Marie F. Mongan: HypnoBirthing
Mankau Verlag, 2011, 3. Auflage
ISBN-13: 978-3938396209
Euro 19,95

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Auf YouTube finden sich inzwischen hunderte Geburtsclips von Müttern, die auf Hypnose schwören.

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"Du sollst mit Schmerzen deine Kinder gebären": Diesen Satz kennen die meisten Menschen, auch wenn sie sonst nicht so bibelfest sind. Was Gott da Eva in die Schuhe schob, nur weil sie vom Baum der Erkenntnis aß, hat die christlich-abendländische Kultur tief geprägt, vor allem in Bezug auf unsere Vorstellungen von der Geburt. Heute wird zwar nicht mehr Gott bemüht, um den Geburtsschmerz zu begründen, dafür gibt es inzwischen massenhaft mediale Bilder von schmerzgebeutelten Gebärenden und schauderhafte Geburtsstorys, die sich Frauen gerne mal in geselliger Runde erzählen. Ist es also schlicht unausweichlich, dass die Geburt eines Kindes höllisch wehtut?

Geburt als traumatische Erfahrung

Die Hebamme Barbara Schneider kann in dieser Frage nicht wirklich Entwarnung geben. Laut ihrer Erfahrung erlebt ein sehr hoher Prozentsatz an Frauen die eigene Geburt als "sehr negativ" bis "traumatisch". Und ihre eigenen Geburten waren da keine Ausnahme. "50 bis 60 Prozent der Schwangeren sind nach der Geburt wirklich am Ende, körperlich und emotional." Aus dem eigenen Bedürfnis, ihren Gebärenden besser helfen zu können, suchte sie nach Alternativen und stieß auf "HypnoBirthing".

Neuer Trend der Hypno-Mums

Bei HypnoBirthing handelt es sich um einen ganzheitlichen geburtshilflichen Ansatz, der seit den 1990er Jahren hauptsächlich in den USA Verbreitung fand und von der Pädagogin Marie F. Mongan geprägt wurde. Dort gibt es inzwischen eine große Anhängerinnenschaft dieser Geburtsmethode, wovon zahlreiche YouTube-Clips zeugen. Begeisterte Hypno-Mums teilen darin ihre sanfte, schmerzarme Geburtserfahrung mit dem Rest der Welt. Im deutschsprachigen Raum ist die Methode hingegen noch relativ neu. Erst seit 2009 werden in der Schweiz, in Deutschland und Österreich Ausbildungskurse für HypnoBirthing angeboten. Barbara Schneider, die in Vorarlberg praktiziert, war eine der Ersten.

Hypnose zur Schmerzbekämpfung

Grundsätzlich ist die Wirkung von Hypnose in der Schmerzbekämpfung seit langem bekannt. Neben der Geburtshilfe kommt Hypnose derzeit erfolgreich in der Zahnmedizin, in der Krebstherapie und generell bei chronischen Schmerzen zum Einsatz. Mit der Showhypnose in der Zaubershow hat die medizinische Hypnose aber nichts zu tun. Stattdessen werden die PatientInnen mittels selbst erlernter Entspannungs-, Atem- und Visualisierungstechniken dazu befähigt, auf einer geistigen Ebene ihre körperliche (Schmerz-)Erfahrung zu beeinflussen. Nach diesem Konzept funktioniert auch die Mongan-Methode, wie HypnoBirthing auch genannt wird.

Geburtsschmerz, gibt es ihn?

Um die Frage zu klären, ob und wie Geburtsschmerz entsteht, ist es nötig, den physiologischen Vorgang einer Geburt zu verstehen. "Die Gebärmutter leistet bei diesem Vorgang einen unglaublichen Kraftakt: Zum einen muss der verschlossene, idealerweise noch fünf Zentimeter lange Gebärmutterhals, der das Kind über Monate in der Gebärmutter gut geschützt hat, zuerst verdrängt und anschließend aufgedehnt werden, bis zu zehn Zentimetern", erläutert die Gynäkologin Bibiana Kalmar. Der Dehnungsschmerz dieses Bindegewebes mache den Hauptteil des Geburtsschmerzes aus.

Doch das ist noch nicht alles. Gleichzeitig schiebt noch die Gebärmutterkuppel von oben das Kind in Richtung Ausgang, was eine besonders hohe muskuläre Beanspruchung bedeutet. "Das ist so, als ob Sie als ungeübte Bergsteigerin auf den Kilimanjaro kraxeln – da würden ihre Oberschenkel auch brennen", erläutert Kalmar. Der Schmerz bei der Geburt sei also real, weil dieser Dehnungs- und muskuläre Schmerz als Reiz an die Schmerzrezeptoren weitergegeben wird.

