Amaka Okolo (li.) und Sophie Hkimi sind Teilnehmerinnen des laufenden MIT-Kurses. Amaka interessiert sich für Malerin, Maurerin oder Bodenlegerin; Sophie will am liebsten Mediendesignerin werden, aber auch Tischlerin kann sie sich vorstellen. Hier erklärt ihnen ein Jugend-am-Werk-Ausbildner, wie eine Drehbank funktioniert.

Foto: dieStandard.at/Lechner

Die Mädchen können bei MIT in viele Berufe hineinschnuppern: von Metallberufen über Kfz-Technikerin, ...

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Holzberufe, Maurerin und Malerin, ...

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... bis zu technischem Zeichnen, Mediendesignerin, Elektroberufen oder Grünflächengestaltung.

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Mädchen und junge Frauen, die nach Abschluss des Kurses keine Lehrstelle finden, haben noch die Möglichkeit, ihre Ausbildung im überbetrieblichen Lehrbetrieb von Jugend am Werk zu beginnen.

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Konzentriert sitzen die 18 Mädchen im Computerraum vor den Bildschirmen. Fünf Donnerstage kommen sie hier, in den Lehrwerkstätten in der Gutheil-Schoder-Gasse in Wien-Favoriten, mit ihren Trainerinnen zusammen, besprechen ihre Erfahrungen beim Berufe schnuppern, schreiben Lebensläufe, trainieren Bewerbungsgespräche. "Schreiben Sie auch, dass wir eine Lehrstelle suchen?", fragt eines der Mädchen hoffnungsvoll.

Alle 18 Mädchen sind technisch interessierte Schulabgängerinnen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Das AMS-finanzierte Projekt "MIT - Mädchen und junge Frauen in Handwerk und Technik" von Verein Sprungbrett und Jugend am Werk soll ihnen dabei helfen. "Sechs Wochen lang haben sie die Möglichkeit, verschiedene Berufe kennenzulernen, erste Arbeitsschritte auszuprobieren und sich in Begleitung einer Trainerin für eine Stelle zu bewerben", sagt Martina Lipuz, Diplomierte Sozialarbeiterin und Leiterin des Lehrbetriebs von Jugend am Werk. Mathematik- und Deutschkenntnisse werden ebenso abgefragt und nach Bedarf aufgefrischt.

Stärken, Schwächen und Interessen ausloten

Nach einer Clearingwoche, in der vorgestellt wird, welche Berufe es gibt und die Mädchen ihre Interessen, Stärken und Schwächen ausloten, können sie jeweils von Montag bis Mittwoch in Partnerbetrieben in drei bis vier Berufe ihrer Wahl hineinschnuppern. Sie bekommen Einblick in die Grundlagen des Berufs und dürfen sich auch schon an eigenen Werkstücken oder Arbeiten versuchen.

Die Auswahl ist groß: Von Metall- und Holzberufen, über Elektro, Installation, Kfz-Technik und Maurerin bis zu Malerin und Bodenlegerin, technisches Zeichnen, Mediendesign und Grünflächengestaltung reicht die Palette. Gemeinsam wird versucht, einen Beruf zu finden, der zu ihnen passt. "Die meisten Mädchen haben keine Idee davon, was 'technisch' alles sein kann", sagt Trainerin Tanja Grünberger. "Manche kommen auch schon mit konkreten Vorstellungen, die aber oft nicht mit der Realität übereinstimmen. Diese versuchen wir dann, auszuräumen. Das Reinschnuppern in die Berufe macht da sehr viel Sinn."

In einer zweiten Phase können die Mädchen in einem vierwöchigen, begleiteten Praktikum Erfahrung im Beruf ihrer Wahl sammeln. Im Idealfall haben sie dann aber bereits eine Lehrstelle gefunden und können schon vorher direkt an einen Ausbildungsplatz wechseln.

Besuch von der Trainerin

Die Trainerinnen besuchen die Mädchen einmal pro Woche im Schnupperbetrieb und schauen, wie es ihnen geht. Nach jedem Schnuppern beurteilen die dortigen FachausbildnerInnen Fakten wie Pünktlichkeit, Interesse oder Aufnahmefähigkeit; das Ergebnis wird mit der Trainerin dann im Kurs besprochen. "Man spürt bei den Besuchen, wie wichtig es den Mädchen ist, zu wissen, 'Da interessiert sich wer für mich'", sagt Tanja Grünberger. "Im Alltag hören sie oft nur selten, wenn sie etwas gut machen. Durch die Erfolge beim Schnuppern wird ihnen bewusst: 'Ich kann was!'"

