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Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ist zwar jederzeit lösbar, aber genauso mit rechtlichen Folgen verbunden.

Foto: Andreas Schaad/dapd

Claudia und Andreas lebten viele Jahre ohne Trauschein mit ihren Kindern in einer gemeinsamen Wohnung zusammen. Andreas verdiente, Claudia war bei den Kindern zu Hause. Als die beiden sich trennten, taten sich plötzlich viele rechtliche Fragen auf: Wer darf in der Wohnung, die auf Andreas' Namen läuft, bleiben? Hat Claudia Anspruch auf Unterhalt? Wie wird das gemeinsam eingebrachte Vermögen geregelt und wie steht es um Erziehung und Obsorge für die Kinder?

Während in der Ehe vieles gesetzlich klar geregelt ist, sieht das Gesetz für nichteheliche Lebensgemeinschaften in Österreich derzeit wenige Regelungen vor. Es besteht kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch, die LebensgefährtInnen dürfen keinen Erbvertrag abschließen, es trifft sie keine Beistandspflicht im Krankheitsfall und Untreue hat keine rechtlichen Konsequenzen. "Paare wissen über die rechtlichen Folgen und Regeln einer Lebensgemeinschaft ohne Trauschein oft nicht genug Bescheid", sagt Soziologin Ulrike Zartler. "So glauben viele noch immer, dass Partner in einer Lebensgemeinschaft nach einer bestimmten Zeit des Zusammenlebens automatisch dieselben Rechte haben wie Paare, die in einer Ehe zusammenleben. Da besteht nach wie vor Aufklärungsbedarf."

Rechtlich absichern

Um nichteheliche Lebensgemeinschaften rechtlich abzusichern - 2011 lebten 338.000 Paare in Österreich in dieser Lebensform - warb Frauenministerin Heinisch-Hosek bereits mehrmals für ihre Idee des Partnerschaftsvertrags, in welchem Regeln im Fall von Trennung oder Tod, für Unterhalt und Vermögen geschaffen werden sollten. Finanziell benachteiligte LebenspartnerInnen und Kinder sollten so besser geschützt werden. Dass Reformbedarf für nichteheliche Lebensgemeinschaften besteht, darüber sind sich auch JuristInnen und SoziologInnen einig, die sich mit den Möglichkeiten einer gesetzlichen Regelung befassen.

Die Juristinnen Constanze Fischer-Czermak und Barbara Beclin erarbeiteten anhand der derzeitigen Rechtslage erstmals konkrete rechtliche Vorschläge für die Regelung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, mit Rücksichtnahme auf die Gestaltungsfreiheit, einem der Hauptgründe, warum sich Paare gerade für diese Lebensform und gegen die Ehe auf Trauschein entscheiden. Als Lebensgemeinschaft definieren die Juristinnen eine Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft, die auf dem Zusammengehörigkeitsgefühl zweier Personen beruht, auf Dauer angelegt, aber jederzeit lösbar ist.

Eine Frage des Unterhalts

Die beiden Zivilrechtlerinnen haben sich in einem Gutachten unter anderem Unterhalts- und Mietfragen sowie Erbrecht und Obsorge im Trennungs- und Todesfall im Vergleich mit entsprechenden Regelungen in anderen europäischen Staaten genauer angesehen. So schlagen sie etwa vor, dass auch unverheiratete PartnerInnen Unterhalt für den oder die jeweils andere/n PartnerIn leisten müssen, der oder die das gemeinsame Kind betreut. Derzeit sind Väter lediglich verpflichtet, für die Kosten der Entbindung und den Unterhalt in den ersten sechs Wochen nach der Geburt aufzukommen. Die Juristinnen sind dafür, den Zeitraum bis zum dritten Lebensjahr des Kindes auszuweiten, da wegen der Kinderbetreuungspflichten eine frühere Erwerbstätigkeit kaum erwartet werden kann. Die Regelung sollte nur an die Elternschaft geknüpft sein, also auch bei nicht aufrechter Lebensgemeinschaft gelten.

Geschützte Trennung

Rechtlicher Schutz ist vor allem im Falle einer Trennung nötig. Auch hier sprechen sich die Juristinnen für eine Unterhaltszahlung aus, solange gemeinsame Kinder versorgt werden müssen und der oder die betreuende PartnerIn deshalb keiner Arbeit nachgehen kann. Ein besonderes Schutzbedürfnis kann etwa bestehen, wenn der oder die betreuende PartnerIn sich in der Beziehung jahrelang um den gemeinsamen Haushalt und die gemeinsamen Kinder gekümmert hat und nun erst Arbeit finden muss, um sich selbst erhalten zu können. In diesem Fall schlagen die Juristinnen einen "befristeten Anspruch auf den notwendigen Unterhalt nach Billigkeit" vor. "Da sich Lebensgefährten für eine unverbindliche Form des Zusammenlebens entschieden und nicht wie Eheleute zu umfassendem Beistand verpflichtet haben, bleibt unser Vorschlag aber hinter dem Unterhaltsanspruch im Ehegesetz zurück", so Fischer-Czermak und Beclin.

