Negar Roubani bei der Homosexuellen-Parade am Wiener Ring.

Foto: Oriental Queer Organization Austria

"Würde ich meine Homosexualität im Iran leben, gäbe es keine Sekunde, in der ich nicht Angst um mein Leben hätte", gibt Pedram Bashooki zu verstehen. "Jedes Treffen mit einem anderen Mann, und vor allem jeder körperliche Austausch mit ihm, könnte mein Todesurteil bedeuten". Bashookis Eltern sind drei Jahre vor der iranischen Revolution 1979 geflohen. Schwule werden im Iran von Staatswegen verfolgt, ihr Leben endet oft durch eine öffentliche Hinrichtung. Laut Amnesty International wurden im Iran seit 1979 mehr als 4000 Schwule getötet. Lesbische Frauen hingegen werden von ihren Familien und der Gesellschaft verstoßen, verlieren ihre Arbeits- oder Studienplätze und müssen oft auch vor der Gewalt in ihren Familien flüchten.

Der Iran ist aber nicht das einzige Land, in dem Homosexualität Verfolgung, Folter und Ächtung bedeutet. In Mauretanien, Nigeria, im Sudan oder Saudi Arabien steht die Todesstrafe für Homosexualität im Gesetz festgeschrieben, Strafarbeit etwa in Angola oder Malawi und unterschiedlich lange Gefängnisstrafen im Oman, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Libyen, Indonesien, Pakistan - um nur einige Länder zu nennen, in denen sie als "Perverse", "Kranke" oder "Sünder" benannt werden. Weltweit sind es 85 Staaten, in denen Homosexuelle verfolgt werden. Begeben sich diese Menschen auf die Flucht, beginnt der nächste Spießrutenlauf.

Homophobe Gewalt auf der Flucht

IranerInnen und IrakerInnen flüchten meist mit Schleppern in die Türkei. Nach dem ersten Interview bei UNHCR erhalten sie, sofern ihnen geglaubt wird, den LGBTIQ*-Flüchtlingsstatus. Ab nun gilt es, bis zu zwei Jahre in der Türkei auf ein Einreisevisum beispielsweise nach Österreich zu warten. Die Probleme nehmen aber für die Geflohenen kein Ende: Auch dort sind Homo- und Transsexuelle der Gewalt von Polizei- und Staatsgewalt sowie von ZivilistInnen ausgesetzt. Aufgrund des Arbeitsverbots landen LGBTIQ-Flüchtlinge oftmals in der Prostitution, denn die von der UNO monatlich ausgehändigten (umgerechnet) 70 Euro reichen nicht zum Leben.

Da ihr Fluchtgrund ihre sexuelle Orientierung ist, kann dieser "Status" von nun an nicht verheimlicht werden. Die Austro-Iranerin Negar Roubani erklärt, dass die Flüchtlinge nicht in Großstädten bleiben können, sondern in kleine Orte - wo sie erneuten Ressentiments und Homophobie ausgesetzt sind - abgeschoben werden. "Sie werden wie Aussätzige, mit denen keiner etwas zu tun haben will, behandelt. Ihr Martyrium geht hier leider weiter". 2010 hat Roubani die Organisation Oriental Queer Organization Austria (ORQOA) gegründet.

Informationen und Kontakt über Facebook

Ursprünglich hatte die Organisation das Ziel, die migrantisch-orientalische LGBTIQ-Community in Österreich zu unterstützen, Diskriminierung abzubauen und zu bekämpfen. "Inzwischen hat sich der Verein zu einer Anlaufstelle für Menschen entwickelt, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung im Herkunftsland verfolgt werden", erzählt sie. "Es hat sich schnell herumgesprochen, dass es uns gibt. Hilfesuchende nehmen schon aus ihren Herkunftsländern via Facebook, Email oder auch per Telefon Kontakt zu uns auf, vor allem aber wenn sie in der Türkei gelandet sind."

Es sind weltweit - laut der Menschenrechtsorganisation International Lesbian and Gay Association (ILGA) - lediglich 15 Länder, die homosexuellen Personen Asyl gewähren. Zirka vier Fünftel aller von erzwungener Migration betroffenen Personen bleiben in ihren Herkunftsregionen. Dennoch gestaltet sich der Zugang zu Asyl in Europa als immer schwieriger. Umso erstaunlicher, dass in Österreich - im Asylwesen bisher nicht gerade durch Humanität aufgefallen - die Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung als Asylgrund gelten kann.

Homosexualität als "bestimmte Gruppe"

Grundsätzlich wird Homosexualität in der Genfer-Flüchtlingskonvention nicht als Asyl-Grund angeführt. Jeder Asylantrag in Österreich, erklärt die Sprecherin des Innenministeriums Sonja Jell, beruht auf einer Einzelfallprüfung des Antrags auf internationalen Schutz des "Fremden" - so werden Menschen im Asylgesetz bezeichnet. "Ergibt die Prüfung, dass jemand aufgrund seiner sexuellen Orientierung im Heimatland verfolgt wird, könnte diese Person aufgrund der Zugehörigkeit zu dieser 'bestimmten Gruppe', wie sie in der Genfer-Flüchtlingskonvention genannt wird, Asyl bekommen". Wie viele LGBTIQ-Flüchtlinge in Österreich Asyl bekommen, kann Jell nicht sagen. Der Schutz der Privatsphäre, dabei beruft sich Jell auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, verhindert die statistische Erhebung von Fluchtgründen respektive die öffentliche Bekanntgabe.

