Ängstlich und leicht bekleidet auf dunklen Straßen.

Foto: Werbefolder von "Ila"

Klischeebilder davon, wie, wo und durch wen sich Gewalt abspielt, werden hier einbetoniert.

Foto: Werbefolder von "Ila"

Es passiert in dunklen Parks oder in der finsteren Straßenecke, die Opfer sind jung, schön und meistens leicht bekleidet. Gegen dieses trügerische Bild von Schauplätzen und Betroffenen von Gewalt arbeiten Frauenberatungseinrichtungen, Interventionsstellen oder GewaltschutzexpertInnen seit Jahren. Doch angesichts eines Regals in der Drogeriekette "Bipa" stellt sich die Frage: Kommt davon auch nur irgendetwas in der Mehrheitsgesellschaft an?

"Sicherheitsprodukte mit Stil"

Auf den ersten Blick vermutet frau den üblichen Parfümerie-Schnickschnack wie kitschige Haarspangen oder Armreifen. Das Schlagwort "Sicherheit" lässt vielleicht noch auf fröhlich aufgemachte Kondombehälter schließen. Tatsächlich handelt es sich aber um Alarmgeräte, die als "Sicherheitsprodukte mit Stil" von der Firma "Ila" auf den frauenspezifischen Markt geworfen werden. Auswählen kann das potentielle Opfer Frau zwischen einem niedlich betupftem Schlüsselanhänger, dem fesch gemusterten Taschenanhänger und einem roten oder schwarzen Türstopper. Gemeinsam haben alle drei Produkte ihre Alarmfunktion, die es in sich hat. Der 130 dB laute Alarm "verjagt Angreifer!" verspricht der Werbefolder, der von den Selbstverteidigungsaccessoires überzeugen will. Vor Angreifern scheint sich auch die junge Frau auf dem Prospekt zu fürchten: In einem luftigen weißen Kleidchen schaut sich die junge Frau, die abends unterwegs ist, wie ein ängstliches scheues Rehlein um.

Kein Klischee ausgelassen

Die Produkte, wie auch ihre Bewerbung lassen keinen Mythos über Gewalt und insbesondere sexualisierte Gewalt aus. Sowohl der Taschenanhänger, der mit lautem Frauengeschrei Alarm schlägt, als auch der Schlüsselanhänger böten sich als Selbstverteidigungsinstrumente deshalb an, weil frau sie draußen immer dabei hat. Und auch der alarmschlagende Türstopper soll den fremden, in die Wohnung oder das Hotelzimmer einbrechenden Täter in die Flucht schlagen.

Es passiert, dass Frauen von völlig Fremden angegriffen werden, keine Frage. Doch viel öfter sind es Partner, Ex-Partner, Verwandte, Freunde oder Bekannte. Der Frauennotruf in Wien wertete Beratungsgespräche aus den letzten 15 Jahren aus. Daraus ging hervor, dass 76 Prozent der Frauen die Täter persönlich kannten.

Gewalt, die ins Bild passen muss

Und genau hier liegt die Crux begraben: Es gibt ein klassisches Bild von Gewalt und sexualisierter Gewalt gegen Frauen. Entspricht ein Übergriff nicht dieser beschränkten Vorstellung, wie sie auch die Werbelinie für die "Sicherheitsprodukte mit Stil" transportiert, wird den Opfern oft nicht geglaubt.

Selbstverteidigungsutensilien auf die Zielgruppe "junge Frauen" einzuschränken, die Angst eines Mädchen zu ästhetisieren, der Subtext, Frauen als jederzeit gefährdet darzustellen und alle Männer, die nachts unterwegs sind, zu potentiellen Tätern zu machen - die Liste, warum diese Produkte samt ihrer Präsentation problematisch sind, ist lang.

Übersehen hat die Firma auch, dass laut einer UNO-Studie über Gewalt mehr Männer im öffentlichen Raum Opfer von Gewalt werden, Frauen hingegen eher im privaten Raum. Auf die Idee, Männern Selbstverteidigungshilfen in niedlicher Verpackung anzudrehen, kommt man dennoch nicht. Da hält man sich lieber an das Opfer Frau, hier fällt Angstmache offenbar auf lukrativeren Boden. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 30. November 2011)