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Im Juli 2010 verbrannten schwedische Feministinnen Geld, um auf die Lohnschere hinzuweisen. Eine Aktion, die sich der Dachverband der Feministischen Parteien Europas auch für ihren EU-Wahlkampf vorstellen kann: "Es scheint so zu sein, dass gerade drastische Methoden gefordert werden, um sich Öffentlichkeit zu verschaffen", erklärt die Bundessprecherin von "Die Frauen".

Foto: ap/JANERIK HENRIKSSON

Sie heißen "Iniciativa Feminista", "Partia Kobiet", "Feministiskt Initiativ" und "Die Frauen" und sie kommen aus Spanien, Polen, Schweden und Deutschland. Feministische Parteigründungen werden derzeit auch in Italien und Österreich diskutiert. Zum ersten Mal getroffen haben sich die Parteifrauen 2010 in Valencia, um den "Dachverband der Feministischen Parteien in Europa" zu gründen, 2011 in Danzig, um ein gemeinsames Ziel und Forderungen zu artikulieren.

Am Freitag sehen sie einander in München wieder. Strategien und Taktiken werden dort ausgelotet werden, um ihr ambitioniertes Ziel zu erreichen: Die feministischen Politikerinnen wollen nach der nächsten EU-Wahl 2014 im Europäischen Parlament ihre Interessen vertreten. "In München werden wir über unser weiteres Vorgehen abstimmen", erklärt die Bundessprecherin der feministischen Partei "Die Frauen", Margot Müller gegenüber dieStandard.at.

Unterschiedliche nationale Voraussetzungen

Die Herstellung gemeinsamer Interessen und einer verbindlichen Identität als Basis und wesentliches Inventar eines europäischen Dachverbands ist ob der unterschiedlichen nationalen Voraussetzungen nicht gerade einfach. Denn während sich etwa die deutsche Partei "Die Frauen" im Jahr ihrer Gründung 1995 mit ihrer Hauptforderung, Interessen von Frauen vom Rand in den Mittelpunkt zu stellen, sehr allgemein und unaufgeregt hielten, erregten die Schwedinnen im Jahr ihrer Parteigründung 2005 eine hitzige Debatte. "Feministiskt Initiativ" trat an, um eine gesetzliche Abschaffung der Ehe zu erreichen.

Verbindende Forderungen

Obwohl die feministischen Parteien auf nationaler Ebene also sehr unterschiedlich sind, konnten sich die Mitglieder des Dachverbands 2011 in Danzig dennoch auf 14 verbindende Forderungen einigen. Auf deren Liste findet sich die Abschaffung von sexueller Ausbeutung nach schwedischem Vorbild ebenso wie eine pazifistische Haltung, die in der Ablehnung von Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung ihren Ausdruck findet. Das Recht auf Selbstbestimmung der Frauen über ihre Fortpflanzung, gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit, Trennung von Staat und Religionen sowie die Bekämpfung struktureller, physischer und psychischer Gewalt sind im Forderungskatalog ebenso vorhanden und zeigen einmal mehr, dass die oft artikulierten Postulate, nach wie vor einer politischen und gesellschaftlichen Realisierung bedürfen.

Geld verbrennen bringt Öffentlichkeit

Politische Ansprüche, die allerdings erst an potenzielle WählerInnen gebracht werden müssen. "Es geht auch darum, den Menschen klar zu machen, dass das, was bisher an Frauenpolitik geschah, ein Klacks ist. Ich will damit nicht sagen, dass die Frauenbewegung nichts erreicht hätte: Immer wenn sich Frauen organisiert haben, haben sie etwas durchgesetzt und waren relativ erfolgreich," meint Müller. Dennoch habe das frauenpolitische Engagement nachgelassen. "Ist der Druck der vielen Frauen nicht mehr da, wird auch die politische Umsetzung immer schwieriger", schätzt sie die Lage ein. Wie also den Druck erhöhen und die notwendige Aufmerksamkeit für einen Wahlerfolg auf sich ziehen?

Die Schwedinnen hätten es vorgezeigt: Im Juli 2010 verbrannten Mitglieder von "Feministiskt Initiativ" den Geldbetrag, den Frauen des Landes pro Minute weniger verdienen als ihre Kollegen: 100.000 Kronen (etwa 10.400 Euro) standen unter Flammen, um auf die Lohnschere hinzuweisen. Eine Aktion, die sich Müller auch für den Wahlkampf gut vorstellen kann: "Solche Maßnahmen sind sehr sinnvoll, weil es Öffentlichkeit schafft. Es scheint ja so zu sein, dass gerade drastische Methoden gefordert werden, um sich Öffentlichkeit zu verschaffen".

Autonomie und Institutionalisierung

Da es in traditionellen, etablierten Parteien nicht möglich sei feministische Interessen umzusetzen, sei es notwendig aus der autonomen Bewegung heraus einen Schritt weiter auf institutioneller Basis zu gehen, meint Müller. Dieser Schritt war in der Frauenbewegung allerdings stets umstritten. Radikale Feministinnen übten etwa in den 1970er Jahren Kritik am Modell der parlamentarischen Demokratie. Ob der Weg durch die Institutionen sinnvoll oder korrumpierend sei, war folglich auch stets Diskussionsstoff bei erwogenen Parteigründungen.

Müller kennt diese Debatten, sieht aber in Feministischen Parteien eine Notwendigkeit, eine Fortführung und ein Ergebnis der Frauenbewegung: "Bewegungen und politische Institutionen sind einer Dialektik ausgesetzt". Da eine Bewegung politisch kaum etwas umsetzen könne, müsse diese institutionalisiert ins Parlament, ist sich Müller sicher. Damit einher geht schließlich auch die Verfügung über jene Ressourcen, die Frauen mehrheitlich im Vergleich zu Männern nicht haben: Zeit und Geld. "Das fehlt den Feministinnen. In allen Parteien sind hauptsächlich Männer, die Ressourcen der Allgemeinheit erhalten und Machtverhältnisse bestimmen. Dieses Geld brauchen wir, um kontinuierliche Politik zu machen," so die deutsche Politikerin.

"Den Konservativen nicht die Macht überlassen"

Dass aktuell ebenso Geld die Politik der Europäischen Union bestimmt und mit einer schrittweisen Etablierung der Fiskal-Union eine gleichzeitige Schwächung des Europäischen Parlaments zu erwarten ist, schüchtert die politisch organisierten Feministinnen nicht ein, im Gegenteil: "Man kann den konservativen Parteien nicht die Macht alleine überlassen. Das ist gefährlich und das zeigt sich in den Vorgängen der Fiskal-Union. Feministische Parteien, aber auch diejenigen, die sich für Demokratie einsetzen, müssen sich gegen solche Prozesse massiv wehren, sich politisch organisieren", gibt sich Müller unerschrocken.

Das ehrgeizige Ziel, ab 2014 im Europäischen Parlament einige Stühle für sich zu beanspruchen, schätzt die Bundessprecherin jedoch gering ein. Das allein könne aber auch nicht das Ziel sein, erklärt sie. "Es kann nicht nur darum gehen, ein solch großes Ziel zu erreichen. Die Struktur der Politik können wir auch durch unsere Existenz verändern." Dadurch werde der Druck auf etablierte Parteien erhöht. Auch das sei eine Genugtuung für den Dachverband der feministischen Parteien. (Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at, 15.8.2012)