.B. keine Performance-Ausbildung, wie wir sie gemacht haben. In Südafrika kann man dagegen bereits in der High School Schauspielunterricht nehmen.

Kgabi: In Botswana sieht es ähnlich aus. Dort glauben viele, dass Leute wie ich Sketche aufführen und als Clowns gebucht werden können. Man kann mir natürlich vorwerfen, dass ich wie so viele weggegangen bin, statt dort eine eigene Akademie aufzubauen. Andererseits wird es einer auch nicht leicht gemacht, dort hin zurückzukehren.

Moyo: Es hängt aber auch davon ab, was man macht. Ich kenne viele Leute in Simbabwe, die sich künstlerisch mit den sozialen Verhältnissen vor Ort auseinandersetzen. Einige haben finanzielle Probleme, aber es ist ihnen eben wichtig, Teil einer sozialen Stimme in Simbabwe zu sein. Manche bekommen dafür auch Hilfe von außerhalb.

diestandard.at: In Südafrika ist seit kurzem die Heirat von homosexuellen Paaren erlaubt. Heißt das, dass Lesben und Schwule tatsächlich gesellschaftlichen anerkannt sind?

Kgabi: Nein. Die Homosexuellen-Ehe ändert nichts an der fehlenden Akzeptanz. In den Townships muss man vor allem die Körpersprache der Leute verstehen. Als Lesbe oder Schwuler ist man dort vielen Belästigungen ausgesetzt, es gibt viele Vorurteile. Auf der Straße kann man fühlen, dass man nachts nicht allein unterwegs sein sollte.
Aber auch in den gebildeteren, wohlhabenderen Teilen der Gesellschaft gibt es Anfeindungen. Ein Schauspiel-Kollege an einem großen Theater erklärte mir z.B. erst kürzlich, dass ich gar nicht lesbisch sei, sondern nur Bekanntschaft mit seinem wunderbaren Penis machen müsste. Man hört auch oft: 'Aber du siehst ja gar nicht wie eine Lesbe aus', oder 'Lesben wollen wie Männer sein'.

diestandard.at: Homosexualität ist ja in vielen afrikanischen Ländern verboten. In Uganda gab es erst vor kurzem einen Gesetzesvorschlag, der Homosexualität unter die Todesstrafe stellen wollte, was im Westen für große Empörung gesorgt hat. Was glauben Sie, wie man Homosexuelle in diesen Ländern am besten unterstützen könnte?

Kgabi: Mit Sanktionen gegen ein Land trifft man ja leider die Bevölkerung zu allererst und nicht die Regierung, die für solche Gesetze verantwortlich ist. Ich denke, mehr Dialog wäre nötig. Es wird immer so ein Problem um Homosexualität gemacht. Warum nehmen wir Homosexualität nicht als etwas selbstverständliches, das wäre doch ein Schritt in die richtige Richtung. Wir haben doch wirklich größere Probleme in der Welt.

diestandard.at: Kommen wir zu Ihrer künstlerischen Arbeit. Sie beide haben ja bereits 2008 bei einem anderen Stück, 'Composition Z' zusammengearbeitet.

Moyo: Das war meine Abschlussarbeit auf der Uni. Zentral war hier meine eigene Migrationsgeschichte und wie sich Identität durch diese Bewegung und Unsicherheit verändert und reformuliert. Die Leute nehmen ja immer an, dass ich als Schwarze eine eindeutige, kulturelle Identität habe. Wie ich aber schon erwähnt habe, kommen meine Eltern beide aus unterschiedlichen Kulturen und auch aus unterschiedlichen Ländern. Ich spreche weder die Sprache meiner Mutter, noch die meines Vaters, weil ich immer dazu angehalten wurde, Englisch zu sprechen. Mein ganzes Umfeld hat ein westliches System angestrebt.

In 'Composition Z' geht es aber auch um weibliche Identität. In der Kultur der Wenda gibt es einen weiblichen Initiationsritus. Mädchen, die zum ersten Mal die Periode kommen, verlassen das Dorf und verbringen ein paar Wochen mit älteren Frauen aus der Gemeinschaft, die ihnen beibringen, was es heißt eine Frau zu sein und wie man sich zu pflegen hat und wie Sexualität funktioniert. Am Ende gibt es eine Feier und die neuen Frauen werden der Gemeinschaft präsentiert.

Für mich als Künstlerin sind diese Bräuche interessant, weil ich selbst Afrikanerin bin, aber mit diesen Riten nicht wirklich in Berührung gekommen bin. Meine Eltern sind beides Geistliche und haben einen christlich-kolonialen Blick auf diese Dinge. All diese Bräuche und Riten lehnen sie als primitiv und nicht zeitgemäß ab. Erst an der Kunstuniversität fing ich wieder an mich dafür zu interessieren.