Ob es nun fünf oder 100 LGBTIQ-Flüchtlinge in Österreich pro Jahr sind: Der Gassenlauf geht weiter. Negar Roubani schildert einen ihrer jüngsten Fälle: ORQOA hat vor einem halben Jahr von einem schwulen irakischen Flüchtling erfahren, dem in seinem Herkunftsland eine Haftstrafe drohte. Als er in Österreich ankam, wurde er für drei Monate in Schubhaft gesteckt. Sein Dasein fristet er seither in Tirol, wo es im Vergleich zu Wien wenige Hilfsangebote und Vernetzungsmöglichkeiten für homosexuelle Flüchtlinge gibt, beklagt Roubani. Die Zentralisierung der LGBTIQ-Flüchtlinge in Wien ist daher ein zentrales Anliegen von ORQOA. "Die Menschen, mit denen wir zu tun haben, sind schwer traumatisiert. Die Hälfte unserer KlientInnen haben Selbstmordversuche hinter sich. Wenn sie in Wien leben könnten, wäre es besser für sie und für uns", stellt Roubani fest.

"Yasar muss bleiben"

Inzwischen hat sich ORQOA mit anderen NGOs und Organisationen wie TransX, Lila-Tipp, Grüne-Andersrum und Asyl-in-Not zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, um diesen Flüchtlingen bestmögliche und schnelle Hilfe anbieten zu können. Das Team setzt sich aus PsychologInnen, JuristInnen, DolmetscherInnen und AktivistInnen zusammen. "Bei diesem Zusammenschluss ging es nicht darum, das Rad neu zu erfinden, sondern unsere Ressourcen und unser ExpertInnenwissen als loses Netzwerk zu bündeln", erzählt die Österreicherin mit iranischen Wurzeln. Die Initiative "Yasar muss bleiben" (dieStandard.at berichtete) geht auf den Aktivismus dieses Netzwerks zurück.

Sexologisches Gutachten

Eine Schikane für LGBTIQ-Flüchtlinge stellt das Gutachten über deren Glaubwürdigkeit dar. Für RichterInnen des Asylgerichtshofs gilt dieses Gutachten als Entscheidungskriterium, wenn es um einen positiven oder negativen Asylbescheid geht, erklärt Roubani. Es handelt sich dabei um ein sexologisches Gutachten, bei dem "Flüchtlinge Fragen, die bis in das intimste und privateste Detail gehen, beantworten müssen. Für traumatisierte Menschen ist das eine unglaubliche Tortur." Sonja Jell vom Innenministerium hingegen dementiert dieses Gutachten und betont, dass sich die MitarbeiterInnen des Bundesasylamts auf die Glaubwürdigkeit homosexueller Flüchtlinge stützen. Roubani wendet ein, sexologische Gutachten würden "nicht gerichtlich angeordnet, sind allerdings zum Usus geworden und gelten als Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit der homosexuellen AsylwerberInnen".

"Ich bin schwul - Ich bin lesbisch"

Liegt eine Unglaubwürdigkeit über die sexuelle Orientierung des Flüchtlings vor, werden diese Gutachten unter anderem von Johannes Wahala, Sexualtherapeut und Leiter der Beratungsstelle Courage, erstellt. In einem Gespräch mit der deutschen "Zeit" schildert er, wie schwierig es für verfolgte Homosexuelle ist, zu ihrer Homosexualität zu stehen und Selbstbewusstsein zu erlangen. Galt Homosexualität bisher als Todesurteil, kann sie nun deren Freiheit bedeuten. Auch Roubani weiß davon zu berichten. "Es ist eine enorme Hürde 'Ich bin schwul' oder 'Ich bin lesbisch' zu sagen, nachdem das ständig verleugnet werden musste. Aber darum geht es bei dem Gutachten."

"Ausländer und Schwul"

Erhalten Lesben oder Schwule in Österreich Asyl, können sie sich jedoch weiterhin nicht in Sicherheit wiegen. Pedram Bashooki, selbst kein Flüchtling aber mit den Stigmata "Ausländer und schwul" versehen, kann viele Geschichten über Anfeindungen gegen ihn erzählen. "Das begann schon in der Schule. Heute finden die Beschimpfungen gegen mich auf der Straße statt," erzählt er mit ruhiger Stimme. "Ein Moment, der sich leider wiederholt ist jener: Ich sitze in der Straßenbahn und fahre an den hasserfüllten Werbeplakaten der FPÖ vorbei. Zeitgleich sitzen mir Jugendliche gegenüber, die sich gegenseitig mit dem Wort 'schwul' beschimpfen. Toller Tag, denk' ich mir dann." (Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at 21.8.2011)