Die Zombies aus "The Walking Dead", und die ...

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... die sie überlebt haben - bis jetzt.

Foto: AMC, Gene Page/AP

Monströs nobel ist es in den letzten Jahren zugegangen. Manierliche, traditionsbewusste, blutsaugende-blaublütige Vampire mit ausgeprägtem Sinn für Romantik und Affinität zu Literatur und klassischer Musik hatten in den Kinos, Büchern und auch TV-Serien (Fernsehauge: Hungrig nach schlimmen Dingen) die Oberhand. Doch nun wird die blasse Elite von einer Massenbewegung bedroht. Eine amorphe Masse schwankt langsam aber gierig auf sie zu, stinkend, schlurfend und Instinkten folgend, die ihnen ihre Existenz sichern, aber eben nicht viel mehr.

Die Serie "The Walking Dead" lief Mitte Oktober in der zweiten Tranche im US-amerikanischen Kabelfernsehen an und konnte zum Staffelstart einen ZuschauerInnen-Rekord für Drama-Serien verbuchen (Zombies im Erfolgstaumel). Vielleicht liegt es an dem derzeitig katastrophalen Serienangebot in den hiesigen TV-Kanälen, oder weil sich immer mehr vom Fernsehangebot via Internet emanzipieren: Auch im deutschsprachigen Raum wird die Serienvariante der gleichnamigen Comic-Reihe fleißig konsumiert. Serie wie Comic folgen einer kleinen Gruppe Überlebender auf ihrer Flucht vor Zombies durch den Süden der USA.

Warum jetzt Zombies?

Auf der Suche nach gesellschaftskritischem Potential, oder zumindest nach einer interessanten Lesart für den neuen Stoff, erweist sich der Monster-Staffellauf als hilfreich. Dank der noch frischen Erinnerung an den Vampir-Hype werden die Unterschiede zwischen Vampir und Zombie doch recht deutlich, die nicht erst seit gestern auch als "Klassenunterschiede" gedeutet werden. Sam Leith schrieb im Prospect Magazine von Vampiren als individualistische Schnösel, die die Monster der Rechten wären. Zombies bilden hingegen einen gesichtslosen Haufen, der durch die Straßen wabert - die Monster der Linken. Die Sorgen und Ängste der Mittelschicht würden sich, laut Leith, über Vampir bzw. Zombie-Stoff als Angst vor der Ausbeutung von Oben (die Blutsauger Vampire) und als Angst vor dem Umsturz durch die proletarischen Massen (Zombies) ausdrücken.

Letztere interessieren derzeit offenbar wieder mehr. So konnten sich von der gnadenlosen Strukturanalyse durch den Zombiefilm auch jene überzeugen, die vor ein paar Wochen die auf Puls 4 ausgestrahlte Horrorkomödie "Shaun oft the Dead" sahen: Nach einer durchzechten Nacht fällt Shaun (Simon Pegg) bei seinem morgendlichen Gang zum Greisler um die Ecke erst mal keine große Veränderung auf. Menschen schlurfen blindlings durch die Straßen, Gestalten in abgerissenen Klamotten kommen mit ausgestreckten Armen auf Shaun zu. Der entschuldigt sich nichtsahnend höflich und umschifft die mittlerweile Untoten mit ihrem Begehren auf Überleben geschickt. Zuhause angekommen schlürft Shaun mit leerem Blick und in klassischer Zombiehaltung seinen Kaffee, in Erwartung auf einen lähmenden Arbeitstag im Elektrohandel. Dort spricht er immer wieder davon, dass er in diesem Laden nicht verrotten wolle - seine Chance kommt schon noch. Bis dahin ist er halt nur halb lebendig - oder halbtot.

Occupy the Streets

Da weckt eine ganze Zombie-Serie selbstredend Neugier und Hoffnung auf mehr von dieser Art. Wie wird in "The Walking Dead" die Sache mit der Sozialkritik gemeistert, wenn überhaupt? Und warum diese hohen Quoten? Leiths Theorie bezüglich Mittelschicht-Ängsten folgend, würde sich zumindest für die Frage nach dem aktuellen Erfolg eine Antwort anbieten: Parallel zum Staffelstart bahnten sich USA-weit große Protestmärsche ihren Weg durch die Straßen. 

Aber auch der schon seit längerem im TV gut funktionierende Plot des Ausnahmezustandes drängt sich als Erklärung auf. Wie schon in "Lost" geht es in "The Walking Dead" um die Frage, wie sich eine kleine Gruppe organisiert, die sich in einer länger andauernden, höchst brenzligen Situation befindet. Welche gesellschaftlichen Strukturen vor der Katastrophe sind vergessen, welche setzen sich durch? Welche Werte sind dem Ausnahmezustand zum Opfer gefallen?

Mit Feminismus war es das dann

Geht es nach den Autoren der amc-Serie "The Walking Dead" steht eines fest: Der Feminismus wird im Falle einer Zombie-Invasion so ziemlich als erstes eliminiert. Die Gruppe von Überlebenden, die aus der von Zombies belagerten Stadt geflüchtet ist, hatte es offenbar sehr eilig damit, jeglichen Fortschritt rückgängig zu machen. Die Frauen waschen in der Gruppe die Wäsche am Fluss, die Gattin eines totgeglaubten Polizisten wirft sich gleich in die Arme seines besten Freundes. Frau braucht schließlich Schutz, und so bleibt das Heldentum bis dato noch männlich besetzt. Auch unterwirft man sich - zumindest in der ersten Staffel - obrigkeitshörig Autoritäten aus besseren Tagen, obwohl man meinen könnte, dass sich Zombies etwa von einer Uniform, die sich Hauptfigur Rick Grimes noch immer anzieht, wenig beeindrucken lassen.

Ob dieses doch recht primitive soziale Gefüge das zentrale Thema ist, wofür die Zombies nur die Hintergrundmusik spielen, oder ob doch sie die eigentlichen Stars der Serie sind - darüber sind sich die RezensentInnen nicht einig. Mehr Übereinstimmung gibt es schon darüber, dass der katastrophale Kontext der Serie auf eine reale ökonomische Unsicherheit trifft, die tatsächlich viele vor basale Fragen des Überlebens stellt. "The Walking Dead" gibt keine verlockenden Perspektiven darauf, was in solchen Zeiten aus uns wird. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 1. November 2011)