Der Studienabschluss war auch eine Art Initiation in dem Sinn, dass ich herausgefunden habe, wer ich als Künstlerin bin. Ich habe mit der Performance also eine Verbindung geschlossen zwischen dem Recht eine Frau zu werden und dem Recht eine Künstlerin zu werden.

diestandard.at: In der neuen Performance 'Super Zoom', die Sie jetzt in Wien präsentieren, geht es darum, dass Sie nach Europa kommen, um hier zu investieren. Damit brechen Sie mit der allgemeinen Annahme, dass üblicherweise industrialisierte Länder im verarmten Afrika investieren. Was ist an dieser Annahme falsch?

Kgabi: Ich finde es problematisch, dass Menschen Geld gegeben wird, ohne sich vorher darüber im Klaren zu sein, was diese Menschen eigentlich für Hilfe benötigen würden. Wenn ich jemandem 1000 Euro in die Hand gebe, dann wird sich diese Person sehr schnell an dieses Geld gewöhnen, obwohl sie vorher in der Lage war, mit 100 Euro auszukommen. Nach einem halben Jahr muss diese Person aber wieder mit 100 Euro auskommen, weil der/die HelferIn ja schon wieder weg ist. Oder ich unterrichte Menschen im entlegendsten Dorf für zwei Monate auf europäischem Standard, was bringt ihnen das, außer, dass sie aus ihrer Gemeinschaft herausgerissen werden und ihr Überlebenssystem aus den Augen verlieren? Die GeberInnen fühlen sich vielleicht gut, weil sie dem armen Afrikaner geholfen und ihr schlechtes Gewissen beruhigt haben, aber eine langfristige Perspektive bringt das den Leuten dort nicht. Das ist das Problem beim 'Helfen kommen', dass die Leute nicht verstehen, was die Menschen vor Ort wirklich brauchen würden, um ihre Situation nachhaltig zu verändern.

Moyo: Für viele ist das Spenden in einem fernen Land eine leichte Möglichkeit, die Ungleichheit in der eigenen Umgebung nicht wahrhaben zu müssen. Wir wollen die Ethik hinter diesen Investments zu hinterfragen: Sind sie nachhaltig und mit welcher Motivation werden sie betrieben?

diestandard.at: Super Zoom bedeutet ja, dass man sehr nah an ein Objekt herankommt, das man fotografieren oder beobachten will. Was sehen Sie, wenn Sie den Super Zoom auf Europa werfen?

Kgabi: Wir haben ja noch nicht viel von Europa gesehen. Genauso wie die Leute, die vielleicht in Kapstadt auf Reisen waren und glauben, den ganzen Kontinent Afrika zu kennen. Ich bin jetzt hier in Wien und fühle mich willkommen, aber wie würde es in Hamburg oder Amsterdam sein?

Moyo: Mir geht es in erster Linie darum, die Blicke zu drehen. Lang war es ja so, dass der Westen auf den Rest der Welt blickte. Diejenigen, die blicken, haben aber immer die Kontrolle. Mir geht es also darum, diese Machtposition umzudrehen und zu sagen: wir sind hier hergekommen, um euch zu betrachten. Schließlich geht es uns auch darum, Verallgemeinerungen im Prozess der Wahrnehmung aufzuzeigen. Wir können nicht Schlüsse über das gesamte Europa ziehen.

Beim Zoomen schaut man wie durch einen Vergrößerungsspiegel und die ganzen Unebenheiten eines Gesichts werden sichtbar. Es gibt keinen perfekten Weg, ein Land oder ein Leben zu führen.

diestandard.at: Sehen Sie sich selbst als Repräsentantinnen einer afrikanischen Kunstszene?

Kgabi: Nein, ich will einfach nur für mich und meine Arbeit stehen. Länder, Grenzen und Visa interessieren mich nicht.

Moyo: Diese Frage würde ich auch mit Nein beantworten, aber ich sehe mich schon als eine Person, die ihrem Land auch etwas zurückgeben will. Derzeit mache ich ja meinen PhD in Großbritannien und wir haben das Problem, dass kaum AkademikerInnen mit Auslandserfahrungen zurück in ihre afrikanische Heimat gehen. Ich will in der Welt herumkommen und meine Erfahrungen machen, aber ich möchte auch eines Tages zurückgehen und das Land, aus dem ich komme, mit meiner Arbeit bereichern.

Kgabi: Schön, wie sich hier der Kreis schließt. Ich möchte ja auf keinen Fall zurück nach Botswana gehen. (dieStandard.at, 18.8.2011)