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Bei ganzjähriger Vollzeitbeschäftigung verdienen Frauen durchschnittlich 24,3 Prozent weniger als Männer.

Foto: AP/Ronald Zak

Der Equal Pay Day steht bevor und somit auch wieder die Konfrontation mit unterschiedlichen Zahlen über Einkommensdifferenzen, Statistiken oder auch Zweifel an diesen. Einmal ist von 18 Prozent Lohndifferenz die Rede, an anderer Stelle sogar von 40 Prozent. Was für eine Rolle spielen Teilzeit oder die Berufswahl? Und überhaupt: War heuer nicht schon mal Equal Pay Day? dieStandard.at recherchierte und erkundigte sich bei Expertinnen.

  • Die aktuelle Lohndifferenz

Die jüngsten Daten, die für den diesjährigen Equal Pay Day relevant sind, kommen aus der Lohnsteuerstatistik der Statistik Austria und stammen aus dem Jahr 2009. Bei ganzjähriger Vollzeitbeschäftigung und einer Betrachtung der Brutto-Jahreseinkommen verdienen Frauen durchschnittlich 24,3 Prozent weniger als Männer. Umgelegt auf die Kalendertage heißt das: Ab 4. Oktober arbeiten Frauen statistisch gesehen gratis. Um Missverständnisse zu vermeiden, formuliert es AK-Wirtschaftsexpertin Bettina Csoka gegenüber dieStandard.at nochmal anders: "Der 4. Oktober ist jener Tag, an dem vollzeitbeschäftigte Männer bereits das Einkommen erreicht haben, wofür vollzeitbeschäftigte Frauen bis Jahresende arbeiten müssten."

Im Vergleich zu den Einkommensdifferenzen der letzten Jahre ist das eine Verringerung. Im vorigen Jahr lag die Differenz bei 25, 6 Prozent, in den Jahren davor waren es zwischen 26 und 27 Prozent. Der kleinere Lohnunterschied in diesem Jahr verdankt sich allerdings nicht den steigenden Gehältern von Frauen, sondern dem Wirtschaftseinbruch, durch den 2009 vor allem Männer in den Industriebranchen an Einkommen verloren haben. Die kleinere Differenz ergibt sich somit aus dem krisenbedingten markanten Lohn-Rückgang bei Männern, erklärt Csoka.

Da war doch was mit 18, oder gar 40 Prozent?

Neben den diesjährigen 24,3 Prozent und den letztjährigen 25,6 Prozent, ist vielerorts jedoch auch noch von weitaus höheren oder niedrigeren Einkommensdifferenzen die Rede. Die höchste Zahl in Bezug auf die Gehaltsschere liegt bei 38 Prozent. Sie berücksichtigt die Einkommen aller ArbeitnehmerInnen unabhängig von Arbeitszeit oder Berufszweig. Völlig außer Acht sollte diese Zahl aber nicht gelassen werden, meint Csoka: "Wenn man ein umfassendes Bild haben will, ist es durchaus legitim, die Einkommen aller ArbeitnehmerInnen zu betrachten, denn das entspricht ja auch den realen Arbeits- und Lebenssituationen."

Und mit weiteren Zahlen wird in Zusammenhang mit den hiesigen Einkommensdifferenzen zwischen Männern und Frauen immer wieder aufgewartet: 18 Prozent und 12 Prozent. Beim ersten Wert werden die Arbeitszeiten außen vor gelassen, jedoch Faktoren wie Alter, Ausbildung, Beruf, Branche und Dauer der Betriebszugehörigkeit einkalkuliert.

Und was sagen uns die 12 Prozent? Eine WIFO-Untersuchung ("Geschlechterspezifische Lohnunterschiede in Österreich") berücksichtigte bei der Gehaltsdifferenz von 24,3 Prozent neben den in den 18 Prozent einbezogenen Aspekten auch Schulbildung, Berufserfahrung oder den Familienstand – auch die Teilzeitgehälter wurden rausgerechnet. Das Ergebnis: Die Hälfte des Lohnunterschiedes konnte nicht mit einem dieser beobachtbaren Faktoren begründet werden. "Es bleiben somit 12 Prozent Gehaltsunterschied, die nicht nachvollzogen werden können", so Csoka.

Hat sie die falsche Branche erwischt?

Weniger Verdienst durch die Branche ist zwar eine Begründung für einen niedrigeren Lohn, für Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen und Familie in der AK Wien, sei er deshalb aber noch lange nicht fair. "Es geht nicht nur um vergleichbare Tätigkeiten, sondern um gleichwertige Tätigkeiten – darüber brauchen wir dringend eine Diskussion. Es gibt sehr viele Tätigkeiten, die Arbeit am Menschen sind, z.B. in Pflegehilfsberufen oder in der Kinderbetreuung, also Tätigkeiten mit viel Verantwortung, die aber nicht entsprechend entlohnt werden." Der Wert von bestimmten Arbeiten sei nichts statisches, sondern müsse ein Prozess gesellschaftlicher Auseinandersetzung sein, so Moritz gegenüber dieStandard.at.

