Hannah Horvath (Lena Dunham, rechts) mit Jessa Johansson (gespielt von Jemima Kirke).

Foto: HBO

Frauen in New York City. Schon für einige Serien hielt dieser Topos her. In "Sex and the City" war es die Suche nach einem Mann und in der weniger erfolgreichen Serie "Lipstick Jungle" mussten Karriere, Liebe und Familie irgendwie unter einen Hut. Nicht zu vergessen die Upperclass-Serie "Gossip Girl", in der die Reichsten der Reichen ihre Probleme zum Besten geben.

Vergangenen Donnerstag lief auf dem US-amerikanischen Sender HBO das Finale der ersten Staffel einer weiteren Frau-in-New-York-City-Serie mit dem schlichten Titel "Girls". Medial genoss die Serie schon im Vorfeld enorme Aufmerksamkeit, was bestimmt auch an ihrer jungen Produzentin, Autorin und Hauptdarstellerin liegt. Mit erst 24 Jahren bekam Lena Dunham (inzwischen ist sie 26) die Möglichkeit, für HBO eine Serie zu schreiben, zu produzieren und auch noch den Part der Hauptdarstellerin zu übernehmen.

Probleme und Problemchen

Dunham feierte mit ihrem Film "Tiny Furniture" (2010) bereits auf diverseren Festivals Erfolge. Vorlage für den Film war Dunhams eigenes Leben und diesem Erfolgsrezept blieb sie auch mit "Girls" treu. Ihre Probleme, ihre Freundschaften, ihr Umfeld. Letzteres besteht aus Mittzwanzigern, die sowohl finanziell als auch emotional wohlbehütet sind und mit ihren Beziehungen, unbezahlten interessanten Jobs, bezahlten uninteressanten Jobs oder mit Sex so ihre Problemchen haben.

Doch es kommt noch ärger: Geldprobleme, Abtreibung und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kommen auf die jungen Frauen zu. Aber die Protagonistinnen Hannah, Marnie, Jessa und Shoshanna sind gefestigt - wiederum: finanziell und emotional. Auf der Straße werden sie wohl dank ihrer Eltern nicht landen und auch die sexuelle Belästigung vermag Hannah (Lena Dunham) nicht weiter aus dem Konzept zu bringen. Auch mit dem Thema Abtreibung wird eloquent, emanzipiert und mit einem hohen Grad an Selbstreflexion umgegangen.

Nur irgendeine Stimme

Hannah und ihre Freundinnen sind zwar selbstbewusst und clever, doch läuft es mal nicht so, kommen andererseits auch schnell Zweifel auf. Als Hannah etwa von ihren Eltern ("Wir sind doch nur Professoren!") zwei Jahre nach dem College der Geldhahn zugedreht wird, meint die aufstrebende, aber noch unbezahlte Autorin erst überzeugt: "Ich bin DIE Stimme MEINER Generation." Doch nach wenigen Sekunden legt sie leise nach: "Oder zumindest eine Stimme irgendeiner Generation."

Differenzen zur großen Schwester

Vor allem an ästhetischen Details werden die Unterschiede zu anderen Serien, allen voran zu "Sex and the City", deutlich. Der Vergleich mit der Erfolgsserie drängt sich auf, auf spiegel.de war etwa vom "unglamourösen Gegenstück" zu "Sex and the City" die Rede.

Und das muss nichts Schlechtes heißen: Anders als Carrie und Co sind die jungen Frauen in "Girls" oft ungeschminkt, haben keine Modelfiguren und tragen teilweise einfache Klamotten, die sie auch länger als einen Restaurant-Besuch anhaben. Es wird weniger von Sex geredet, stattdessen wird er so gezeigt, wie er oftmals ist - "gar nicht sexy", wie Dunham in einem Interview meinte. Statt in schöner Unterwäsche zu posieren, wird ungelenk gevögelt.

Hoch anzurechnen ist "Girls" auch, dass bereits in der zweiten Folge Abtreibung das Hauptthema ist. Zum Vergleich: In 94 Folgen "Sex and the City" mit unzähligen Bett-Partnern und unendlich viel Sex-Gerede samt Problematisierung kommt das Wort "Abtreibung" - wenn überhaupt - dreimal vor. Zumindest von diesem - wenn auch nur rhetorischen - Tabu haben sich die "Girls" befreit.

Keine Diversität

Aber trotz der neuen, ungewöhnlichen Bilder, der sehr klugen und gewitzten Dialoge reiht sich "Girls" in eine lange Reihe von Serien ein, die Eliten repräsentieren.

Dieses Problem an der Serie ist offenkundig und wurde auch häufig artikuliert. Warum die jungen Frauen unbedingt alle weiß und überprivilegiert sein mussten und warum ein Schwarzer nur einen Auftritt als Obdachloser hat, diese Kritik kommentiert Dunham recht unbeschwert. "Das war reiner Zufall", sie sei froh, dass das Thema aufgekommen sei, und immerhin: Sie werde diese Problematik künftig stärker berücksichtigen.

Berühmte Eltern

Für die Einschränkung auf privilegierte Kinder gilt das allerdings nicht. Denn wie bei ihren Geschichten überschneidet sich auch hier Dunhams privates und berufliches Leben. Sie castete mitunter auch aus ihrem privaten Umfeld. So war Jessa-Darstellerin Jemima Kirke ihre "beste Highschool-Freundin", wie sie einem "Los Angeles Times"-Journalisten erzählte. Er wollten wissen, wie es gekommen sei, dass letztendlich so viele Kinder berühmter Eltern in der Serie mitspielen. Marnie wird von Allison Williams gespielt, Tochter des bekannten Fernsehjournalisten Brian Williams, der es 2007 auf die "Forbes"-Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt schaffte. Und auch Zosia Mamet (spielt die Figur der Shoshanna) kann einen berühmten Vater vorweisen, den Regisseur, Produzenten und Drehbuchautor David Mamet.

Dunham gab dem Journalisten eine weitere unbeschwerte Antwort: Sie seien für den Job einfach am besten geeignet gewesen. Bei all den Problemen der Mittzwanzigerinnen kann das Leben dann also doch so einfach sein.

Die Serie beweist ohne Zweifel Mut auf vielen Ebenen, doch in puncto Diversität und soziale Fragen versagt sie - zumindest bis jetzt. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 21.6.2012)