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Die österreichische Autorin Marlene Streeruwitz ist mit ihrem vor wenigen Tagen erschienen Roman "Die Schmerzmacherin" auf der sechs Titel umfassenden Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2011.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Wien- "Wenn Sie mich fragen ... dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, die ganze Sache mit den Frauen und der Frage, wie sie leben sollen, ganz neu aufzurollen." Was Marlene Streeruwitz in der Tageszeitung "Der Standard" zum Muttertag 2011 festgehalten hat, gilt für die österreichische Autorin eigentlich immer und überall: Solange es Ungleichheit gibt, gibt es keinen falschen Zeitpunkt, darauf hinzuweisen. "Das wird mir alles nicht passieren... Wie bleibe ich Feministin." hieß im Vorjahr eine Sammlung alltäglichen, archetypischen Scheiterns. Und auch Amy Schreiber, die Hauptfigur ihres jüngsten Romans "Die Schmerzmacherin.", kämpft vergeblich um den von ihr angestrebten Platz in Wirtschaft und Gesellschaft. Mit "Die Schmerzmacherin." ist Streeruwitz nun für den Deutschen Buchpreis nominiert.

Vielfache Preisträgerin

Das Ritual der Live-Preisvergabe, an der alle sechs Nominierten teilnehmen, verspricht am 10. Oktober in Frankfurt/Main also spannend zu werden. Die 61-jährige Autorin wurde für ihr Werk bereits vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Peter-Rosegger-Literaturpreis (2008) und dem Droste-Literaturpreis der Stadt Meersburg (2009). "Mit energischer Beharrlichkeit vor allem die Interessen der Frauen verfechtend, entwirft sie mit großer analytischer Kompetenz und mit souveräner Sprechkraft Figuren- und Handlungsmodelle des zeitgenössischen Lebens", hieß es damals zur Begründung.

Pointierte Kommentatorin

Dies unternimmt Streeruwitz nicht nur als Dramatikerin, Prosa- und Hörspiel-Autorin, sondern auch in Reden und Zeitungsartikeln als pointierte Kommentatorin des politischen und gesellschaftlichen Geschehens. Sie war eine der prominentesten Gegnerinnen der schwarz-blauen Regierung, Eröffnungsrednerin der "Diagonale" 2004 und sorgte 2009 mit ihrer Kritik an den Salzburger Festspielen ("eine elitäre, reaktionäre Einrichtung") für Aufsehen.

Marlene Streeruwitz wurde am 28. Juni 1950 in Baden bei Wien geboren, studierte Slawistik und Kunstgeschichte, arbeitete als Journalistin bei einer Öko-Zeitschrift ("Natur ums Dorf") und für Aktionen der Landschaftswiederherstellung. Ab 1986 trat sie mit literarischen Veröffentlichungen und als Verfasserin von Hörspielen in Erscheinung.

Arrivierte Theaterautorin

Die Uraufführungen von "Sloane Square." und "Waikiki-Beach." am Kölner Schauspielhaus brachten ihr 1992 den Titel "Nachwuchsautorin des Jahres" der Zeitschrift "Theater heute" ein. Ihre Stücke sind ein souveränes, freies Spiel mit Zitaten, Figuren und Situationen quer durch Welt- und Literaturgeschichte. "New York. New York.", "Elysian Park.", "Ocean Drive.", "Bagnacavallo." und andere Stücke sind gleichzeitig aber auch eine Herausforderung für herkömmliches Theaterverständnis und traditionelle Bühnenregie.

In den 90er Jahren betätigte sich Streeruwitz am Schauspielhaus Wien (u.a. bei "Die Donau" von Maria Irene Fornes) und am Schauspiel Köln auch selbst als Regisseurin, später vor allem als Hörspielregisseurin. Im Film "Hotel" von Jessica Hausner hatte Streeruwitz auch einen Filmauftritt als strenge Hoteldirektorin.

Erster Roman "Verführungen"

1996 erschien ihr erster Roman "Verführungen.", der ihr den Mara-Cassens-Preis einbrachte. In der für sie typischen, schmucklosen, stakkatoartigen Sprache erzählt sie darin die Geschichte einer allein erziehenden 30-jährigen Frau, die sich mit wechselndem Erfolg durch den Alltag kämpft. Im Jahr darauf folgte "Lisa's Liebe", ein dreibändiger "literarischer Groschenroman" über eine Frau auf der Suche nach der großen Liebe.

Streeruwitz widmete sich in der Folge zunehmend dem Prosa-Schreiben - u.a. erschienen der Roman "Nachwelt." (1999), die Erzählung "Majakowskiring." (2000) und die Romane "Partygirl." (2002) und "Jessica, 30." (2004). Der Roman "Entfernung." (2006), in dem eine Wiener Festival-Dramaturgin in London Zeugin eines Terror-Anschlags wird, kommt am 15. Oktober in einer Dramatisierung auf die Bühne des Wiener Schauspielhauses. In "Kreuzungen." (2008) lieferte sie eine sarkastische Spiegelung von übersteigertem Macht- und Männlichkeitswahn, bei der das neurotische Innenleben eines superreichen Geschäftsmannes nach außen gestülpt wird.

"Riesige Sicherheitsindustrie"

In "Die Schmerzmacherin." (wie stets mit einem Punkt am Ende des Titels) absolviert eine junge Frau eine Ausbildung zur Angestellten eines internationalen Sicherheitsunternehmens, wird aber mit beinharten Trainings und undurchschaubaren Vorgängen konfrontiert, denen sie sich nicht gewachsen fühlt. Marlene Streeruwitz hat für ihr Buch intensive Recherchen unternommen, die auf ihrer Homepage zusammengetragene Link-Liste scheint schier endlos.

"Das ist ein Bereich, der über die Irak-Kriege, das Auslagern und die Sparmaßnahmen des postkapitalistischen des Staates zu unglaublicher Größe angewachsen ist. Das ist eine Riesen-Industrie", sagte die Autorin kürzlich in einem Ö1-Interview. Es seien derzeit weltweit zwischen 300.000 und 500.000 Menschen in Ausbildung: "Das ist eine Parallelwelt, die sich uns nicht oft zeigt - außer wir brauchen einen Bodyguard."(APA)