"Die Einstellung zählt"

Amaka Okolo und Sophie Hkimi, 16 und 15 Jahre alt, sind zwei besonders motivierte Teilnehmerinnen. Beide sind sich sicher, bald eine Lehrstelle zu finden. "Ohne positive Einstellung kann es gar nicht klappen", sagen die Mädchen überzeugt. Amaka interessiert sich für Malerin, Maurerin oder Bodenlegerin; Sophie will am liebsten Mediendesignerin werden, aber auch Tischlerin kann sie sich vorstellen. "Ich hatte vor einem Jahr bereits eine Lehrstelle als Optikerin, konnte sie aber nach einem Unfall nicht antreten. Jetzt suche ich etwas Neues und hier im Kurs geht das besser als alleine", schildert Amaka, warum sie zu MIT kam. Sophie hat nach der Pflichtschulzeit eine weiterführende Tourismusschule besucht, stand aber mit Mathematik auf Kriegsfuß und hat sich nach einer missglückten "Ehrenrunde" entschieden, eine Lehre zu beginnen. "Der Wechsel zwischen Arbeit und Schule gefällt mir und ich kann dabei schon Geld verdienen", sagt sie. „Daneben möchte ich aber unbedingt die Matura nachholen."

Anfangs sei sie skeptisch gewesen, ob ihr MIT etwas bringen würde: "Ich habe mich gefragt, wie sie es schaffen wollen, für so viele Mädchen bis Herbst eine Lehrstelle zu finden." Jetzt, nachdem alle Mädchen im Kurs beim Schnuppern bisher gut abgeschnitten haben, sei sie zuversichtlich: "Uns wird nichts nachgetragen, wir müssen schon selber was dazu tun, aber bekommen viel Hilfe und Unterstützung, wenn wir nicht weiter wissen. Die Chancen, hier was zu finden, sind höher, als wenn ich alleine suche. Und ich habe dann schon mal was, auf dem ich aufbauen kann."

Steiniger Weg für Lehrabbrecherinnen

Nicht alle Mädchen, die bei MIT beginnen, seien so motiviert wie Amaka und Sophie, sagt Werkstättenleiterin Lipuz: "Für Mädchen, die frisch von der Schule kommen, ist es leichter als für Lehrabbrecherinnen oder junge, arbeitslose Frauen, die schon länger suchen." Diesen falle es vor allem schwer, sich wieder an ein einen regelmäßigen Arbeits- und Ausbildungsrhythmus zu gewöhnen. "Der Hauptgrund für Drop-outs sind mangelnde soziale Fähigkeiten", so Lipuz. "Die können wir hier aber nur noch bedingt vermitteln. Auch schulische Mängel oder Sprachprobleme in zehn Wochen hier aufzuholen, geht nicht. Wir waren erfolgreich, wenn die Mädchen am Schluss realistische Berufsziele haben und ihre Fähigkeiten selbst einschätzen können."

Abschluss bei Jugend am Werk

Finden die jungen Frauen nach dem Kurs im Herbst keine Lehrstelle, haben sie noch die Möglichkeit, in den überbetrieblichen Lehrbetrieb von Jugend am Werk eingegliedert zu werden und dort ihren Abschluss zu machen. Nicht für alle jungen Frauen sei MIT aber auch geeignet: "Wenn wir merken, dass sich ein Mädchen gar nicht wohlfühlt, weil Technik und Handwerk nichts für sie ist, schicken wir sie zum Verein Sprungbrett zur Berufsorientierung. Prinzipiell motivieren wir die Mädchen aber dazu, den Kurs und die Lehre durchzuziehen. Danach haben sie immer noch die Möglichkeit, etwas anderes draus zu machen."

So könne eine fertige Tischlerin auch Einrichtungsberaterin werden, eine Malerin als Innendekorateurin arbeiten. Es sei auch Aufgabe der Trainerinnen und AusbildnerInnen, gut herauszufiltern, warum ein Mädchen wirklich abbrechen will: "Es liegt nicht immer am Beruf an sich, es kann auch das Betriebsklima sein, Ärger mit dem Chef oder den KollegInnen, der Pin-up-Kalender in der Werkstatt oder eine gemeinsame Toilette für Männer und Frauen."

Klo als Ausrede

Die sei auch noch immer eine gern benutzte Ausrede für Betriebe, die keine Mädchen anstellen wollen, sagt Lipuz: "Dass es kein eigenes Klo für Frauen oder keinen freien Platz gibt, hören junge Frauen bei der Lehrstellensuche in technischen Berufen nach wie vor, auch wenn sicher ist, dass der Betrieb einen Lehrling sucht. Unternehmen, die einmal schlechte Erfahrungen mit einem Mädchen gemacht haben, behaupten gerne, dass es mit Mädchen generell nicht funktioniert. Dass das nicht stimmt, sehen wir daran, dass jene, die den Beruf wirklich wollen, relativ rasch vermittelt sind."

Wie viele Mädchen nach MIT tatsächlich eine Lehre abschließen, lasse sich nicht nachvollziehen, da die meisten nach dem Kurs wieder in alle Winde verstreut sind, sagt Trainerin Grünberger. Aber auch nach dem Abschluss fänden sie bei Jugend am Werk und Sprungbrett jederzeit Rat und Unterstützung in Berufsfragen. Ihr sei jedenfalls wichtig, den Mädchen in der kurzen Zeit Technik möglichst spannend zu vermitteln: "Wenn sie nach zehn Wochen wissen, ob Technik etwas für sie ist oder nicht, dann haben wir schon viel erreicht." (Isabella Lechner, dieStandard.at, 13.8.2012)