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Massives Sicherheitsaufgebot in der Innenstadt von Belgrad am Sonntag - die geplante Gay Pride Parade war vom Innenministerium wegen "zu hohem Sicherheitsrisikos" untersagt worden.

Foto: AP / Darko Vojinovic

Am Samstag blockierten einige serbische Homosexuellen-AktivistInnen für wenige Minuten den Verkehr im Zentrum Belgrads. Es war ein Ausdruck der riesigen Enttäuschung: Das serbische Innenministerium hatte nämlich wegen des "zu hohen Sicherheitsrisikos" im letzten Augenblick die für Sonntag geplante Belgrader Gay Pride Parade und alle angekündigten Gegenproteste verschiedener patriotischer Gruppen untersagt.

Die Aktion der Homosexuellen wurde vom Hupen der AutofahrerInnen begleitet. "Weg mit euch, ihr Schwulen", riefen PassantInnen zu. Laut serbischen Medien sollen neunzig Prozent der BürgerInnen Serbiens gegen die Gay Parade sein, weil sie die öffentliche Sicherheit bedrohe. Menschenrechtsorganisationen sprechen von einer "homophoben" Gesellschaft.

Rechtsradikale Gruppen hätten einen regelrechten Schlachtplan ausgearbeitet, begründete Innenminister Ivica Dacic seine Entscheidung, die Parade zu verbieten. Sie wollten angeblich mehrere Brände in der Hauptstadt setzen, staatliche Institutionen, Parteizentralen und ausländische Botschaften angreifen, mit einem Bus die Polizeikordons durchbrechen und mit den Homosexuellen abrechnen, selbstgebastelte Bomben legen.

"Nordafrikanisches Szenario"

Der Staat habe ein "nordafrikanisches Szenario" verhindert, erklärte der Innenminister, und ein "mögliches Blutvergießen" unterbunden. Auf die Frage, warum die Polizei denn diese "Kreuzritter" nicht verhafte, wenn sie das alles wisse, gab Dacic keine Antwort.

Während Staatspräsident Boris Tadic und RegierungsvertreterInnen von der "einzigen vernünftigen Entscheidung" reden, feiern rechtsradikale Gruppen wie "Dveri", "Obraz", "1389" und andere nationalistische Organisationen den Sieg. Man spricht von der Gay Pride als einer "Vergewaltigung der traditionellen, serbischen, christlichen Familienwerte", von "Kranken, die die Kinder verführen wollen". Sie sehen sich bestätigt in den homophoben Aussagen einzelner regierender PolitikerInnen, die von Homosexuellen als "devianten Menschen" reden. Die Polizeigewerkschaft wie auch der Bürgermeister von Belgrad äußerten sich gegen die Parade, weil die Polizisten angeblich nicht ausreichend ausgerüstet und bezahlt seien.

"Parade der Scham"

Auch der Patriarch der serbisch-orthodoxen Kirche Irinej setzte sich für ein Verbot der Pride ein. "Mit vollem Recht würde ich diese sogenannte Gay Pride als eine Plage bezeichnen, als eine Parade der Scham, die die menschliche Würde, die Heiligkeit des Lebens und der Familie beschmutzt", erklärte das serbische Kirchenoberhaupt.

Es geht aber nicht allein um die in der serbischen Verfassung garantierten Menschenrechte der Homosexuellen, meinen BürgerrechtlerInnen. In diesem konkreten Fall sieht man die Kapitulation des Staates vor rechtsextremen Gruppen, die mit Gewalt drohen, der Staat habe praktisch zugegeben, kein Machtmonopol zu haben.

Der Chef der Liberaldemokratischen Partei, Cedomir Jovanovic, warf der Regierung vor, symbolisch die Macht dem Mob übergeben zu haben, weil sie sich nicht bereit zeigte, die Verfassung zu verteidigen. Die Liga der Sozialdemokraten der Vojvodina kritisierte die serbische Staatsspitze wegen ihres "feigen" Verhaltens. "Wer ist als nächster dran", fragt man sich, "weil der Staat nicht die Bereitschaft zeigt, mit gewalttätigen rechtsextremen Gruppen abzurechnen, weil Politiker befürchten, an Popularität zu verlieren?"

Vor einem Jahr wurden während der Belgrader Gay Pride Parade dutzende PolizistInnen verletzt, das Stadtzentrum demoliert und 124 Hooligans festgenommen. (Andrej Ivanji aus Belgrad, DER STANDARD/Printausgabe 3.10.2011)