Auch für Bettina Csoka enden die Überlegungen zu niedrigen Entlohnungen nicht mit der Branche. "Frauen arbeiten überproportional in jenen Branchen, in denen unterdurchschnittliche Löhne bezahlt werden. Wir haben es hier mit einer Vermengung von Ursache und Wirkung zu tun."

  • EU-Schlusslicht Österreich

Frauen arbeiten aber nicht nur in Branchen, die schlecht bezahlen, sondern sie arbeiten insbesondere in Österreich oft Teilzeit. Dies ist beispielsweise ein Faktor, warum sich Österreich im Vergleich mit anderen EU-Staaten in Sachen Gehaltsschere ganz weit hinten einreihen muss: Österreich befindet sich vor Estland und der Slowakei unter den letzten drei. Eurostat berechnet für Österreich seit Jahren stabile 25,5 Prozent weniger Gehalt für Frauen, eine Zahl, die nicht auf den Vollzeit-Jahreseinkommen basiert, sondern ausschließlich auf Stundenlöhnen, die bei Teilzeitarbeit nachgewiesen niedriger ausfallen wie bei Vollzeitarbeit, so Csoka. Für die Berechnungen des Europa-Vergleiches greift Eurostat auf nationale Quellen zurück. "Die Österreichischen Daten sind zwar sehr aussagekräftig, aber wie gut die Vergleichsdaten sind, lässt sich schwer sagen", so Csoka über die Schwierigkeiten eines Vergleiches zwischen den 27 EU-Ländern.

  • Unterschiede zwischen Angestellten und BeamtInnen

Bei den Unterschieden zwischen den Frauen sind vor allem jene zwischen Beamtinnen und Nichtbeamtinnen eindrücklich. Denn für den öffentlichen Sektor kann festgestellt werden: Einkommensdifferenzen zwischen Männern und Frauen müssen nicht sein. Vergleicht man die Vollzeiteinkommen von Beamten und Beamtinnen ist eine Gehaltsdifferenz nicht vorhanden, werden Teilzeitlöhne inkludiert, beträgt die Differenz weniger als 10 Prozent.

Ganz anders bei den ArbeitnehmerInnen der Privatwirtschaft. Weibliche Angestellte bekommen 50 Prozent eines Männergehalts und bei den Arbeiterinnen sind es gar nur 44 Prozent. Für diese Berechnung wurden nicht die Durchschnittseinkommen verwendet, sondern Medianeinkommen, d.h. je die Hälfte der betrachteten Beschäftigtengruppe verdient weniger bzw. mehr als den Medianwert.

Ob dieses Unterschiedes zwischen Öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft zieht Csoka den Schluss: "Der öffentliche Dienst zeigt es uns: Gleiche Einkommen sind möglich."

  • Unterschiede zwischen den Bundesländern

Vorarlberg hat mit 31,8 Prozent die größte Gehaltsdifferenz und musste somit den Equal Pay Day bereits am 6. September begehen, gefolgt von Oberösterreich mit einer Differenz von 28, 5 Prozent. Auch hier handelt es sich, wie auch beim österreichweiten Wert von 24,3 Prozent, um ganzjährige Vollzeitgehälter. Diese beiden unrühmlichen letzten Plätze bestehen bereits seit Jahren. Die geringsten Einkommensunterschiede gibt es in Wien mit 21, 2 Prozent. Bettina Csoka: "Meine These ist, dass das gute Abschneiden der Stadt Wien damit zusammenhängt, weil dort ein großer öffentlicher Sektor besteht. Hier wird die positive Gestaltungswirkung des öffentlichen Sektors deutlich."

  • Und schließlich: Equal Pay Day war doch schon!

Stimmt. Und zwar am 13. April. Mit diesem Datum wurde der Tag markiert, bis zu dem Frauen arbeiten müssen, um auf das Gehalt aus dem Jahr 2010 zu kommen, das Männer bereits mit Jahresende bekommen haben. Heuer mussten Frauen somit 70 Tage länger arbeiten. Der Equal Pay Day wird auch im Herbst begangen. Dieser hingegen verweist auf das Datum, ab dem Frauen – statistisch gesehen – ohne Lohn weiterarbeiten müssen.

"Zwei Termine gibt es deshalb, weil in Österreich der Equal Pay Day ursprünglich im Frühjahr begangen wurde. Auf EU-Ebene wurden dann Initiativen gestartet, die das Datum im Herbst fokussierten. Schließlich meinte man, dass es nicht schadet, zweimal im Jahr aus unterschiedlichen Blickwinkeln den Lohnunterschied zu betrachten. Einmal von der Seite, wie viel Tage noch fehlen, dass Frauen gleich viel wie Männer verdienen, und einmal von der Perspektive, wie viele Tage sie länger arbeiten müssten, um auf das gleiche Gehalt zu kommen", erklärt Ingrid Moritz die zweifache Ausführung des Equal Pay Days.

Fest steht: Von 4. Oktober bis 31. Dezember 2011 arbeiten Frauen in Österreich statistisch gesehen ohne Lohn, aber voraussichtlich dennoch weiter. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 2. Oktober 2011)