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Verzögerungstaktiken, Begriffsreiterei: Eine Einigung zum Metathema der Konferenz, nämlich der Stärkung von Frauen am Land gegen Hunger und Armut, kam nicht zustande. "Eine Niederlage für Frauenrechte", meint CSW-Teilnehmerin Gerstacker.

Foto: APA/dpa/Arne Dedert

Was als hoffnungsvolles Treffen zum Erarbeiten gemeinsamer Ziele begann, endete in einer Enttäuschung: Die UN-Frauenstatuskommission 2012 (Commission on the Status of Women, CSW), eine der wichtigsten globalen Institutionen zur Förderung von Frauen, ging Mitte März ohne Abschlussdokument zu Ende. "Das hat es seit Existieren der Kommission erst einmal gegeben. Man kann von einem dramatischen Scheitern der CSW sprechen", sagt Angelika Gerstacker, Vertreterin der internationalen Entwicklungshilfeorganisation CARE, die das Geschehen einige Tage vor Ort miterlebte.

Streit um reproduktive Rechte und FGM

Von 27. Februar bis 9. März tagte die Kommission offiziell das 56. Mal. Doch schon bald zeigte sich, dass der anberaumte Zeitrahmen nicht reichen würde: "Das 60-seitige Dokument wurde Zeile für Zeile verhandelt, am 9. März abends waren noch 35 Absätze offen, also ging man in die Verlängerung." Die Stimmung unter den VertreterInnen verschlechterte sich laufend und sei schließlich eskaliert, als es um den Zugang zu Verhütung und reproduktiven Rechten ging. Auch die Verurteilung von Genitalverstümmelung als "schädliche kulturelle Praxis" empörte einzelne Teilnehmer der Konferenz. Die entsprechenden Textteile wurden von mehreren Staaten unter Berufung auf "traditionelle Werte" abgelehnt.

Selbst Formulierungen, die seit Jahren "agreed language" sind und in vielen offiziellen Dokumenten verwendet werden, seien von einigen Ländern wie Ägypten, aber auch dem Vatikan (der nur Beobachterstatus, kein Stimmrecht hat) massiv kritisiert und untergraben worden. "Am Ende wollte El Salvador, das den Vorsitz hatte, alle Absätze des Abschlussdokuments, bei denen es zu keiner Einigung kam, streichen. Das ist unüblich, wenn es um Menschenrechte geht und die USA haben diese Streichung nicht akzeptiert."

Ein von den USA zuletzt vorgeschlagener Abschlusstext wurde schließlich von der Gruppe afrikanischer Staaten und der Karibik zurückgewiesen, weil er zu viel "neuen Text" enthielte.

Niederlage für Frauenrechte

Gerstacker sieht die Verhandlungen aus mehreren Gründen gescheitert: "Eigentlich war die CSW der Stärkung von Frauen und Mädchen im ländlichen Raum und ihrer Rolle für die Bekämpfung von Armut und Hunger gewidmet. Dass sich die Staaten auf kein Schlussdokument in Bezug auf dieses wichtige Thema einigen konnten, ist eine absolute Niederlage für die Rechte der Frauen in der internationalen Gemeinschaft." Laut mehreren Konferenz-TeilnehmerInnen hätten einige Länder zudem eine massive Verzögerungstaktik betrieben, ihre Stellungnahmen nicht rechtzeitig eingebracht und Begriffsreiterei betrieben. So habe sich etwa Ägypten geweigert, den Begriff "Gender" zu verwenden und darauf bestanden, ihn aus allen Absätzen herauszustreichen bzw. durch "Männer und Frauen" zu ersetzen, um jeden möglichen Bezug auf sexuelle Minderheiten auszuschließen.

Düstere Aussichten für weitere Verhandlungen

Nach diesem ernüchternden Ergebnis sehen NGOs mit großer Besorgnis auf die Frauenstatuskommission 2013. Dann steht das Thema "Gewalt gegen Frauen" auf dem Programm, mit dem die CSW schon vor rund zehn Jahren gescheitert ist.

Die jährlichen Treffen der Frauenstatuskommission gelten als Stimmungsbarometer für die Bedeutung und das Engagement der internationalen Gemeinschaft in Sachen Frauenrechte. Angesichts der zunehmend kontroversiellen Sichtweise in manchen Kernbereichen wird der Vorschlag von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, 2015 eine weitere UN-Weltfrauenkonferenz in Qatar zu veranstalten, sehr skeptisch gesehen: "Wir befürchten, dass es dort zu massiven Rückschritten für Frauen- und Menschenrechte kommen könnte und wir hinter die Ergebnisse der Aktionsplattform von Peking 1995 zurückfallen könnten", so Gerstacker. "In nächster Zeit wird es massiv darum gehen, ob man die Konferenz verhindern oder sie besser als neue Chance nutzen und sich vereint für 2015 stark machen soll."

Man müsse das sehr vorsichtig abwägen, denn: "Natürlich verleitet die Idee einer nächsten Weltfrauenkonferenz zu Jubelstimmung, aber die bedenklichen Hintergründe, die zum Scheitern führen könnten, sind in der Öffentlichkeit oft viel zu wenig bekannt." (isa, dieStandard.at, 29.3.2012)