Im bretonischen 15.000-Einwohner-Städtchen Landerneau, wo sie mit ihren drei Söhnen wohnen, sehe man sie als "mustergültiges Ehepaar" an, heißt es in den zahlreichen Medienberichten über die Avrillons. Und daran soll sich möglichst nichts ändern: Marie-Jeanne (43) und Chloé (41) wollen als Verheiratete weiterleben, obwohl Chloé vor 15 Jahren als Wilfred sein Ja-Wort gab und erst nach einer Hormonbehandlung vor einem Jahr sowie einer operativen Geschlechtsumwandlung vor kurzem in Thailand zu einer Frau geworden ist.

Zwei Frauen nun dürfen in Frankreich nicht miteinander verheiratet sein. Statt der "echten" Ehe müssen sie mit einem anderen staatlichen Eintragungsmodell, dem Pacs, vorliebnehmen. Hierbei unterscheidet sich die Grande Nation nicht von Österreich - auch wenn der Pacs, im Unterschied zur eingetragenen Partnerschaft, gleich- wie verschiedengeschlechtlichen Paaren offensteht (und von Heterosexuellen großen Zuspruch erfährt).

Daher erregte die Empfehlung der zuständigen Staatsanwaltschaft im Oktober in Frankreich Aufsehen, die Ehe der Avrillons trotz Geschlechtsumwandlung Ehe bleiben zu lassen. Und am Donnerstag, wenn das Gericht in Brest zur Entscheidung schreitet, dieser Ansicht zu folgen - oder auch nicht -, wird die Spannung ihren Höhepunkt erreichen. Immerhin ist Frankreich in Sachen Ehe-Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare gespalten: Die regierenden Konservativen sind strikt dagegen, die Sozialisten klar dafür - und 2012 sind Wahlen.

Für Chloé und Marie-Jeanne wäre ein Ja zu ihrer Ehe vor allem ein weiterer Schritt in Richtung authentischer Lebensführung. Über Marie-Jeanne wird kolportiert, dass sie vor ihrer Heirat ausschließlich Frauen geliebt habe: Sie würde also wieder in einer lesbischen Beziehung leben. Chloé wiederum, von Beruf Informatikerin, hätte eine amtliche Bestätigung, dass ein belastendes Versteckspiel zu Ende ist: Als Mann habe sie sich jahrzehntelang gezwungen, auf "weibliche" Bewegungen zu verzichten, schildert sie.

Worauf die Avrillons - noch - hoffen, ist in Österreich indes schon gang und gäbe. Seit der aufsehenerregenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs 2006 im Fall Sandra und Bettina H. sind gleichgeschlechtliche Ehen nach einer Geschlechtsumwandlung hierzulande legal. Zahlreiche Paare haben die Möglichkeit bereits in Anspruch genommen - ganz ohne Medienbegleitung. (Irene Brickner, DER STANDARD, Print, 14.12.2011)