Los Angeles - Am kommenden Sonntag wird es wieder heißen: "Ich danke der Academy". Wem die strahlenden GewinnerInnen die höchste Anerkennung im Filmgeschäft zu verdanken haben, wissen sie aber nicht - seit jeher wird aus der Zusammensetzung der einflussreichen, mehr als 6.000 Stimmberechtigte umfassenden Academy ein Geheimnis gemacht. Die "Los Angeles Times" hat nun in neunmonatiger Recherche den Großteil der aktiven Mitglieder ausfindig gemacht - und die Academy als "weitaus weniger mannigfaltig als das Kinopublikum" kritisiert. Denn das durchschnittliche Academy-Mitglied ist ein 62-jähriger, weißer Mann.

5.765 aktive Mitglieder hat die Academy laut der "L.A. Times", mehr als 5.100 von ihnen hat die US-amerikanische Tageszeitung identifiziert. Und von einer ausgewogenen Mischung kann nicht die Rede sein: Beinahe 94 Prozent der Oscar-AbstimmerInnen sind weißer Hautfarbe, 77 Prozent sind männlich. Schwarze stellen gerade mal zwei Prozent des Mitgliederstammes, Latinos sogar weniger als zwei Prozent. Menschen unter 50 machen nur 14 Prozent der Mitglieder aus - das Durchschnittsalter beträgt stattliche 62 Jahre. Viele Mitglieder hätten bei der Befragung durch die JournalistInnen angegeben, sie würden sich eine "repräsentativere Akademie" wünschen. Das zeichnet sich vorerst jedoch nicht ab: Die mehr als 1.000 Menschen, die seit 2004 in die Academy eingeladen wurden, waren nur geringfügig heterogener als der Club, zu dem sie stoßen sollten: 89 Prozent von ihnen waren weiß, 73 Prozent männlich.

Die Kritik an der mangelnden Diversität in der Academy hält sich bereits seit vielen Jahren - sowohl was die Repräsentation von Personen nicht-weißer Hautfarbe als auch von Frauen und Jungen betrifft. Der Protest reicht von landesweiten Kampagnen wie jener von Reverend Jesse Jackson Mitte der 90er Jahre bis zur Kritik an nominierten Filmen. So sei die von Filmkritikern gescholtene Bestsellerverfilmung "Extremely loud & incredibly close" heuer nur in der Kategorie "Bester Film" gelandet, weil die Vater-Sohn-Geschichte Männer mittleren Alters anspreche. Frauen sind auf allen Ebenen und in jedem der 15 Teilbereiche der Academy stark unterrepräsentiert; im 43-köpfigen Vorstand befinden sich sechs Frauen.

"Spiegel der Jobpolitik"

Für viele ist die Zusammensetzung der Academy jedoch lediglich "ein Spiegel der Jobpolitik in Hollywood". Phil Alden Robinson, einer der Academy-Vorstände, sieht zwar Nachholbedarf - aber "wenn die Branche als Ganzes ihre Sache nicht gut macht und alle Ebenen öffnet, ist es sehr schwierig für uns, unsere Mitgliedschaft breiter zu fächern", so Robinson zur "L.A. Times". Tatsächlich würden Studien in einzelnen Fachbereichen Hollywoods zeigen, dass sich die mangelnde Diversität der Academy mit jener innerhalb der Branche deckt. So machen Frauen im Drehbuch-Bereich der Academy 19 Prozent aus, während laut des US-Drehbuchverbands (Writers Guild of America) im Jahr 2009 Autorinnen für 17 Prozent der produzierten Filme verantwortlich zeichneten.

Gerade deshalb müsse die Academy ihren Einfluss für eine Gegenrichtung einsetzen, betonen Kritiker: Durch ihre Entscheidungen bezüglich Mitgliedschaften und Oscar-Nominierungen würde sie stattdessen den Mangel an Diversität auf der Kinoleinwand und bei Produzentenentscheidungen nur verstärken. Laut Oscarpreisträger Denzel Washington solle die Academy nicht die Branche, sondern die Vielfalt der USA widerspiegeln. "Wenn 12 Prozent des Landes Schwarze ausmachen, macht das die Academy zu zwölf Prozent schwarz", so Washington. "Ist die Nation zu 15 Prozent lateinamerikanischer Herkunft, macht das die Academy zu 15 Prozent lateinamerikanisch. Wieso nicht?" Der US-Schauspieler gehört zu jenen AfroamerikanerInnen, die gerade mal vier Prozent der Oscar-GewinnerInnen der vergangenen 83 Jahre ausmachen.

Mitglied bis ans Lebensende

Die Academy of Motion Pictures, Arts and Sciences wurde 1927 gegründet und ist von damals 36 einflussreichen Persönlichkeiten der Filmbranche auf mittlerweile mehr als 6.000 Mitglieder in 15 Teilbereichen von SchauspielerInnen über RegisseurInnen und Produzenten angewachsen. Die Kriterien für eine Einladung sind je nach Bereich unterschiedlich, Mindestvoraussetzung ist aber entweder eine Oscar-Nominierung oder eine Empfehlung von zwei Mitgliedern eines Academy-Fachbereichs bzw. des Mitglieder-Komitees. Anschließend muss eine Mehrheit der Mitglieder für die Aufnahme stimmen.

Erst seit 2004 veröffentlicht die Academy die Eingeladenen, wobei nie verlautbart wird, wer die Ehre annimmt und wer sie ausschlägt. Unter ihnen ist etwa der österreichische Oscarpreisträger Christoph Waltz - bis heute nicht vertreten sind laut "L.A. Times" hingegen Regiegrößen wie Woody Allen oder "Star Wars"-Mastermind George Lucas, die beide abgelehnt haben. Wer einmal aufgenommen wird, bleibt Mitglied bis ans Lebensende. Hunderte der Stimmberechtigten waren demnach bereits seit Jahrzehnten nicht mehr in Filmen zu sehen, andere sind ganz aus der Filmbranche ausgestiegen und stimmen trotzdem noch ab. So zählt die Stimme eines mittlerweile als Nonne lebenden Mitglieds laut Regeln der Academy genauso viel wie jene von Schauspielgröße Julia Roberts. (APA)