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H&M will in Österreich "keine Zwei-Klassen-Gesellschaft von Kassierern
und Nichtkassierern". Es geht um viel Geld.

Foto: APA/EPA/ANDY RAIN

Das Tauziehen um Löhne geht weiter.

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Wien - Die Konflikte rund um systematisch unterbezahlte Kassiererinnen reißen nicht ab. Öl ins Feuer gießt jetzt die Textilkette H&M - mit einem Fax der Geschäftsführung an die Managementteams aller Filialen. Darin stellt das Unternehmen klar, nicht daran zu denken, seine Kassenkräfte in eine höher bezahlte Berufsgruppe einzustufen. Denn man wolle keine Gesellschaft der zwei Klassen.

Um jedoch Unklarheiten auszuschließen, werden in Zukunft alle MitarbeiterInnen grundsätzlich weniger als die Hälfte ihrer Vertragszeit an den Kassen beschäftigt, lautet die strikte Order des Schreibens, das dem Standard vorliegt. Die übrige Zeit sollten sie mit Zusammenräumen, an  den Kabinen etc. beschäftigt werden. Wer über wöchentliche Vertragszeiten hinaus arbeite, sollte möglichst nicht an Kassen eingesetzt werden, heißt es weiter.

Auslöser der Mitteilung ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofes. Dieser gab der Klage einer Kassiererin recht, die falsch eingestuft über Jahre zu wenig verdiente. Die Gewerkschaft sieht bis zu 25.000 Angestellte betroffen. Handelsketten wie Kika und Lutz nahmen das Urteil zur Kenntnis und passten die Gehälter ihrer MitarbeiterInnen an.

Angesprochen auf H&M reagiert Karl Proyer empört. Das Vorgehen sei darauf ausgerichtet, rechtliche Tatbestände zu vereiteln, sagt der Gewerkschafter. "Das ist rechtlich fragwürdig und grenzt an Sittenwidrigkeit." Sie habe etwas derart Skurriles noch nicht erlebt, was H&M hier vorzeige, sei einzigartig, erzählt Barbara Teiber,  Regionalgeschäftsführerin in der GPA-djp. Mittlerweile hätten fast alle große Ketten das Urteil richtig verstanden. Dass ein Konzern, der sich die Förderung der Frauen auf Fahnen hefte, in diesem Fall ausschere, sei doch sehr verwunderlich.

H&M war für eine Stellungnahme vorerst nicht erreichbar. Stefan Mumelter zweifelt daran, dass der Modekonzern MitarbeiterInnen vorwiegend an der Kasse beschäftigt. Das sei aber die Basis für eine höhere Gehaltseinstufung, so der Generalsekretär des Handelsverbandes. "Die Gewerkschaft kennt offenbar die Rechtslage nicht."

3,3 Prozent höhere Gehälter

Chance auf eine Aussprache hat die Branche am Mittwoch. Vorausgesetzt, man einigt sich in anderen strittigen Punkten. Im Laufe des Nachmittags geht die zweite Runde der Kollektivvertragsverhandlungen über die Bühne. Im Vorfeld stand die Anrechnung der Karenzzeiten im Zentrum der Debatte, nun geht es primär um nackte Zahlen. Dass ein Dreier vor dem Komma stehen muss, war den Arbeitgebern spätestens nach dem Metallerabschluss von im Schnitt 4,2 Prozent klar, heißt es aus dem Handel. Mumelter nennt nun konkrete Vorschläge: Eine Erhöhung von 3,3 Prozent sei aus Sicht des Handelsverbands ein überaus positives Signal, das "die Verhandlungen vielleicht verkürzen könnte". "Als erster Vorschlag interessant", kommentiert Proyer. Um im zweiten Atemzug keinen Anlass zu Zurückhaltung der Beschäftigten zu sehen. "Sensationell" habe der Handel zuletzt verdient, zum Teil besser als die Industrie. Es gebe keinen Grund zum Jammern.

Von einem dramatischen Einbruch des Konsums sprechen die Arbeitgeber. Kommt es heute zu keiner Einigung, wird am 16. und 19. November weiterverhandelt. (Verena Kainrath/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.11.2011)