Wien - Vor 15 Jahren wurde das Gewaltschutzgesetz beschlossen. Anlass, die Maßnahmen, die seitdem gesetzt wurden, am Montag Revue passieren zu lassen. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer hat deshalb Vertreterinnen von Gewaltschutzeinrichtungen ins Parlament eingeladen.

65.805 Betretungsverbote

Mit dem Gewaltschutzgesetz 1996 war die Bekämpfung häuslicher Gewalt nicht mehr private Angelegenheit, sondern wurde Aufgabe der öffentlichen Sicherheit. Seit 1. Mai 1997 bis Ende 2010 wurden in Österreich 65.805 polizeiliche Wegweisungen und Betretungsverbote verhängt, allein im Vorjahr waren es 6.759.

"Das zeigt einerseits die große Dimension von häuslicher Gewalt und andererseits das inzwischen schon routinierte Vorgehen der Exekutive auf", so Maria Schwarz-Schlöglmann, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums OÖ. "Die Betretungsverbote werden von der Polizei an die Gewaltschutzzentren übermittelt und ermöglichen deren aktive Kontaktaufnahme zu den gefährdeten Personen. Die Kooperation zwischen der Polizei und den Gewaltschutzzentren ist inzwischen nicht mehr wegzudenken und es gibt nach wie vor eine Reihe von Schulungen und Fortbildungen zum Thema."

Mehr weibliche Tote im sozialen Nahbereich als im Krieg

Frauenministerin  Gabriele Heinisch-Hosek meinte, dass seit 1996 viel passiert sei. Jetzt müsse weiter an Gewaltprävention und flächendeckender Beratung gearbeitet werden. "Es ist egal, wo eine Frau lebt, sie muss zu einer Stelle kommen können, wenn sie Hilfe braucht", bekräftigte die Ministerin. Weltweit kommen noch immer mehr Frauen zwischen 16 und 45 Jahren durch Gewalt im sozialen Nahbereich ums Leben als durch Terrorismus und Kriege. "In diesem Bereich, glauben Frauen und Kinder oftmals, dass sie sich in einem geborgenen Raum befinden", unterstrich Heinisch-Hosek. 

Zahl der Gewaltopfer verdreifacht

In Österreich nahm man vor 15 Jahren mit dem Gewaltschutzgesetz eine Vorreiterrolle ein. Zum ersten Mal mussten nicht Frauen die Flucht ergreifen, sondern konnten Täter weggewiesen werden. Seither sind viele Länder diesem Vorbild gefolgt. Trotz der erfolgreichen Maßnahmen hat sich jedoch die Zahl der dokumentierten betreuten Gewaltopfer allein in den letzten 10 Jahren verdreifacht. Das zeige aber auch, dass Frauen besser über ihre gesetzlichen Möglichkeiten Bescheid wissen und verstärkt handeln, wenn sie Gewaltopfer werden.

"Diese Zahlen verdeutlichen, dass Opferschutz in Österreich kein leeres Wort ist und Hilfsangebote auch wahrgenommen werden", so Heinisch-Hosek. Für diese Frauen sei besonders wichtig, "die Chance, sich aus Gewalt-Beziehungen hinaus zu bewegen", zu bekommen. 

Ausbau ist Devise

Um das gute Niveau des Gewaltschutzes in Österreich noch weiter auszubauen, werden mehrere Akzente gesetzt: Das Budget für Interventionsstellen wurde aufgestockt und es wird verstärkt in Prävention investiert. Beispielsweise wurde, um bessere Daten zu bekommen, eine Studie zu Hoch-Risiko-Opfern in Auftrag gegeben, in der Risikofaktoren von Gewaltopfern, wie etwa demographische oder soziologische Merkmale, herausgearbeitet werden sollen. Ausstellungen wie "Hinter der Fassade" sollen das Bewusstsein stärken und Vorlesungen, wie sie etwa an der Medizinischen Universität Wien stattfinden, sollen Ärzte und Ärztinnen dazu ausbilden, Gewaltopfer besser zu erkennen.

