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UTA RANKE-HEINEMANN (83) war die erste Frau der Welt, die einen Lehrstuhl für katholische Theologie erhielt (1970). 1987 verlor sie ihn, weil sie an der Jungfrauengeburt Jesu zweifelte. 1953/54 war sie in München Studienkollegin von Joseph Ratzinger.

Foto: AP/Roland Weihrauch

STANDARD: Sie haben einmal gesagt: "Das einzige, das ich am Papst gut finde: Er raucht nicht und erzählt keine schmutzigen Witze." Das ist nicht viel Positives über den Stellvertreter Gottes auf Erden.

Ranke-Heinemann: Es ist sogar zu viel Positives, denn ich hatte es bezüglich seines Vorgängers Johannes Paul II. gesagt, der bei all seiner Sexualfeindlichkeit nie eine vulgäre Sprache redete, schon das Wort "Kondom" geschweige denn das Wort "männliche Prostituierte" nicht einmal in den Mund nahm. Papst Benedikt hingegen hat Jesu Frohbotschaft in den Schmutz gezogen. In seinem Buch "Licht der Welt" vom Jahr 2010 erlaubt er zwar erstmalig Kondome, aber nur für "männliche Prostituierte". Er hat damit Jesu Botschaft zur Bordellfrohbotschaft gemacht. Der nichtprostituierten verheirateten Restbevölkerung predigt er das ewige Höllenfeuer bei Kondombenutzung

STANDARD: Sie haben sich schon immer kritisch zu vielen kirchlichen Positionen geäußert - etwa zur Frauen- und Sexualfeindlichkeit. Die Lehrtätigkeit wurde Ihnen erst entzogen, als sie die Jungfrauengeburt in Frage stellten. Warum ist diese für die Kirche so wichtig?

Ranke-Heinemann: Jesus hatte laut dem Neuem Testament vier Brüder, die auch namentlich genannt werden und er hatte "Schwestern", die jedoch nicht einzeln genannt werden. Die katholische Kirche ist seit fast 2000 Jahren frauen- und sexualfeindlich. Jesus war es nicht. Um 400 nach Christus hat Kirchenvater Hieronymus erklärt, es handle sich um Vettern und Cousinen Jesu: Weil Priester nicht heiraten sollten, machte er Maria zur Jungfrau.

STANDARD: Wie wird es heute gesehen?

Ranke-Heinemann: Seit Papst Benedikt höre ich im Vatikansender Telepace jeden Abend vorwiegend von der "Jungfrau Maria". Katholisches Christentum ist Marientum geworden. Wer an Marias Jungfräulichkeit beharrlich zweifelt, ist automatisch exkommuniziert gemäß Canon 1364 § 1 und Canon 751 des Codex Iuris Canonici. Dabei war es der Theologe Ratzinger, also der Papst, den ich seit 1953 sehr schätzte, der in seinem Buch "Einführung in das Christentum" 1968 schreibt: "Die Gottessohnschaft Jesu beruht nach dem kirchlichen Glauben nicht darauf, daß Jesus keinen menschlichen Vater hatte. Denn die Gottessohnschaft, von der der Glaube spricht, ist kein biologisches, sondern ein ontologisches Faktum, kein Vorgang in der Zeit, sondern in Gottes Ewigkeit."

STANDARD: Heute als Papst würde er das wohl so nicht mehr sagen?

Ranke-Heinemann: Wohl nicht. Aber in allen Neuauflagen des Buches "Einführung in das Christentum", deren letzte 2007 erschien, wurde es nicht korrigiert. Als ich meinen Lehrstuhl verlor, wandte ich mich brieflich an Ratzinger um Hilfe. Er half mir nicht.

STANDARD: Obwohl Sie so gut wie gegenüber allen kirchlichen Positionen in Opposition stehen und sogar exkommuniziert wurden, haben Sie bis heute den endgültigen Bruch, das heißt den Austritt aus der katholischen Kirche, nicht vollzogen. Was hält Sie davor zurück?

Ranke-Heinemann: 2006 diskutierte ich im SWR in der Live-Sendung "War Jesus verheiratet?". Da sagte Herr Matussek vom Spiegel: "Frau Ranke-Heinemann, Sie haben hier überhaupt nichts zu sagen, Sie sind doch aus der Kirche ausgetreten." Eine Lüge! Ich werde der weibliche Dorn im Fleisch des Männerbiotops der katholischen Kirche bleiben. (Dirk Farke, DER STANDARD/Printausgabe 23.9.2011)