Wien - Nach dem Urteil des Großmuftis von Saudi-Arabien können Mädchen schon im Alter von zehn Jahren verheiratet werden. Wie das auf Englisch und Arabisch erscheinende Internetportal "World Observer" und andere Online-Medien kürzlich berichteten, wies Sheikh Abdul-Aziz al-Sheikh damit die BefürworterInnen einer Anhebung des Heiratsalters "zurecht".

Ein Mädchen sei nach den Gesetzen des Islam im Alter von zehn oder zwölf Jahren für die Ehe bereit, erklärte der Großmufti. Die islamischen Gesetze würden keine Unterdrückung der Frauen bedeuten. Jene, die das Heiratsalter auf 25 anheben wollten, seien völlig im Irrtum, sagte Al-Sheikh den Angaben zufolge bei einer Vorlesung an der Imam Mohamed bin Saud Islamic University in Riad.

"Unsere Mütter und Großmütter wurden verheiratet, als sie kaum zwölf waren. Gute Erziehung macht ein Mädchen in diesem Alter bereit für alle ehelichen Pflichten", antwortete Al-Sheikh einer weiblichen Zuhörerin, die die Praxis der Zwangsverheiratung minderjähriger Mädchen in Frage stellen wollte.

"Vergewaltigung der Kindheit"

Der Saudische Menschenrechtsverband NHRA hat die Verheiratung Minderjähriger in dem Königreich als "Vergewaltigung der Kindheit" verurteilt. Die Praxis sei zudem eine Verletzung von Abkommen im Rahmen der UNO zum Schutz der Kinder- und Frauenrechte, die auch von Saudi-Arabien unterzeichnet worden seien, stellt der NHRA fest.

Auch in Österreich haben Aussagen des saudischen Großmuftis für Empörung gesorgt. Dieser hatte zur Zerstörung aller Kirchen in den Golfstaaten aufgerufen. Kardinal Christoph Schönborn äußerte Ende März im Namen der österreichischen Bischöfe scharfe Kritik an einem entsprechenden Rechtsgutachten (Fatwa) Al-Sheikhs. Ein solcher Erlass "ist für uns Bischöfe völlig inakzeptabel und auch nicht nachvollziehbar", betonte Schönborn.

Die Initiative Liberaler Muslime Österreich (ILMÖ) wies aus diesem Anlass darauf hin, dass der Großmufti der Befürworter und der geistige Führer des wahhabitischen Zentrums in Wien sei, "ohne dessen Unterstützung und Erlaubnis es dieses internationale Sektenzentrum nicht geben könnte, da Saudi Arabien dieses finanziert". (APA, 3.5.2012)