Pinkifizierungsepidemie

Niedlich, diese rosa Front im Spielzeugland. Was sich hier wohl Geheimnisvolles verbirgt? Prinzessinnen, Feenstaub, Einhörner, Elfen und lebensechte Plastikbabies, die Kacka machen simulieren können?

Ja, da dünkt es Ihnen richtig! Willkommen in der märchenhaften Mädchenzone. Hier findet sich alles, was den Küchenfeen, Einhorndompteurinnen und Königsmüttern von morgen gefällt. Gut zu wissen, so knapp vor Weihnachten, oder?

Foto: dieStandard.at/Tombor

Mädchen-Klassiker der Freizeitgestaltung

Da hätten wir zum Beispiel den Schminkkopf. Ein Klassiker, der schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Wenn er denn einen Buckel hätte. Das Gesicht im Plastik-Naturlook will geschminkt werden, damit es endlich richtig schön aussieht. Die güldenen Locken locken zum Eindrehen, Hochstecken oder Glattbürsten. Dekorative Accessoires wie Spangen, Ohrclips und zeitgemäß auch Abziehtatoos bieten eine Unmenge an weiteren Beschäftigungsformen.

Für Mädchen mit radikalfeministischen Anwandlungen - oder auch jenen, denen mit dem Kopf schnell fad geworden ist - dient er auch zum Haare abschneiden, Augen übermalen/ausstechen und mit spitzen Gegenständen große Poren in die Wangen pieken.  

Foto: Amazon/Schminkkopf

Heur-osa-eka

Neueren Ursprungs hingegen sind extra für Mädchen gemachte Spielwaren, die nicht nur unterhalten, sondern bilden sollen. Selbst im bitterernsten, trockenen Bereich Technik und Naturwissenschaften! Aber habt keine Furcht, ihr schenkfreudigen Anverwandten kleiner Mädchen: Experimentierkästen wie dieser hier fluten selbst die ödesten Gebiete mit Magie und Geheimnissen, bis alle Wissenschaft weggespült ist.

So können Mädchen auf ihre eigene desinteressierte, unterbegabte, aber zauberhafte Art und Weise nachempfinden, welche "sehr geheimnisvollen Dinge" (Verpackungstext) hinter Naturgesetzen wie "Freundschaftsbändern, die niemals entzweit werden" (Verpackungstext) stecken.

Foto: Amazon/Kosmos 604417 - Sternenschweif - Magische Kräfte

Was Gretchen nicht lernt...

Bodenständig, traditionell und dabei vorausschauend: Mini-Ausgaben von Küchen(geräten), Bügeleisen, Staubsaugern sind auch anno 2011 ein Renner. Wie filigran sie in der Hand liegen. Da spielt es sich von allein Hausfrau, so leicht, so abwechslungsreich, so pink! Aber Achtung: Als Alternativen zu diesen klassischen Utensilien aus der weiblichen KKK-Sphäre gibt es mittlerweile auch atypische Pendants.

Zum Beispiel Schraubenzieherchen/-schlüsselchen, Bohrerchen, Sägchen, Hämmerchen, zukunftsreich. Die stehen zwar keinen Realitätstest durch, sondern knicken bei Anwendung ein oder ab, aber sie sind rosa und manchmal glitzern sie auch.

Foto: Amazon/Barbie 9585 Soundküche mit Zubehör

Wellness im Kleinformat

Neben magischer Natur, Feen- und Hausstaub oder Plastik-Beauty-Training darf auch gern zu pinkifiziertem Playmobil gegriffen werden. Wie zum Spa im Miniformat: Da wird das kleine Badezimmer zum Wellnesstempel, und Kleinfrau kann sich schon Mal Einrichtungsideen für Schöner Wohnen in künftigem Großformat samt Geschlechterklischee abholen.

Foto: dieStandard.at/Tombor

Da Mädchenzeug, dort Bubenzeug

Playmobil hat aber noch mehr Einschlägiges auf Lager: Damit die ausufernde Produktpalette keine Verwirrung - bei Großeltern zum Beispiel, die ihren EnkelInnen natürlich nur der Geschlechtsidentität Entsprechendes kaufen wollen - stiftet, hat Playmobil die Zielgruppen unmissverständlich ausgeschildert.

Neben Zeugs für Mädchen (siehe voriges Bild) gibt es auf die jeweilige Lebenswelt fein abgestimmte Sachen für wilde Piraten (mit Bart, ohne Binnen-I), kampfbereite Ritter (ungepflegter Haarschnitt, also ohne Binnen-I) und juwelengekrönte Prinzessinnen (der Prinz ist rothaariges Girl Toy, also ohne Binnen-I). So wird alles ordentlich sortiert und eingeordnet im Spielzeugland, ob Produkte oder Geschlechter. Das wa(h)re Stereotypenparadies! (bto/dieStandard.at, 29.11.2011)

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Foto: dieStandard.at/Tombor