Gefangen in der 60s-Vorstadthölle: Betty aus "Mad Men".

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In den letzten Wochen waren wir viel zu Hause - meistens unfreiwillig, weil die Kälte unser aller Abwehrkräfte zermürbte. In dieser vielen Liegezeit konnte ich mir über die Mutterschaft im Wandel der Zeit Gedanken machen. Zum Beispiel in Form von Betty, der bildhübschen Vorstadt-Mama mit dem Zahnpasta-Lächeln aus der Serie "Mad Men". Wie sie ihre zehnjährige Tochter Sally behandelt, ja schier zurichtet für eine frauenfeindliche Welt, das trieb mir in meiner eigenen Angeschlagenheit regelrecht Tränen in die Augen. Dabei betont Betty gerne, wie viel strenger ihre eigene, "geliebte" Mutter mit ihr in der gleichen Situation gewesen wäre ... arme Dinger.

Parallel-Lektüre

Der Zufall will es, dass ich parallel dazu das Buch "Von Frauen geboren. Mutterschaft als Erfahrung und Institution" von Adrienne Rich lese. Es handelt sich hierbei um einen feministischen Klassiker der Zweiten Welle über Mutterschaft und wurde mir durch einen Blog-Eintrag von fuckermothers wieder ins Gedächtnis gerufen.

In dem Buch geht es hauptsächlich darum, dass die "Institution Mutterschaft" eine patriarchale Einrichtung sei, also ein Zustand, der von Männern im Interesse von Männern erfunden wurde und instand gehalten wird, damit Männer über Frauen (und ihre Kinder) Kontrolle behalten können. (Im Gegenzug thematisiert sie auch die "Erfahrung Mutterschaft", die Frauen von sich aus mit Kindern machen und die sie tief bereichern kann.) 

Frauenhass und Erziehungsmuster

Rich schreibt darin viel über ihre eigenen Erfahrungen als Mutter von drei Söhnen und die Ambivalenz zwischen überbordender Liebe und Wut beziehungsweise Hass gegenüber den Kindern, weil sie einem jeglichen Freiraum für die eigenen Bedürfnisse rauben. Sie beobachtet die Durchschnittsmütter ihrer Generation und stellt fest, dass der Frauenhass der Gesellschaft sich auch auf die Erziehungsmethoden und -ziele der Mütter auswirkt. Demnach würden Mütter ihren Kindern oftmals das antun, was die Gesellschaft mit ihnen macht: jegliches Streben nach Unabhängigkeit unterbinden, sie auf rigide, vordefinierte Geschlechterrollen reduzieren und Grenzüberschreitungen mit starker Aggression ahnden.

Hier zeigen sich dann die Parallelen zu "Mad Men"-Mama Betty: Auch ihre Tochter Sally hört bereits als kleines Mädchen, dass sie nicht zu viel essen soll. Ihre Haare müssen wachsen, denn "alle Mädchen wollen lange Haare". Wenn Sally etwas auf dem Herzen hat, wird es entweder als Hysterie abgetan oder als nicht wichtig genug, dass man wirklich darüber sprechen müsste.

Histotainment für Feministinnen

Es ist eine der Stärken von "Mad Men", dass es nicht nur die bröckelnde, machistische Welt in der New Yorker Madison Avenue im Visier hat, sondern auch in den vermeintlich ereignislosen Suburbias nach den gesellschaftlichen Erosionen jener Zeit wühlt. Es verhilft damit auch den Lebenswelten der Unterdrückten jener Zeit zu ihrem Recht, was bisher die wenigsten Histotainment-Serien leisten konnten oder wollten. Umso unterhaltsamer für dieMama, dass ihre Darstellungen dabei mit den Erkenntnissen feministischer Denkerinnen aus dieser Zeit korrespondieren! (dieMama, 24.2.2012)