Wie wichtig Prävention und eine bessere Datenlage sind, betonte auch SPÖ-Frauensprecherin Gisela Wurm. Besonders Anzeige- und Verurteilungsstatistiken wären hilfreich. "Der Opferschutz könnte verbessert werden, indem gewalttätig gewordene Männer verpflichtend ein Antigewalttraining absolvieren müssen", bekräftigte Wurm. Heinisch-Hosek, Wurm und Barbara Prammer bedankten sich bei allen, die im Gewaltschutz tätig sind, von Interventionsstellen bis hin zur Polizei. "Die Gewaltschutzzentren leisten wichtige Arbeit", so Prammer. Ohne sie wäre die Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes nicht möglich.

90 Prozent der Betroffenen Frauen

1996 wurde im österreichischen Nationalrat das Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie (GSchG) verabschiedet, das mit den polizeilichen Instrumenten der Wegweisung und des Betretungsverbotes sowie gerichtlichen einstweiligen Verfügungen häusliche Gewalt wirksam eindämmen hilft.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes im Mai 1997 wurden in den Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen bereits 120.000 Gewaltopfer beraten und unterstützt, über 90 Prozent davon sind Frauen. 2009 wurde im Parlament nach enger Zusammenarbeit mit der Exekutive, der Justiz und den NGOs das Zweite Gewaltschutzgesetz beschlossen. Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen haben in den letzten 15 Jahren Qualitätsstandards entwickelt, die sie nicht nur als spezialisierte Einrichtungen für den Gewaltschutz ausweisen, sondern die auch in Europa Vorbildwirkung haben.

Die finanzierenden Ministerien (Innen-, Frauen- und Justizressort) investieren hier nachhaltig in Gewaltprävention und Opferschutz und bauen damit weiteren beträchtlichen gesellschaftlichen Folgekosten von Gewalt vor. In Anbetracht dieser Entwicklung im Gewaltschutzbereich spricht Prammer von einer" Erfolgsgeschichte".

Weiterentwicklung von Gesetzen

Auch im Bereich der Justiz gab es immer mehr Anknüpfungspunkte und Fortschritte in der Zusammenarbeit. Vor allem wurden auch im Strafrecht und Strafprozessrecht erhebliche gesetzliche Neuerungen durchgeführt, zum einen durch Erweiterung von Straftatbeständen, z.B. wurde 2006 mit dem neuen Straftatbestand "Beharrliche Verfolgung" ein wirksames Anti-Stalking-Gesetz geschaffen.
2006 wurde auch die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung als Anspruch für Gewaltopfer in der StPO normiert - ein ganz zentrales Opferrecht, deren Finanzierung das Bundesministerium für Justiz übernahm. 2010 haben alleine die Gewaltschutzzentren Österreichs in 2.834 Verfahren für 2.530 Personen psychosoziale und juristische Prozessbegleitung geleistet.

Seit Juni 2009 ist das zweite Gewaltschutzgesetz in Kraft, mit dem der Opferschutz weiter ausgebaut wird. Zentrale Punkte dabei sind: Verlängerung von Fristen bei Betretungsverboten und gerichtlichen Verfügungen, ein neuer Straftatbestand "Fortgesetzte Gewaltausübung" und Ausdehnung der psychosozialen Prozessbegleitung auf das Zivilverfahren.

Eine erst Ende Juli 2011 im Parlament beschlossene Bestimmung im Kranken- und Kuranstaltengesetz (KAKuG) fand auf Anregung der Gewaltschutzzentren Eingang in die Gesetzgebung. Sie sieht neben den bereits in den Krankenhäusern bestehenden Kinderschutzgruppen Opferschutzgruppen für volljährige Betroffene häuslicher Gewalt vor. Diesen obliegen insbesondere die Früherkennung von häuslicher Gewalt und die Sensibilisierung der in Betracht kommenden Berufsgruppen für häusliche Gewalt. (red)