Alois Stöger als Prototyp eines Beamten, jedoch mit frauenpolitischen Anliegen.

Foto: Robert Newald

Alois Stöger wirkt viel eher wie der Prototyp eines Beamten, denn als Stratege. Vor seiner politischen Laufbahn in Wien, leitete der Gesundheitsminister die Oberösterreichischen Krankenkassen. Beeinflusst durch eine Lehre bei der Voestalpine und dem Studium der Sozialen Praxis, vermittelt der Sozialdemokrat den Eindruck, als würde er einen Arbeitsauftrag nach dem anderen abarbeiten - ein eher ungewöhnliches Bild in der politischen Arena Österreichs.

Denn während sich sowohl SPÖ als auch ÖVP in letzter Zeit gerne und immer mehr mit sich selbst beschäftigten - und dies zum Teil aufgrund korrupter Tatsachen auch tun müssen -, setzt Stöger auf Taten. Emsig arbeitet er vor sich hin und leistet dabei wesentliche Beiträge für Frauen. Offenkundig hat bisher lediglich der Gesundheitsminister unter den Regierungsmitgliedern erfasst, dass Frauenpolitik eine Querschnittsmaterie ist. Abgesehen von seinem jüngsten Vorschlag, künstliche Befruchtung für lesbische Paare und Single-Frauen zu ermöglichen, hat er einige andere Debatten neu entfacht, Anträge durchgebracht und sich auch gegen Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof wehren können.

Kärnten ohne Gynäkologinnen mit Kassenvertrag

Da ist etwa die Sache mit den Gynäkologinnen in Kärnten. Im südlichsten Bundesland gab es bis vor kurzem keine Gynäkologin, die über einen Kassenvertrag verfügt. Für Patientinnen bedeutete das, dass sie auf private Frauenärztinnen ausweichen mussten. Verfügten die Frauen nicht über genügend finanzielle Mittel, mussten sie zu einem Gynäkologen gehen - ob sie das wollten oder nicht. Stöger begegnete diesem Problem mit einer klassischen Positivdiskriminierung von Frauen: Er forderte die Krankenkassen auf, Gynäkologinnen bei der Vergabe von Kassenverträgen zu bevorzugen. Die Kärntner Ärztekammer legte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein und der Bundesminister bekam Recht.

Gesellschaftspolitisches Glatteis

Bevor er das südliche Bundesland im Auge hatte, führte Stöger die rezeptfreie "Pille danach" - eine Notfallverhütung für Frauen - ein. Dies rief nicht nur die ÖVP, sondern auch die üblichen Verdächtigen, wie verschiedene Organisationen der katholischen Kirche, auf den Plan. Gleichzeitig forderte Stöger die ApothekerInnen zu Informationspolitik und Bewusstseinsbildung auf. 2009 wurde die rezeptfreie "Pille danach" beschlossen und die Praxis zeigt, dass der Bedarf vorhanden ist und dieses Angebot gut genutzt wird.

Auf ein weiteres gesellschaftspolitisches Glatteis wagte sich Stöger im Frühsommer 2011, als er die öffentlichen Krankenhäuser in West-Österreich aufforderte, Schwangerschaftsabbrüche zu ermöglichen. Im Zuge der Spitalsreform, so der Plan, sollten finanzielle Mittel daran gekoppelt werden. Sprich: Bietet ein öffentliches Krankenhaus keine Abtreibung an, gibt es weniger Geld.  Dass dieses Vorhaben gerade im besonders katholischen Westen Österreichs zum lautstarken Nein führte, war zu erwarten, ebenso planmäßig verlief die Abneigung sogenannter LebensschützerInnen. Mit dem Regierungspartner ÖVP - selbsternannter Beschützer christlicher Werte - ist dieses Vorhaben nicht umzusetzen.

Dennoch entstand eine öffentliche Debatte darüber, dass Frauen mit geringen finanziellen Ressourcen im Westen Österreichs entweder ins Ausland oder in andere Bundesländer ausweichen müssen, um einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu können. Wenn auch von der ÖVP rasch abgewürgt: Es gab eine Debatte darüber. Und gezeigt hat sie einmal mehr, dass Österreich in Sachen weiblicher Selbstbestimmung in Kinderschuhen steckt.

Rehabilitierung schwuler Blutspender

Und noch ein Beispiel zeigt, dass es Stöger beherzt mit Altlasten aufnimmt: Es ist europaweiter Usus, homosexuelle Männer bei der Blutspende auszuschließen. "Hatten Sie als Mann Sex mit einem anderen Mann?", lautet die Frage bei potentiellen SpenderInnen. Wird sie bejaht, ist die Person von der Blutspende ausgeschlossen. Stöger startete eine Homosexuellen-Rehabilitierung und gab eine Änderung der Blutspendeverordnung in Auftrag, scheiterte aber.

Lesben und Single-Frauen eine künstliche Befruchtung zu ermöglichen, ist der jüngste Vorstoß des unscheinbaren Ministers. Seiner Ansicht nach entspricht die österreichische Regelung nicht dem Status eines modernen Staates. Die ÖVP, als selbsternannte Familienpartei, reagierte überrascht verhalten und scheint dazu keine Meinung zu haben. Geprüft wird diese Diskriminierung derzeit von Gerichten, weil ein lesbisches Paar bereits klagte. In diesem Zusammenhang müsste ebenso das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare überdacht werden. Das allerdings liegt im ÖVP-besetzten Familienressort.

Kleine Schritte und heikle Debatten

Die Fakten erfordern, dass die österreichische Frauen- und feministische Politik sich primär mit der diskriminierenden Entgeltfrage und sexualisierter Gewalt befassen muss. Der Frauenministerin stehen dabei nicht nur der Koalitionspartner im Weg, sondern auch ein Mini-Budget - das übrigens von Maria Fekter im neuen Budget noch gekürzt wird. Die Handlungsmacht von Heinisch-Hosek ist ob diesem Institutionengefüge sehr begrenzt und auf BündnispartnerInnen angewiesen, um effektive Gesetze - also Gesetze mit Sanktionen - durchzubringen.

Der mit höherem Budget und mehr Handlungsspielraum ausgestattete Gesundheitsminister ist ein solcher Bündnispartner. Der eifrige und ruhige Stöger setzt auf Taten anstelle von Imagekampagnen. Er hat in kleinen Schritten wesentliche Bereiche für Frauen in Angriff genommen, zum Teil auch verbessert. Dass er in einer Koalitionsregierung, die aus feministischer Perspektive mit weit klaffender Ideologiedifferenz beschrieben werden muss, nicht alle Vorhaben durchbringen kann, versteht sich von selbst. Aber es ist gut, dass er heiße Eisen - wie Schwangerschaftsabbruch oder künstliche Befruchtung für Lesben - angreift und somit zur öffentlichen Debatte stellt. (Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at 25.10.2011)