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Pink ist zur Symbolfarbe des Kampfes gegen Brustkrebs geworden. Aber passt sie zu den betroffenen Frauen?

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Die mit Promi-Unterschriften versehene "Pink Ribbon-Barbie" wurde  2007 u.a. in Wien versteigert.

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Rosa Schläger verwenden US-Baseballstars, wenn sie für die Komen-Stiftung aufs Spielfeld treten.

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Von der Brosche zum Dirndl, von der Briefmarke zur Knabberstange: wenn es um Brustkrebs geht, kann - so scheint es - jedes Produkt Bewusstsein vermitteln. Wir befinden uns im "Brustkrebsmonat" Oktober. In diesem Zeitraum, so sieht es die Pink Ribbon-Kampagne vor, sollen vor allem Frauen über die Gefahren der Krankheit und die Möglichkeit der Früherkennung aufgeklärt werden.

Riesen Geschäfte

In den USA ist die rosa Schleife seit den 1990ern als eine der erfolgreichsten Gesundheitsbewusstseins-Kampagnen hervorgegangen. Aus dem Kampf gegen Brustkrebs und die offenbar endlos nötige Aufklärung zur Früherkennung ist ein riesiges Geschäft geworden. Annähernd 1400 steuerbefreite Wohltätigkeitsorganisationen gibt es in den USA, die sich auf Brustkrebs-Spendenaktionen spezialisiert haben. Ihre Gelder lukrieren sie mittels großen PR-Aktionen, Promi-Galas und pinken Produkten, von denen ein Teil des Erlöses an Brustkrebs-Einrichtungen fließen soll. Oftmals bleiben die Organisationen allerdings der Öffentlichkeit schuldig, wie viel Geld tatsächlich in den Organisationen landet und wofür es verwendet wird. Die größte unter diesen Fundraisern ist die Stiftung "Komen for the Cure": Sie nahm laut Medienberichten im letzten Jahr 420 Millionen Dollar über Spendenaktionen ein. 

Letztere ist auch die einzige Organisation, die sich ihr Logo ausdrücklich schützen hat lassen. Es handelt sich hierbei um eine rosa Schleife, die in Form einer Läuferin bzw. eines Läufers abgewandelt wurde. Auch der Slogan "for the cure" ist in den USA geschützt und hat bereits zu mehreren Rechtsstreits geführt: die Komen-Stiftung geht konsequent gegen alle Charity-Organisationen vor, die egal in welchem medizinischen Bereich "für die Heilung" Spenden sammeln. Neben der Komen-Stiftung ist die Estée Lauder- Bewusstseinskampagne eine der größten Spielerinnen im rosa Fundraising-Feld. Seit 19 Jahren sammelt sie großteils über speziell gewidmete "Pink Ribbon"-Produkte aus ihrer Kosmetik-Linie Gelder für ihre Brustkrebs-Forschungsstiftung.

Fragwürdige Kooperationen

Nicht gerade zimperlich ist vor allem die Komen-Stiftung, wenn es um die Kooperation mit Unternehmen geht, die ihre Message unter ihren KundInnen-Stamm bringen sollen. 2010 arbeitete sie etwa mit dem Fast Food Riesen "Kentucky Fried Chicken" zusammen, der einen rosa Eimer mit Hühnernuggets "for the cure" auf den Markt warf. Mit fettem, ungesundem Essen für mehr Brustkrebs- Bewusstsein zu werben, ließ selbst in den USA aufhorchen und führte zu einer breiteren Diskussion darüber, ob der pinke Geschäftszweig sich zu weit vom eigentlichen Gedanken entfernt habe.

Pink Washing

Andernorts wird bereits seit längerem von "pink washing" gesprochen, also dem Versuch von Unternehmen, den Umsatz eines ihrer Produkte zu steigern, indem sie es mit dem Kampf gegen Brustkrebs verbinden. In den USA bot BMW beispielsweise bis 2008 Test-Fahrten an, mit dem Versprechen, einen Dollar für jede gefahrene Meile an die Komen-Stiftung zu überweisen. So kamen laut Eigenangaben 12 Millionen zusammen - aber auch sehr viele unnötige Autofahrten, ganz zu schweigen von den krebserregenden Stoffen, die sich in Autoabgasen befinden. Die Liste an widersinnigen Produkt-Kooperationen ließe sich lange fortsetzen.

In Europa ist man von solchen Ausmaßen des "pink washings" noch weit entfernt. Aber auch hierzulande steht pink und rosa überdeutlich für den Kampf gegen Brustkrebs. Seit 2000 organisiert die österreichische Krebshilfe Pink Ribbon-Aktionen in Zusammenarbeit mit der Estée Lauder-Kampagne: Neben Charity-Events und einer Österreich-Tour werden jährlich auch mehrere Produkte mit dem rosa Schleiferl angeboten.

Mangelnde Transparenz kann man der Krebshilfe allerdings nicht vorwerfen: ein Katalog gibt Aufschluss, wie viel Geld vom jeweiligen Produkt der Krebshilfe zugutekommt. Auf der Homepage sind Einnahmen und Verwendungszweck der Spenden aufgelistet. Laut Doris Kiefhaber, Geschäftsführerin der Krebshilfe, wird außerdem jedes Angebot der Firmen im Vorfeld intern begutachtet, ob es auch zur Botschaft von "Pink Ribbon" passt: "Wir haben uns z.B. dagegen entschieden, pinke Putzlappen zu lancieren, weil wir die Frauen nicht in diese Ecke drängen wollten." Auch die Herstellungsbedingungen der Produkte sowie deren Inhaltsstoffe sind für die Aufnahme der Produkte von Bedeutung.

