Warschau - Die Stiftung "Pro" zeigt auf Plakatwände Fotos von PolitikerInnen, die den derzeit gültigen Abtreibungskompromiss unterstützen - daneben das Bild eines abgetriebenen, blutüberströmten Fötus. Darüber heißt es: "Der Abtreibungskompromiss erlaubt das Töten kranker Kinder." Betroffen sind vor allem PolitikerInnen der rechtsliberalen Regierungspartei "Bürgerplattform" (PO), die sich über einen "Schlag unter die Gürtellinie" beschweren, berichtete am Donnerstag die "Gazeta Wyborcza".

Sein Bild auf dem kontroversen Plakat hat unter anderen PO-Abgeordnete Jan Musial in seinem Heimat Ort Brzesko (Südpolen) gefunden. Die Plakate hingen vor allem in Umgebung von Kirchen. Musial ist ein Mitglied des konservativen Flügels der PO und versicherte im Gespräch mit der Zeitung, dass er gegen die Abtreibung sei. Er stimmte zwar gegen die BürgerInneninitiative für das volle Abtreibungsverbot, weil er Frauen nicht bestrafen wollte, die schwerbehinderte Kinder nicht zur Welt bringen möchten. Musial hat Anzeige bei der Polizei erstattet, die Ermittlungen eingeleitet hat. Ähnliche Plakate mit einer anderen PO-Kandidatin wurden auch in Walbrzych (Südwestpolen) ausgehängt.

"Grenzen des Anstands überschritten"

Auf einer Anti-Abtreibungseite werden verschiedene Versionen der Plakate mit bekannten PO-PolitikerInnen wie Parlamentspräsident Grzegorz Schetyna, Gesundheitsministerin Ewa Kopacz oder dem Chef der PO-Fraktion im Parlament, Tomasz Tomczykiewicz präsentiert. Ihre Fotos kann man durch Bilder anderer PolitikerInnen ersetzen und ausdrucken.

Die Kampagne auch Empörung hervor. "Es ist eine regelrechte Kampagne gegen Abgeordnete, die den von katholischen Radikalen vorgeschlagenen extremen Version der Abtreibungsvorschriften widersprechen. Die Aktion ähnelt den schlimmsten Vorbildern. Man hat die Grenzen des Anstands überschritten", erklärte gegenüber der "Gazeta Wyborcza" der Philosoph und Soziologe Janusz Majcherek.

Ablehung eines völligen Verbotes

Anfang September lehnte der Sejm (Unterhaus) mit einer Mehrheit von nur sechs Stimmen ein völliges Abtreibungsverbot ab, das durch eine BürgerInneninitiative ins Parlament gebracht worden war. Ein BürgerInnenkomitee hatte im April rund eine halbe Million Unterschriften für einen Gesetzentwurf dem Parlament übergeben. Ziel der Initiative war ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen auch bei schweren Missbildungen des Fötus, nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für die Gesundheit oder das Leben der Mutter.

Die derzeitige Regelung für Schwangerschaftsabbrüche in Polen gehört zu den restriktivsten in Europa. Laut Schätzungen der Pro-Choice Organisation "Föderation für Familienplanung" werden in Polen pro Jahr bis zu 190.000 illegale Abtreibungen durchgeführt. Legale Eingriffe gibt es nach offiziellen Statistiken rund 500 pro Jahr. (APA)