Ein kritischer Kopf fragt nach.

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Der Rosa-Blau-Dualismus hat über Weihnachten wieder um sich geschlagen und abertausende Mädchen und Burschen um ihre halbwegs autonome Entscheidung in Sachen Spielzeug und eben Farben gebracht. Die plumpe Aufteilung in "Superheros" und "Princesses"  will dieses kleine Mädchen nicht unhinterfragt stehen lassen und empört sich:

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Etwas später könnte sie sich in der Schule wieder ähnliche Fragen stellen. Sind Jungs wirklich besser in Mathematik und Mädchen in Fächern, die mehr "soziale Kompetenz" erfordern? Natürlich nicht. Doch genau wie bei der Sache mit den Farbvorlieben hält sich auch hier die Talent-Zuteilung qua Geschlecht hartnäckig, obwohl hinreichend das Gegenteil belegt ist. So können für mögliche Unterschiede in den Leistungen etwa soziokulturelle Faktoren ausschlaggebend sein, das biologische Geschlecht gibt hingegen keinen zufriedenstellenden Hinweis darauf, wer, was, warum kann. Auf eine Differenz hätten laut mädchenmannschaft.net Studien aber dennoch immer wieder hingewiesen, nämlich dass bei Jungs der Unterschied zwischen besonders begabt und besonders unbegabt viel größer sei als bei Mädchen, deren Ergebnisse dichter beieinander lägen. Doch auch diese Abweichung hat andere Ursachen als Geschlecht, denn ein Vergleich von unterschiedlichen Ländern zeigt, dass das nicht überall so ist. Und in Bahrain hätten überhaupt Mädchen deutlich höhere Mathe-Leistungen vorzuweisen, was wiederum dem Umstand geschuldet sein könnte, dass schlechtere Schülerinnen früher die Schule verlassen als schlechte Schüler. 

Nicht mal auf die Biologie ist Verlass

Wenn unsere junge Kritikerin aus dem YouTube-Video schon so früh die selbstverständliche Zuteilung von Präferenzen nicht unhinterfragt hinnimmt, wird sie sich wahrscheinlich später um weitgehendere Fragen auch nicht drücken. Etwa darüber, wie tief die viel propagierten Unterschiede zwischen Mann und Frau denn wirklich gehen? Bleibt bei der Frage der Differenz zwischen den Geschlechtern nur die Biologie? Oder nicht mal die?

Nein, nicht mal die, heißt es in dem Blog "Love me or leave me". Anlass für den Eintrag von Anfang Dezember ist eine bereits im Herbst entfachte Diskussion in Frankreich darüber, ob und wie in Schulbüchern die soziale Konstruktion von Geschlecht behandelt werden soll. Konservative empörten sich über neue Schulbücher, die Erkenntnisse der Gender Forschung einfließen lassen und "betonen, dass nicht allein die Biologie die sexuelle Identität bestimmt", wird Stefan Ulrich von der Süddeutschen in dem Blog zitiert. Abgeordnete von der konservativ-liberalen Regierungskoalition forderten Unterrichtsminister Luc Chatel auf, die neuen Bücher wieder zurückzuziehen. Es wäre ein höchst ideologisches Unterfangen, die sexuelle Identität als soziale Konstrukt zu behandeln – oder besser gesagt – sie auch nur auf den Aspekt der Sozialität hin zu betrachten. Sexuelle Identität oder das Thema sexuelle Orientierung auch nur zu behandeln scheint schon zu viel des Guten zu sein. Sätze wie "jeder erlernt es, ein Mann oder eine Frau zu werden, je nach seiner Umwelt und nach der Erziehung, die er genießt", die Ulrich aus einem der Schulbücher zitiert, ließen bereits das Fass überlaufen. Den Kritikerinnen des neuen Biologieunterrichts dürfte allerdings entgangen sein, dass es sich dabei nicht nur um Erkenntnisse der viel gehassten Gender Studies handelt, sondern dass sie damit auch die Augen vor der Arbeit der Soziologie oder Politikwissenschaft konsequent verschließen.

Für die kleine Feministin im Spielzeugladen wird es also nicht die letzte Empörung über Vorurteile über Girls und Boys gewesen sein. (beaha, dieStandard.at, 4. Jänner 2012)