Christian Fiala berichtete über die Entstehungsgeschichte des Museums. Im Ausland hoch angesehen, kämpft das Museum in Österreich immer noch um (finanzielle) Anerkennung.

Foto: Nico Bertotti

Regisseurin Susanne Riegler bedankte sich bei den Protagonistinnen für ihre Offenheit, vor der Kamera über ihre Erfahrungen zu berichten: "Das ist nicht selbstverständlich."

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Das Podium von links nach rechts: Ulrike Busch, Beate Wimmer-Puchinger, Beate Hausbichler, Elisabeth Parzer und Christian Fiala.

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Am Fuße des Maria-Theresia-Denkmals lud das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch geschichtsträchtig zu Brötchen und Sekt.

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Ein Museum, das sich mit der Geschichte von Schwangerschaftsabbrüchen und Verhütungsmethoden befasst, hat es in Österreich nicht leicht. Die Einrichtung muss ohne öffentliche Förderungen auskommen und selbst die Spendenabsetzbarkeit wurde ihr nicht zugestanden. Dass das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch (MUVS) trotz dieser widrigen Umstände inzwischen fünf Jahre alt ist, sollte ein Grund zum Feiern sein. In Kooperation mit dieStandard.at lud die Einrichtung Donnerstagabend MitstreiterInnen und PartnerInnen vor dem Naturhistorischen Museum zum Sektempfang.

Der Ort des Zusammentreffens war dabei nicht zufällig: Unter dem langen Arm der Kaiserin (Maria-Theresien-Denkmal) konnte schon der Hauptakt des Festes erahnt werden. Die Vorführung des Films von Susanne Riegler "Der lange Arm der Kaiserin" zeichnet jene Geschichten von Scham, Verdrängung und Leid nach, bevor der Abbruch in Österreich straffrei gestellt wurde. Wie weit dabei die von Maria Theresia initiierte Strafprozessordnung wirkt, wird im Film ebenso beleuchtet, wie verschiedenste Praxen zum Schwangerschaftsabbruch und der Umgang mit Sexualität. Letzteres war schließlich auch Thema der anschließenden Diskussion.

Sprachlosigkeit

"Wie frei ist Sexualität heute? Mit welchen Tabus haben wir zu tun und unter welchem Gewand erscheinen sie?" erörterten vier ExpertInnen unter der Moderation von dieStandard.at-Redakteurin Beate Hausbichler. Ulrike Busch, Professorin für Familienplanung an der Hochschule Merseburg, knüpfte an die Dokumentation an und bezeichnete die im Film dargestellte Sprachlosigkeit junger Frauen als Alarmsignal: "Wenn man sprachlos ist, gibt es keine Wörter dafür und das bedeutet, dass das Thema tabuisiert ist", so die Wissenschaftlerin. Die logische Forderung für die deutsche Wissenschaftlerin mündete in der "Selbstverständlichkeit, Verhütung in der Gesundheitsvorsorge miteinzuschließen".

Ein Tabu und eine Skepsis gegenüber hormonellen Verhütungsmitteln wie die Anti-Baby-Pille orteten Elisabeth Parzer, Mitarbeiterin im MUVS, und Christian Fiala, Gynäkologe und Gründer des Museums, vor allem bei jüngeren Frauen. Es herrsche ein Mythos, Hormone seien ein unnatürliches Mittel, so Parzer und Fiala. Die Frauengesundheitsbeauftragte der Stadt Wien, Beate Wimmer-Puchinger forderte, dass in Sachen Verhütung auch Männer in die Pflicht genommen werden müssten: "Es kann nicht sein, dass Reproduktion ausschließlich Frauensache ist", so Wimmer-Puchinger.

Fremdbestimmt durch Pornografisierung

Eine Einschränkung der Selbstbestimmung ortete die Expertin auch darin, dass Frauen vor Abtreibungsambulatorien nach wie vor von sogenannten LebensschützerInnen angegriffen werden. Eine problematische Form der Sexualität stellt für sie die Pornografisierung der Gesellschaft und der leichte Zugang zu Pornographie im allgemeinen dar: "Sexualität ist dadurch nicht frei, sondern fremdbestimmt."

Eine "erstaunlich vehemente Verbindung zwischen christlich-fundamentalistischen Kreisen hin zur Politik in fast alle Parteien Deutschlands hinein" wurde von Busch als machtpolitische Tendenz hinter der Reproduktionspolitik geortet. Reproduktion sei ein leidiges Thema, abzulesen auch an der späten Einführung der Pille-danach, sowohl in Deutschland als auch in Österreich. Die in der DDR aufgewachsene und sozialisierte Wissenschafterin lieferte ein Pendant zur vorherrschenden Reproduktionspolitik, als sie vor Augen führte, dass in der DDR der Schwangerschaftsabbruch nicht mit dem Strafrecht in Verbindung stand, sondern ganz selbstverständlich von den Krankenkassen getragen wurde, ebenso Verhütungsmittel.

Heterosexuell, bürgerlich tradiert

Dass dieses Gesetz "die Wende nicht passierte" bedauerte sie sehr. Es gelte ganz prinzipiell das Familienverständnis zu hinterfragen, das nach wie vor an heterosexuellen, bürgerlich tradierten Wertvorstellungen von Ehe aufgebaut sei. Für Wimmer-Puchinger müsste dies schon in der Schule geschehen. Gemeinsam mit Parzer forderte sie verpflichteten Sexualkundeunterricht an den Schulen. Aus dem Publikum wiederum wurde die Forderung laut, den Schwangerschaftsabbruch in Österreich endlich aus dem Strafgesetzbuch zu nehmen. Der Paragraf 96 im StGB stellt den Abbruch nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Busch unterstrich dies mit dem Argument, dass "Gesetze juristische Ausformungen von Lebensideologien sind und mit den Menschen auch etwas mitteilen".

Fiala plädierte zum Schluss, dass "reproduktive Gesundheit nach den Bedürfnissen der Betroffenen ausgerichtet werden muss. Die Haltung zu Zeiten Maria Theresia, dass das Volk eine nützliche Staatspopulation darstellt, wirkt nach wie vor und muss zugunsten der Betroffenen abgestellt werden. Der lange Arm der Kaiserin muss abgeschnitten werden". (eks, freu, dieStandard.at, 1.6.2012)