Ein Prostitutionsverbot würde die Probleme der Frauen und den Menschenhandel nur verschärfen, sagt Birgit Hebein (Grüne) im Gespräch mit einer Sexarbeiterin.

Foto: Matthias Cremer

Standard: Aus Ihren letzten Äußerungen könnte man schlussfolgern, dass Sie sich vom Koalitionspartner SPÖ im Stich gelassen fühlen.

Birgit Hebein: Nein, wir haben gemeinsam ausverhandelt den Wohnbereich zu entlasten und genügend sichere Bereiche für die Straßenprostitution zu schaffen. Letzteres fehlt und wäre dringend umzusetzen. Aber es gibt zumindest definierte Kriterien für Erlaubniszonen, zum Schutz der Frauen und auch zumutbar für Anrainer.

Stephanie M.: Wir waren in einem sicheren Bereich, den habt ihr uns von heute auf morgen genommen. Ich habe keine Einladung für eine Sitzung bekommen, dass wir dagegen argumentieren können. Für jeden Schmarrn gibt es eine Ausschreibung, aber nicht, wenn es um unsere Existenz geht.

Hebein: Wir haben ein Gespräch mit 45 Sexarbeiterinnen gemacht, es kamen 45 unterschiedliche Bedürfnisse heraus. Es gibt nicht die Sexarbeiterin.

Standard: Die Erlaubniszonen erfüllen die Kriterien nur teilweise.

Hebein: Aufgrund des "Raus aus dem Wohngebiet"-Aspekts im Gesetz bleiben nur nicht empfehlenswerte Gebiete und der Prater über. Auhof habe ich mir angesehen, das ist ein gefährlicher Bereich. Gut, dass das Steuerungsteam den Auhof nicht mehr empfiehlt.

Stephanie M.: Das ist ja nett. Aber wo sollen wir hin?

Hebein: Alle Bezirksvorsteher vom Gürtel werden eingeladen. Dann wird konkret diskutiert, welche Bereiche in Frage kommen. Ich hoffe, dass sich das Floriani-Prinzip nicht durchsetzen wird.

Standard: Hatten Sie jemals Streit mit Anrainern?

Stephanie M.: Bei uns gab es nie ein Problem. Ein Punkt, warum das in manchen Zonen eskaliert ist, und über den man reden muss, war der Ansturm von Zuhältern und Mädchen aus Rumänien und Bulgarien. Diese Möchtegern-Zuhälter nötigen die Mädels den Job zu machen.

Standard: Welche Rolle spielt Gewalt bei Ihrer Arbeit?

Stephanie M.: Zuhälterei wird vom Staat gefördert. Der Typ kommt mit ein paar Mädels aus dem Osten hier her, schmeißt alle wie Tiere in eine Mini-Wohnung und besorgt die Registrierkarten für sie. Es gibt genug Frauen, die in einem Dilemma sind. Das machst du nicht aus Spaß. Ausstiegshilfen sind relativ. Meistens können es die Frauen nicht umsetzen, weil das Geld fehlt.

Hebein: Erlauben Sie mir eine Frage:Gäbe es Angebote, mit denen das Leben finanzierbar wäre, würden Sie aussteigen?

Stephanie M.: Ja, natürlich. Ich hatte keine andere Wahl, weil ich meine Familie versorgen muss. Ich will eine bessere Zukunft für meine Kinder, Privatschule, Studium. Das kostet.

Standard: Die Frauen könnten zur Aufklärung von Menschenhandel beitragen. Wie kann das Vertrauen zur Polizei gestärkt werden?

Stephanie M.: Die Polizei müsste mit den Schikanen aufhören. Oft werden wird fünfmal in der selben Nacht kontrolliert. Wie soll da Kommunikation stattfinden?

Hebein: Ich frage mich, warum man die Ressourcen der Kriminalabteilung für Menschenhandel gekürzt hat. Hier zeigt sich die Unaufrichtigkeit der Diskussion.

Standard: Wissen Sie von Frauen, die auf Indoor umgestiegen sind?

Stephanie M.: Das wollen viele nicht. Die Situation in Studios wird besser dargestellt, als sie ist. Wenn ich diese Arbeit schon mache, dann für mich und meine Familie. Und nicht, damit irgend jemand einen dicken Mercedes fährt.

Hebein: Mit dem neuen Genehmigungsverfahren sollen die schwindligen Zuhälter ausgesiebt werden. Es wird endlich diskutiert, was ist Prostitution und was ist Menschenhandel. Wir sind am Beginn. Es ist ein schwieriges Thema.

Stephanie M.: Es wird nur schwieriger, so lange ihr die Sexarbeiterinnen aus der Diskussion ausschließt.

Hebein: Wir müssen ehrlicher über Prostitution diskutieren. Aber sie können von mir nicht erwarten, dass ich den Beruf verherrliche. Sie brauchen Rechte. Lösungen gibt es nicht, ich will eine Verbesserung für alle, das ist mein Job.

Standard: Ist es nicht der perfekte Moment die Sittenwidrigkeit zu diskutieren?

Hebein: Hervorragende Idee, aber da ist die Bundesregierung gefragt.

Standard: Was sagen Sie zur Freierbestrafung?

Stephanie M.: Das ist ein sinnloses Unterfangen. Der kommt wieder.

Hebein: Ich bin dagegen. Der Kompromiss mit der SPÖ ist, es ein Jahr zu versuchen, sonst kommt es wieder raus aus dem Gesetz.

Standard: Warum wird ein Prostitutions-Verbot - siehe Schweden - in Österreich nicht diskutiert?

Hebein: Wir müssen uns den sozialen Realitäten stellen. Würden wir die Prostitution abschaffen, verschärften wir die Probleme der Frauen und den Menschenhandel.

Stephanie M.: Es wird uns nicht nur der Platz weggenommen, sondern die Sicherheit, die Einnahmequelle, alles. Ich bin auch eine Bürgerin. Steuern und Krankenkasse darf ich schließlich zahlen. Ich will wissen, bis wann wir eine Lösung kriegen.

Hebein: Der Ball liegt nicht bei mir, wir haben eine rot-grüne Koalition. Jetzt sind die Bezirksvorsteher gefordert. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch.

(Die Fragen stellte Julia Herrnböck, DER STANDARD, Printausgabe 19./20.11.2011)