"Angst-Verkrampfungs-Schmerz-Syndrom"

Für die Mongan-Methode ist jedoch nicht dieser Reiz ausschlaggebend, sondern vielmehr die Angst vor der Geburt. Diese sei vor allem kulturell vermittelt und stelle Mütter automatisch auf ein negatives Geburtserlebnis ein. HypnoBirthing diagnostiziert den meisten Frauen ein "Angst-Verkrampfungs-Schmerz-Syndrom", das der Pionier der "natürlichen Geburt", der britische Gynäkologe Grantly Dick-Read, bereits vor über 80 Jahren entdeckt hat. Besagte Angst führe dazu, dass Stresshormone freigesetzt werden, die Gebärmutter sich verkrampfe und schlussendlich ihre Arbeit nicht mehr optimal leisten könne. Mit Hilfe von HypnoBirthing gelinge es Frauen, diese Ängste im Vorfeld abzubauen und dem Körper die Gelegenheit zu geben, den Geburtsverlauf ähnlich wie andere normale physiologische Funktionen geschehen zu lassen, erklärt Mongan in ihrem Buch.

Gebärende positiv bestätigt

Für Barbara Schneider, die in Vorarlberg inzwischen mehrere HypnoBirthing-Kurse durchgeführt und zehn Paare auf diese Weise bei der Geburt begleitet hat, ist die Methode wirksam: "Schmerzfreiheit ist zwar nicht garantiert, aber die Geburt wird schmerzarm. Alle Frauen, die mit dieser Methode entbunden haben, betonten, dass sie die Geburt als positives Erlebnis verbuchen konnten. Und es waren auch einige dabei, die vorher traumatische Geburtserfahrungen hatten."

In Großbritannien ist der National Health Service (NHS) gerade dabei, eine großangelegte Studie über den Nutzen von HypnoBirthing auszuwerten, denn auch das Gesundheitssystem könnte von der neuen Geburtsmethode profitieren. Sydney Sobotka, die Koordinatorin von HypnoBirthing-Kursen im deutschsprachigen Raum, ist sich sicher, dass diese Methode auch die Gesundheitskosten senken kann. "Sie verringert die Notwendigkeit von medizinischen Eingriffen wie Kaiserschnitten und die Abgabe von Schmerzmitteln. Sie entlastet auch das Pflegepersonal, weil die Geburten einfach stressfreier vonstattengehen."

"Natürliche Geburt"

Wird in den Geburtsstationen der Zukunft also nicht mehr geschrien, sondern nur mehr ruhig vor sich hin geatmet? Sobotka glaubt das nicht. "Die Methode ist nicht für alle Frauen. Sie ist auf die natürliche Geburt gezielt. Aber auch wenn Frauen im Voraus wissen, dass sie einen Kaiserschnitt haben werden, können sie davon profitieren." Bei der "natürlichen Geburt" werden äußerliche (in der Regel medizinische) Eingriffe grundsätzlich als Störung natürlicher Abläufe verstanden. Dazu gehört auch die routinemäßige Gabe von Schmerzmitteln.

Manche Frauen mag es abschrecken, dass sie bei HypnoBirthing der Erwartung der Geburt so viel Raum in ihrem Leben einräumen sollen. Der Umstand, dass sie sich für ein Kind entschieden haben, heißt eben noch lange nicht, dass sie ihren Körper auch "als vollkommenes Instrument der Natur", wie Mongan schreibt, begreifen wollen oder können.

Darüber hinaus verlangt die Methode von der werdenden Mutter auch einen zeitlichen Aufwand. Neben dem Besuch eines speziellen HypnoBirthing-Kurses muss sie die Techniken vor allem regelmäßig trainieren, damit die erwünschte Konditionierung auch eintreten kann. Durchschnittlich eine halbe Stunde pro Tag sollten werdende Mütter darauf verwenden, erklärt Schneider.

Selber schuld?

Gynäkologin Kalmar gibt zu bedenken, dass bei Methoden wie dieser eine starke Erwartungshaltung in Frauen geweckt werden kann. "Wenn die Geburt dann nicht so eintritt wie erwartet, geben sich die Frauen womöglich noch selbst die Schuld, dass sie Schmerzen hatten, weil sie eben nicht entspannt genug waren." Dazu passt das Statement einer HypnoBirthing-Leiterin in einem BBC-Beitrag: "Es ist die Aufgabe eines Frauenkörpers, Kinder auf die Welt zu bringen. Die Geburt läuft perfekt, wenn die Frau entspannt ist." Eine Entspannung, die im Vorfeld auch einiges an Anstrengung kosten wird. (dieStandard.at, 4.2.2012)