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Das Waten im Fluss kann Reisenden zum Verhängnis werden.

Europäer wären schockiert, doch in vielen Regionen Afrikas ist es Alltag: Man erleichtert sich, und der Urin ist rot gefärbt. Hierzulande sucht man schleunigst einen Arzt auf, anderswo wundern sich Kinder sogar, wenn einer von ihnen quasi farblos Wasser lässt. Bilharziose ist vielerorts noch immer ein Volksleiden. Die auch Schistosomiase genannte Krankheit wird von Würmern der Gattung Schistosoma ausgelöst und kann bei chronischem Verlauf manchmal tödliche Folgen haben. Meist indirekt.

Die Wissenschaft unterteilt die Parasiten in insgesamt sechs Arten mit unterschiedlichen Merkmalen und Verbreitungsgebieten. Die berüchtigtste, Schistosoma haematobium, verursacht den bereits erwähnten blutigen Urin. Sie kommt in Afrika und Teilen des Mittleren Ostens vor. Die ebenfalls häufige Spezies S. mansoni tritt auch im afrikanischen und arabischen Raum auf sowie in der Karibik, Venezuela, Brasilien und Surinam. S. japonicum findet man heute noch in China, Indonesien und auf den Philippinen, S. mekongi in Teilen von Laos und Kambodscha. Die selteneren S. guineensis und S. intercalatum sind in den tropischen Regenwäldern Afrikas beheimatet.

Allen Arten gemeinsam ist ein zentraler Aspekt ihres Lebenszyklus: Die Tiere praktizieren einen Generationswechsel mit geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Fortpflanzung. Aus den Eiern schlüpfen zunächst spezielle, schwimmende Larven, die in Süßwasserschnecken eindringen. Dort wachsen sie und vermehren sich durch Teilung. Anschließend verlassen die Larven des zweiten Stadiums, sogenannte Zerkarien, die Schnecke. Auch sie sind flinke Schwimmer. Einmal draußen, suchen die Jungwürmer schnellstens ihren nächsten Wirt - einen Menschen. Angelockt von Duft und Bewegungen schlängeln sie auf ihn zu und bohren sich kurzerhand durch die Haut. Über die Blutbahn gelangen die Eindringlinge in die Lunge und später in die Leber. Doch auch dies ist nur eine Zwischenstation.

Enge Zweierbeziehungen

Die Leber dient den jungen Egeln gewissermaßen als Hort zum Heranwachsen. Sie ziehen als erwachsene Würmer aus und suchen sich einen Partner. Schistosomen werden auch "Pärchenegel" genannt, weil die Tiere besonders enge Zweierbeziehungen eingehen. Das deutlich größere Männchen trägt das Weibchen zeitlebens in einer Bauchfalte herum. Die getrauten Parasiten lassen sich entweder in den Blutgefäßen der Harnwege (S. haematobium) oder des Darmkanals (alle andere Schistosoma-Spezies) nieder. Befruchtete Eier werden im Urin oder im Stuhl abgegeben. Gelangen diese in Gewässer, schließt sich der Kreis.

Bilharziose ist normalerweise keine akut gefährliche Krankheit. Bei starkem Befall können die Würmer ihren Wirt jedoch erheblich schwächen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt auch vor den ökonomischen Schäden, die Schistosoma in Entwicklungsländern verursachen dürfte. Die betroffenen Menschen sind in ihrer Arbeitskraft beeinträchtigt, Kinder leiden unter Blutarmut, Wachstumsstörungen und verringerter Leistungsfähigkeit. Die wirtschaftlichen Verluste lassen sich nicht beziffern.

Eine Schistosomiase im Darmbereich macht sich häufig durch Bauchschmerzen, Durchfall und Blut im Stuhl bemerkbar. Leber und Milz können vergrößert sein. S. haematobium verursacht durch Schädigung der Venen im Urogenitalbereich Gewebeverhärtungen. Eventuell treten auch Nierenschäden auf. In einigen Fällen lösen die Egel die Entstehung von Blasentumoren aus. Bei Frauen können Geschwüre und Blutungen in der Vagina auftreten, was das Risiko für eine HIV-Infektion erhöhen könnte.

Auch wenn Schistosoma-Befall ein typisches Leiden der "Dritten Welt" ist - seit Jahren trifft es auch Europäer. Ursache sind veränderte Reisegewohnheiten. Touristen dringen in entlegene Tropenregionen vor. Im Pool oder am Meeresstrand holt man sich keine Bilharziose, beim Waten durch einen Fluss mitunter schon. Viele Globetrotter sind sich dieses Risikos nicht bewusst. "Wir bekommen heutzutage regelmäßig Fälle zu Gesicht", berichtet zum Beispiel Sebastian Dieckmann vom Berliner Institut für Tropenmedizin. Die Behandlung ist relativ einfach. Das Medikament Praziquantel, das auch zur Prophylaxe eingenommen werden kann, eliminiert die Parasiten. Eine einzige Dosis genügt normalerweise. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 6.8.2012)