Ausziehen mit Frist

Um im Falle einer Trennung nicht von heute auf morgen auf der Straße zu stehen, sollte dem Partner oder der Partnerin der/die die Wohnung verlassen muss, auch eine angemessene Frist zur Räumung gewährt werden. Kann sich das Paar auf keinen Zeitraum einigen, soll das Gericht den Termin festsetzen können. RichterInnen sollen auch festlegen dürfen, dass ein/e PartnerIn nach der Trennung unter gewissen Umständen auch nach dieser Frist noch in der Wohnung der oder des anderen bleiben darf, wenn er oder sie die Wohnung dringender braucht, etwa weil er oder sie die gemeinsamen Kinder betreut und die Entscheidung zum Wohl des Kindes ist. In diesem - zeitlich begrenzten - Fall sollte jedoch ein angemessenes Entgelt für das Nutzungsrecht eingeräumt werden, um auch die Interessen des anderen zu wahren. Was die Aufteilung des Hausrats betrifft, so sollten im Streitfall über Gegenstände beide PartnerInnen als MiteigentümerInnen gelten.

Schwierige Aufteilung von Vermögen

Schwierig wird eine gesetzliche Regelung im Falle der Aufteilung von während der nichtehelichen Lebensgemeinschaft erworbenem Vermögen. Da keine Vermögensaufteilung wie im Ehegesetz vorgesehen ist, schlagen die Juristinnen eine Abgeltung der Ansprüche nach den Regeln des Schuldrechts vor, jedoch nur, um unverhältnismäßig große Nachteile oder eine Bereicherung auf Kosten der oder des anderen zu vermeiden.

Keine angemessene Abgeltung gebe es hingegen, so Fischer-Czermak und Beclin, wenn sich in einer Langzeitbeziehung der eine Teil der Erwerbsarbeit, der andere der "Familienarbeit" gewidmet und damit auch Aufgaben des anderen Partners oder der Partnerin übernommen hat: "Während der eine Lebensgefährte im Hinblick auf die gemeinsame Lebensplanung, zum Beispiel Kinderbetreuung, auf eine weitere Berufsausbildung, den Erwerb einer eigenen Altersvorsorge oder anderer Ersparnisse verzichtet hat, konnte sich der andere in derselben Zeit voll seiner Berufstätigkeit widmen und dadurch Vermögen schaffen."

Erbrecht im Todesfall

Auch über den Todesfall von Partner oder Partnerin haben sich die Autorinnen des Gutachtens Gedanken gemacht. So sollte ihrem Vorschlag nach auch für nichteheliche LebenspartnerInnen ein gesetzliches Erbrecht gelten, wenn das Paar bis zum Zeitpunkt des Todes zumindest fünf Jahre zusammengelebt und ein gemeinsames Kind hat. Als Erbquote schlagen sie ein Viertel vor. Wenn der oder die tote PartnerIn sonst keine gesetzlichen Erben hat und auch kein Testament vorliegt, das andere Wünsche vorsieht, dann soll die Lebensgefährtin oder der Lebensgefährte auch erben dürfen, wenn es keine gemeinsamen Kinder gibt.

Hinterlässt der oder die Verstorbene hingegen noch eine/n EhepartnerIn oder Kinder, die nicht aus der aktuellen Beziehung stammen, dann soll der oder die PartnerIn, so kein entsprechender letzter Wille vorliegt, nicht erben dürfen. Hat die Lebensgemeinschaft zumindest drei Jahre gedauert, sollte der oder die verbliebene PartnerIn aber das Recht haben, noch ein Jahr in der gemeinsamen Wohnung bleiben zu dürfen.

Schutz der Schwächeren

Fazit der Juristinnen wie Soziologinnen ist, dass gesetzliche Regelungen nur in jenen Punkten Sinn machen und auch notwendig sind, die dem Schutz des wirtschaftlich schwächeren Partners oder der Partnerin und der gemeinsamen Kinder dienen. Sie sollen vor allem grobe Benachteiligungen auf einer Seite vermeiden. Ob und warum sich Paare im Falle gesetzlicher Regelungen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft noch für die Ehe entscheiden (sollen), wird SoziologInnen, FamilienforscherInnen und PolitikerInnen in nächster Zeit noch beschäftigen. (isa, dieStandard.at, 19.7.2012)