Die Grenzen des guten Geschmacks sind aber auch hierzulande fließend (siehe dieStandard.at-Zitrone "Mit High Heels und Retuche gegen Brustkrebs?") und entzünden sich immer öfter an den Geschlechterbildern, die Kampagnen wie "Pink Ribbon" transportieren.

Eine Welt in Pink

Dass der Kampf gegen Brustkrebs ausgerechnet mit der Klischeefarbe Rosa symbolisiert wird, ist vor allem Frauengesundheitszentren ein Dorn im Auge. Im diesjährigen Brustkrebsmonat protestieren erstmals mehrere deutsche Organisationen gemeinsam gegen dieses "konsumorientierte Frauenbild, das Frauen öffentlich sexualisiert und infantilisiert", wie es in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Brustkrebsmonat heißt. Gudrun Kemper vom deutschen Arbeitskreis Frauengesundheit stört nicht nur die Farbe Rosa, sondern auch der mediale und kommerzielle Rummel und der mentale Druck, der durch PR-Aktionen wie einem rosa angestrahlten Brandenburger Tor ausgelöst wird. "Frauen mit der Diagnose Brustkrebs müssen eigenverantwortlich Entscheidungen treffen und zwar auf der Basis des besten Standes des verfügbaren Wissens und nicht auf der Basis von PR-Rummel. Brustkrebsmonate sind hier wenig zielführend". Es sei schlichtweg ethisch nicht gerechtfertigt, Frauen auf diese Weise unter Druck zu setzen.

Ein Einwand könnte sein, dass PR-Aktionen in dieser Größenordnung hauptsächlich die Verbreitung der Früherkennungsmöglichkeiten im Sinn haben. Laut Kemper appellieren solche Aktionen aber gerade an das Schuldbewusstsein aller Frauen: "War ich nicht oft genug bei der Kontrolle? Habe ich genug getan?" Ein Nebeneffekt der Brustkrebsscreening-Programme, die seit einigen Jahren in Deutschland durchgeführt werden und nun auch in Österreich beschlossen wurden, sei das Problem der Überdiagnose und damit sehr viele unnötige Ängste sowie Übertherapie bei den betroffenen Frauen. Kritisiert wird aber auch die mangelnde Transparenz für die Öffentlichkeit bei Spenden-Aktionen im Rahmen von "Pink Ribbon Deutschland".

Die Organisatoren rufen auf der Homepage zu Spenden für die deutsche Krebshilfe auf, auch der Erlös ihrer Spendenaktion einer kollektiv zusammengestellten Riesen rosa Schleife in Berlin soll an die Krebshilfe gehen. Ein eigens produziertes Hochglanz-Magazin namens "Tick Tack" gibt neben vielen hübschen Produkthinweisen auch zahlreiche Anregungen "um sich gut zu fühlen". Wie viel Geld bei der Spendenaktion gesammelt wurde, wird jedoch nicht kommuniziert. Bei der deutschen Krebshilfe, die in dem Magazin auch mit einem Inserat vertreten ist, erklärt man auf Nachfrage, dass sie den Spendenaufruf auf der Homepage von "Pink Ribbon Deutschland" genehmigt haben. Viele Organisationen würden auf diese Weise Geld für sie sammeln. Darüber hinaus sei aber keine längerfristige Kooperation mit "Pink Ribbon Deutschland" geplant.

Frauen haben ein Recht auf Gesundheit

Ist der Kampf gegen Brustkrebs auf eine Weise kommerzialisiert, dass er zum Schaden der betroffenen Frauen geht? Eine einfache Antwort darauf gibt es nicht. Für eine Organisation wie die österreichische Krebshilfe ist das Lukrieren von privaten Spenden existentiell. Sie versteht die rosa Material-Schlacht als Mittel zum Zweck für ihre Patientinnen-Arbeit. Und sie verweist nicht ohne Stolz darauf, dass die Zahl der Frauen, die sich vorsorglich Mammographien unterziehen, in den letzten Jahren um 25 Prozent gestiegen ist. Einer Krankheit wie Brustkrebs könne letztlich nicht vorgebeugt werden, deshalb sei Früherkennung derzeit das Einzige, was Frauen helfe, argumentiert sie.

Frauengesundheitsorganisationen geht dieser Ansatz nicht weit genug. Und sie haben es satt, dass sich Brustkrebs-Bewusstsein offenbar nur mehr über die Society-Seiten der Medien oder Kaufgesuche thematisieren lässt. Statt permanent an ein rosa Bewusstsein der Frauen zu appellieren, sieht Kemper vor allem Politik und Industrie gefragt, den Einfluss der Umweltbelastung auf das Brustkrebsrisiko ernster zu nehmen. Besonders Chemikalien, die das Hormonsystem der Menschen beeinflussen, sollten endlich aus dem Verkehr gezogen werden. Kemper: "Vorbeugung heißt Vermeidung. Frauen haben das Recht, in einer Lebenswelt zu leben, die ihnen Gesundheit ermöglicht. Aber derzeit bewegen wir uns leider in eine völlig andere Richtung." (dieStandard.at, 23.10.2011)