Bild nicht mehr verfügbar.

Adrienne Rich wurde 82 Jahre alt.

Foto: ap/Chuck Knoblock

Adrienne Rich war jahrzehntelang eine der einflussreichsten Stimmen der US-amerikanischen Frauenbewegung. Über 60 Jahre lang schrieb sie über das Leben von Frauen in der modernen Gesellschaft. Viele dieser Facetten erlebte Rich am eigenen Leib, als Ehefrau, als dreifache Mutter und später auch als homosexuelle Frau. Vergangenen Dienstag starb sie mit 82 Jahren in Santa Cruz, Kalifornien. 

Adrienne Rich wurde am 16. Mai 1929 in Baltimore geboren. Ihr Vater Arnold Rich war Professor an der John Hopkins Medical School, ihre Mutter Helen Jones Rich war Pianistin und Komponistin. Doch die Karriere ihrer Mutter dauerte nur kurz, da sie sie zugunsten ihrer Mutterschaft und ihrer Rolle als Ehefrau aufgab. 

Rich wurde christlich erzogen, doch sie interessierte sich schon früh für die jüdischen Wurzeln ihres Vaters; seine Herkunft beschäftigte sie später immer wieder. Von ihm wurde sie auch schon als Kinder dazu ermutigt, Gedichte zu schreiben. Später studierte sie am Radcliffe College Englisch und machte ihren Abschluss 1951. Nur zwei Jahre später heiratete sie den Ökonomie-Professor Alfred Haskell Conrad und mit nur 30 Jahren war Rich bereits Mutter von drei Söhnen.

Erster Gedichtband 1951

Zwei Jahre vor ihrer Hochzeit wurde ihr erster Gedichtband publiziert. Mit "A Change of World" gewann sie gleich die angesehene "Yale Series of Younger Poets Competition", eine erste Auszeichnung, der noch viele folgten.

Richs Gedichte wurden für ihre makellose Form und ihren skrupellosen Rhythmus gelobt, mit den Erfahrungen als Mutter und Ehefrau schlug ihr Werk auch inhaltlich einen schärferen Ton an. Der 1963 erschienene Band "Snapshots of a Daughter-in-Law" steht heute für einen einschneidenden literarischen Schritt in Richtung Frauenbewegung. Im selben Jahr erschien auch der feministische Klassiker von Betty Friedan "The Feminist Mystique". In "Snapshots of a Daughter-in-Law" beschreibt Rich das zermürbende Leben einer traditionellen Ehe.

Ihre eigene Ehe mit Alfred Haskell Conrad beendetete sie 1970, Conrad nahm sich noch im selben Jahr das Leben.

Tief tauchen

Mit dem 1973 erschienenen "Diving into the Wreck" gewann Rich den "National Book Award", der sie endgültig an die Spitze der US-amerikanischen PoetInnen katapultierte. Literaturprofessorin Cheryl Walker bejubelte dieses Werk als "eines der schönsten Gedichte, das durch die Frauenbewegung entstanden ist". Rich bedient sich in dem Gedicht an der Metapher des Tauchens, um die noch unentdeckten Erfahrungen des Frau-Seins zu beschreiben:

I am here, the mermaid whose dark hair
streams black, the merman in his armored body
We circle silently about the wreck
we dive into the hold. ...

Schon drei Jahre später folgt ein weiteres Werk, das für Feministinnen vergangener und künftiger Generationen von Bedeutung ist. In "Of Woman Born: Motherhood as Experience and Institution" wird ihr feministisches Credo noch deutlicher; erstmals schreibt sie auch aus der Perspektive einer lesbischen Frau. "Die unterdrückte Lesbe, die ich seit meiner Adoleszenz in mir habe, beginnt ihre Glieder auszustrecken", so Rich über diese Zeit des Erwachens.

"Ich schreibe als Frau"

Soviele Preise und Auszeichnungen Rich auch bekam, ihre Bücher wurden von KritikerInnen immer wieder als polemisch bezeichnet. Und in der "New York Book Review" warf ihr Francine du Plessix Gray vor, sie würde sich der Taktik der Unterdrücker bedienen, in dem sie Stereotypen (von Männern) verbreitet. Auf Kritik wie diese reagierte Rich nie rechtfertigend. Sie wollte sich für ihre spezifische Perspektive, die auf ihr Schreiben einwirkte, nicht entschuldigen: "Ich schreibe als Frau, als Lesbe und als Feministin", meinte Rich 1981 gegenüber der Washington Post. 

In dem 1976 erschienenen "Twenty-One Love Poems" thematisierte Rich explizit die Liebe zwischen zwei Frauen. Von dieser Zeit an waren Fragen der Identität eine starke Referenz in ihren Texten. Rich beschäftigte sich mehr und mehr mit ihren jüdischen Wurzeln, thematisierte die Shoa oder auch den Kampf afro-amerikanischer Frauen. Mit "Of Woman born" fokussierte sie auch die Identität von Müttern und bearbeitete darin Mutterschaft als soziohistorisches Konstrukt.

1992 verzichtet sie

Rich bekam zahlreiche Stipendien, Preise und Ehrungen. Etwa den "National Poetry Association Award for Distinguished Service to the Art of Poetry", den "Fund for Human Dignity Award of the National Gay Task Force" oder den "Lifetime Achievement Award". Sie nahm allerdings nicht jeden Preis an. 

1992 verzichtet sie auf die höchste Auszeichnung der Vereinigten Staaten für KünstlerInnen, die "National Medal of Arts". Sie lehnte die Ehrung mit der Begründung ab, die Regierung fördere ökonomische Ungerechtigkeit und Rassismus. Ein paar KünstlerInnen auszuzeichnen, während eine große Menge von Menschen ungerecht behandelt wird - das reichte Rich nicht. Dadurch werde Kunst zur "Tischdekoration auf den Tischen der Macht" degradiert, kritisierte Rich.

Richs Werk umfasst über 20 Gedichtbände und ein halbes Dutzend Prosabände. Allein von ihren Gedichtbänden wurden 800.000 Exemplare verkauft. 

Adrienne Rich erlag den Folgen von Komplikationen einer Gelenksarthritis, an der sie bereits seit ihren 20ern litt. Sie hinterlässt ihre Lebensgefährtin, die Autorin Michelle Cliff, mit der sie seit 1979 lebte, eine Schwester, drei Söhne und zwei Enkelkinder. (beaha, dieStandard.at, 29.3.2012)