Wien - Wiens neues Prostitutionsgesetz, das seit 1. November in Kraft ist, war Montagabend Thema der "Gedankentauschbörse" im Flex Cafe. Denn seit gut einer Woche ist der Straßenstrich im Wohngebiet verboten, lediglich bei Auhof und im Prater dürfen Sexarbeiterinnen legal anschaffen gehen.

Die Rechtslage sei damit komplex und intransparent, kritisierte Marie-Theres Prantner von der Frauensektion des Bundeskanzleramtes das Gesetz, das von der rot-grünen Stadtregierung beschlossen wurde. Eine Arbeitsgruppe sei bereits beauftragt eine Vereinheitlichung auf Bundesebene voranzutreiben. Derzeit regelt jedes Bundesland Prostitution selbst. Das Frauenministerium habe versucht Empfehlungen auszusprechen. Sie selbst sei erstaunt gewesen über die Vorgehensweise und Unklarheit, die bis zur letzten Sekunde bestanden habe, sagt Prantner.

Kritik kam auch von Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle Schlepperkriminalität und Menschenhandel im Innenministerium. Er selbst habe bis zum 26. Oktober keine Details erfahren. Vor allem Betreiber würden sich über das neue Gesetz freuen. Möglicherweise dränge es einige Frauen in Abhängigkeitssituationen, wo es vorher keine gab.

Die Frage, ob das neue Gesetz das Aufdecken von Menschenhandel leichter mache, verneinte Tatzgern. "Wir waren nicht einmal in die Steuerungsgruppe eingeladen, die das Gesetz erarbeitet hat." Es werde schwieriger, an die Frauen heranzukommen - auch deshalb, weil die Polizei nicht als Freund und Helfer in der Szene angesehen wird, räumte Tatzgern ein. Die Polizei werde meist erst im extremen Notfall kontaktiert.

Freiwild-Pickerl auf der Stirn

"Kein Wunder", entgegnet ihm eine Sexarbeiterin aus dem Publikum. Schikanen, Respektlosigkeit und willkürliches Strafmaß würden eben nicht gerade das Vertrauensverhältnis stärken.

Dass sie jetzt nicht mehr auf ihrem Platz hinter dem Technischen Museum darf, obwohl es nie zu Zwischenfällen kam, sehe sie nicht ein. "Wir sind nicht nur Prostituierte, sondern Bürger wie sie", rief sie in Richtung der DiskutantInnen und Anwesenden. "Uns wird die Existenzgrundlage unter den Füßen weggezogen - nun frage ich mich: mit welchem Recht?" In den Zonen in Auhof oder im Prater könne sie sich gleich ein Freiwild-Pickerl auf die Stirn kleben, so gefährlich sei es dort.

Sie rate keiner Frau sich dorthin zu stellen, sagte Elisabeth Jarolim vom Ambulatorium für sexuell übertragbare Krankheiten des Gesundheitsamtes. "Das ist nicht zu verantworten", sagte Jarolim und appellierte an die Sexarbeiterinnen, sich zu organisieren. (Julia Herrnböck/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.11.2011)