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Aufmarsch feministischer Gruppen vor dem Verfassungsrat in Paris.

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Der Vorwurf: Die Aufhebung sei Freifahrtschein und "Jagderlaubnis" für sexuelle Belästiger.

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"Nein zur Aufhebung der Straftat sexueller Belästigung."

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Demonstration durch das erste Arrondissement.

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Dutzende FeministInnen machten Radauz.

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Das französische Verfassungsgericht (Conseil constitutionnel, Verfassungsrat) hat am Freitag das 1992 erlassene Gesetz gegen sexuelle Belästigung als verfassungswidrig aufgehoben. Als Begründung für die Entscheidung, die von französischen Frauenrechtsgruppen teils heftig kritisiert wurde, nannten die neun RichterInnen ("neun Weisen", darunter zwei Frauen) die Unschärfe des Gesetzestextes.

2002 erfuhr das Gesetz eine Erweiterung, die jetzt Anlass für die sofortige Aussetzung war. In der früheren Version war der Autoritätsmissbrauch Ausschlag gebend für eine potenzielle Verurteilung nach dem Gesetz; in der neuen Version heißt es: "Der Akt der Belästigung anderer mit dem Ziel, sexuelle Gefälligkeiten zu erhalten, ist zu bestrafen mit einem Jahr Haft und 15.000 Euro."

"Artikel 222-33 des Strafgesetzbuchs ruft zur Bestrafung des Vergehens der sexuellen Belästigung auf, aber die grundlegenden Elemente des Gesetzesverstoßes sind nicht ausreichend definiert", schreibt der Verfassungsrat in seinem Urteil, gegen das keine Berufung eingelegt werden kann.

Rechtliches Vakuum lässt Opfer allein

Die Aufhebung bedeutet, dass alle nach dem Gesetz anhängigen Verfahren eingestellt werden müssen und nicht vor Erlass neuer Rechtsvorschriften fortgesetzt werden können. Die neue Nationalversammlung, die die Gesetzestexte ausarbeitet, wird erst im Juni gewählt. Es wird mit Monaten ohne entsprechendes Gesetz gerechnet.

Das so geschaffene rechtliche Vakuum bringt die Feministinnen im Land auf die Barrikaden. Vor dem Verfassungsgericht fanden sich nach einem Aufruf am Samstag spontan rund 200 DemonstrantInnen ein. "Die Botschaft der Straffreiheit für Belästiger ist abstoßend", formulierten sie in einem Statement. Von einer "skandalösen" Entscheidung und einem "historischen Rückschritt" für die Frauenrechte war die Rede. Kritisiert wurde vor allem, dass die Opfer von der Justiz allein gelassen würden.

Symbolische Beschwerde und Hoffen auf Präzisierung

Unter den DemonstrantInnen befand sich auch Marilyn Baldeck, Päsidentin der Europäischen Vereinigung gegen Gewalt an Frauen am Arbeitsplatz (Association européenne contre les violences faites aux femmes au travail, AVFT). Diese Organisation hatte das nun aufgehobene Gesetz bereits zuvor als zahnlos kritisiert und angeprangert, dass es im Jahr 2009 nur 54 entsprechende Verurteilungen gegeben hätte. Dadurch zeigte sich seine "Insignifikanz". Dass statt einer Nachschärfung, die zu mehr Verurteilungen führen könnte, nun ein Rechtsvakuum herrsche, sei allerdings untragbar. Die DemonstrantInnen reichten symbolisch "Beschwerde wegen Störung der öffentlichen Ordnung" und "absichtlicher Gefährdung der Opfer von sexueller Belästigung" gegen die "neun Weisen" ein, erklärte Baldeck.

Politische Versprechen

Der Präsidentschaftsgewinner François Hollande versprach vor seiner Wahl zum künftigen Staatsoberhaupt Frankreichs, das neue Gesetz schleunigst auf den Weg zu bringen. Auch die Ministerin für Solidarität und sozialen Zusammenhalt Roselyne Bachelot erklärte, sie werde dem neuen Parlament Druck machen, um das Rechtsvakuum so schnell wie möglich zu füllen. (red/Reuters, 7.5.2012)